Johanna I., Königin von Neapel

Johanna I., Königin von Neapel

Johanna I., Königin von Neapel. Mit kräftigen Zügen hat die Geschichte das Bild einer Fürstin gezeichnet, über welche die Meinungen der Mitwelt eben so getheilt waren, als die streng und unbefangen richtende Nachwelt willig ihr die Anerkennung hoher und erhabener Eigenschaften zu Theil werden läßt: und wenn das Folgende weniger den Ruhm und Thatenglanz einer mächtigen Königin, als eine Vereinigung der seltensten und grausamsten Schicksale in dem Leben einer Frau darstellen wird, so gereicht dieß darum gewiß nicht minder zur Belehrung, ja vielleicht war es gerade jenes ununterbrochene Einstürmen gräßlicher Verhängnisse, welches verhinderte, daß der vollgiltige Anspruch auf Unsterblichkeit, wie er sich in Johanna's Charakter aussprach, durch unsterbliche Thaten nicht auch gerechtfertigt wurde. Neapels Thron zierte Robert der Weise aus dem Hause Anjou. Seit langen Jahren der Stolz seiner Völker, die Bewunderung Europa's, hatte ihn eben so lange die Hoffnung beglückt, den Ruhm seines Namens auf seinen einzigen Sohn Karl übergehen zu sehen, der an Gerechtigkeit und Milde des Vaters treues Abbild zu werden schien. Er war 1328 eine Beute des Todes geworden und des Vaters ungetheilte Liebe ruhte jetzt auf der zweijährigen Tochter des Verstorbenen, der verwaiseten Johanna. Um die Zukunft der einst alleinigen Erbin seiner Staaten noch bei seinem Leben zu sichern, wählte er für das Kind schon den künftigen Gemahl in der Person des Prinzen Andreas von Ungarn, der, ein Sprößling des altern anjou'schen Zweiges, dadurch seinen möglichen Ansprüchen auf den Thron von Neapel begegnet sah Johanna war 16 Jahr alt, als Robert '1313 starb; emporgeblüht in reizender Schöne, entwickelt zur Reise des Geistes und Wissens, wie zur Höhe der Tugend. fand sie ihren Gemahl kalt, fühllos von rauhen Sitten und gemeiner Denkweise, den Einflüsterungen seines Erziehers, eines heuchlerischen Mönches, unbedingt überlassen. Trotz dem, daß ihr das Reich zu eigener Beherrschung angehörte, verlangte Andreas die Krone als sein Erbe, und der Papst, in seinem Solde, ließ seine Krönung zu, obschon er kurz vorher Johannen zu krönen befohlen hatte. Hiergegen erhoben sich zum Schutze ihrer bedrängten Königin die Großen Neapels, lockten Andreas 1345 unter dem Vorwande eines Festes in das Schloß Aversa, erdrosselten ihn und warfen seinen Leichnam aus dem Fenster. Die königliche Witwe bestrafte, nachdem sie sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, auf's Strengste die blutige That, im Volke aber wurde das Gerücht laut, sie selbst habe den Gemahl umzubringen befohlen; ganz Europa wiederholte die entsetzliche Beschuldigung, und trotz der feierlichen Erklärung ihrer Unschuld konnte nur eine lange Reihe von Jahren und der unbescholtenste Lebenswandel den fürchterlichen Verdacht beschwichtigen. Ohne Stütze hatte Johanna für sich und den zweijährigen Charobert den Schutz Ludwig's, des Bruders des Ermordeten, angesprochen. Statt der Zusage ward ihr blutige Rache angedroht und eine Heeresmacht zog gegen Neapels Grenzen. Nur unvollkommen vermochte der Arm des tapfern Ludwig's von Tarent, dem Johanna ihre Hand gereicht hatte, sie selbst und das Reich zu schützen. Sie floh, ihren Sohn zurücklassend, nach der Provence, der Stammbesitzung ihres Hauses, und nach Avignon, wo sich der heilige Vater befand. Der Schrecken zog den Fahnen Ludwig's von Ungarn voran, im Schlosse von Aversa empfing er die Großen von Neapel und den Herzog von Durazzo, den königlichen Knaben in ihrer Mitte. Wortkarg und finster fragte er nach dem verhängnißvollen Fenster, und der Herzog, auf einen Wink von ihm ergriffen und erdrosselt, stürzte durch dasselbe. Zwei unheilvolle Monate hauste er rächend in der Hauptstadt, da plötzlich erschien die päpstliche Bulle, welche die Königin von jedem Verdachte freisprach. Lauter Jubel tönte Johannen bei ihrem Einzuge in Neapel entgegen, Ludwig selbst übergab ihr das Reich und ein dauernder Friede schien begründet. Allein Johanna sollte sich ihres Sieges nicht erfreuen; ihr Sohn Charobert, vom Könige von Ungarn als Geisel hinweggeführt, starb, kurz nach ihm Ludwig von Tarent und 1364 auch ihr dritter Gemahl, Julius von Majorka. Nichts desto weniger regierte Johanna mit männlichem Eifer und heldenmüthiger Entschlossenheit im Geiste Robert's des Weisen und selbst die freundlichen Kinder eines ungetrübten Friedens, Wissenschaften und Künste, erhoben sich in Neapel zu niegekannter Blüthe. Rings um sie, die das Licht von Italien genannt wurde, war Segen verbreitet, und das dankbar glückliche Volk kannte keine Sorge, als die Kinderlosigkeit seiner geliebten Königin. Zwar hatte sie den Prinzen Karl von Durazzo, einen Neffen des gemordeten, an Sohnes Statt angenommen, allein der laute Wunsch der Nation führte ihr in dem edeln Otto von Braunschweig einen vierten Gatten zu. Diese Verbindung ward die Veranlassung zu neuen Stürmen in Johanna's Leben. Nach mehrjähriger Abwesenheit hatten die Päpste ihren Aufenthalt wieder zu Rom genommen und jetzt forderte Urban VI., Johanna's Feind, ihren Pflegesohn, Karl von Durazzo, auf, seine Mutter vom Throne zu stoßen. Urban selbst war von den. Kardinälen nur auf Widerruf gewählt worden, das Conclave versammelte sich jetzt zu Fondi, vernichtete jene Wahl und erhob Clemens VII. auf den heiligen Stuhl. Dagegen entsetzte eine Bulle Urban's die Königin, entband ihre Unterthanen des Gehorsams gegen sie und ernannte den Prinzen zum König von Neapel. Johannen verließ ihr Muth nicht, sie ruft den König von Frankreich zu Hilfe, nimmt dessen Bruder Ludwig von Anjou an die Stelle des Verräthers Durazzo zum Sohne an und hält sich mit wenigen Getreuen in der Hauptstadt, die vom Feinde belagert wird. Schon beginnen alle Qualen des Mangels unter ihrer kleinen Schar zu wüthen, noch immer hofft sie auf Entsatz, allein ein Ausfall Otto's wird zurückgeschlagen und dem Sieger öffnen sich die Thore. In demselben Augenblicke erscheint die rettende Flotte, Johanna wagt einen letzten Versuch, ihrem Sohne Ludwig die Krone zu erhalten, Durazzo aber ehrt in ihr weder die Wohlthaten der Mutter, noch die Entschlossenheit der Heldin, sie wird gefesselt, ihr Todfeind, der König von Ungarn, spricht ihr Urtheil, das Durazzo selbst 1382 vollzieht. – Johanna stirbt desselben Todes, den einst Andreas, ihr Gemahl, der Bruder ihres Richters, erlitten hatte. X.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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