Kingston, Herzogin von

Kingston, Herzogin von

Kingston, Herzogin von, Elisabeth Chudleigh, Herzogin von, geb. 1720 in der Grafschaft Devonshire, verlor sehr jung noch ihren Vater, der Oberst in englischen Diensten war und kein Vermögen hinterließ. Dennoch wurde Elisabeth von ihrer Mutter in die höheren Cirkel der Hauptstadt eingeführt und sowohl wegen ihrer Schönheit als Liebenswürdigkeit überall mit offenen Armen empfangen. Zur Hofdame der Prinzessin von Wales ernannt, erwarb sie sich bald durch ihre einnehmenden persönlichen Eigenschaften zahlreiche Bewunderer, unter denen sie dem Herzoge von Hamilton den Vorzug gab. Schon hatten die Liebenden den Tag der Vermählung festgesetzt, als es einer Tante Elisabeth's gelang, sie an die Untreue des Herzogs glauben zu machen, der gerade abwesend war und dessen Briefe sie zu unterschlagen wußte, um die Bewerbung des Kapitains Hervey, eines Sohnes des Grafen von Bristol, zu begünstigen, mit dem Elisabeth auch wirklich am 4. August 1744 heimlich vermählt wurde. Doch schon den Tag darauf faßte die junge Frau eine solche Abneigung gegen ihren Gemahl, daß sie sich weigerte, ihn wieder zu sehen, und auf eine gütliche Trennung antrug. Hierauf begab sie sich, theils um den Anträgen neuer Bewerber, theils um den gerechten Vorwürfen des Herzogs von Hamilton auszuweichen, mach dem Continente. Bevor sie sich einschiffte, ließ sie folgende Aufforderung in alle englische Blätter einrücken: »eine junge Lady, die ganz über ihre Person und ein reichliches Einkommen gebietet, die sich nicht unangenehm dünkt und sich schmeichelt, es auch in den Augen Anderer nicht zu sein, ist entschlossen, einige Zeit im Auslande zu verweilen. Sie wünscht, es möge sich ein junger Mann von guter Familie und angenehmer Gesellschaft ihr zur Begleitung finden. Ihr Herz ist frei, und sie würde es gern sehen, daß derjenige, der sich ihr anbietet, gleichfalls ungebunden sei, damit ihnen nach dieser ersten Verbindung, wenn sie sich gegenseitig gefielen, ein engeres Band zu knüpfen erlaubt wäre. In 14 Tagen – so schloß diese Anzeige – wird auf gleichem Wege eine Antwort erwartet.« Am folgenden Tage las man eine solche wirklich in den öffentlichen Tagesblättern und Lady Hervey wurde mit dem, der sie gegeben, einem englischen Major, einig. Sie machten die Reise zusammen, trennten sich jedoch schon in Berlin. Dort wurde sie von Friedrich dem Großen, dem ihre Entschlossenheit, ihr freimüthiges Wesen und ihre schnellen, geistreichen Antworten gefielen, mit großer Auszeichnung aufgenommen. Von da begab sie sich nach Dresden, wo die Kurfürstin durch den Zauber ihrer Unterhaltung so für sie eingenommen wurde, daß sie sich auf das Lebhafteste für ihr Schicksal interessirte und sie mit Geschenken überhäufte. Zurückgekehrt nach England, ließ es Miß Chudleigh – unter diesem Namen war sie immer noch bekannt – ihre erste Pflicht sein, ihrer erhabenen Gönnerin, der Prinzessin v. Wales, ihre Huldigung darzubringen. Auch jetzt wieder war sie der Gegenstand der allgemeinen Bewunderung in den Cirkeln der Hauptstadt; aber der Gefeierten verursachte ihre Verbindung mit Hervey manchen Verdruß, und um jede Spur davon zu vertilgen, begab sie sich nach Lainston, wo ihre Trauung vollzogen worden war, ließ sich dort das Kirchenbuch zur Ansicht geben und riß, ohne daß es der Kapellan merkte, das Blatt heraus, welches den Beweis enthielt. Kurz darauf jedoch erhielt sie die Nachricht, Hervey sei durch den Tod seines Vaters Graf von Bristol geworden, und liege selbst tödtlich krank. Die Aussicht, bald eine reiche Witwe zu werden, vermochte sie, den eben vernichteten Beweis ihrer Ehe wieder herzustellen. Sie gewann deßhalb den Geistlichen, aber der Graf von Bristol starb nicht, und der Herzog von Kingston, Pair von England, warb um ihre Hand. Eine solche Verbindung schmeichelte ihrer Eigenliebe zu sehr, als daß sie nicht Alles aufgeboten hätte, um das frühere Band zu losen; allein zu ihrer Scheidung bedurfte sie die Einwilligung des Grafen, und dieser verweigerte sie hartnäckig. Erst als er selbst eine Leidenschaft für eine junge Dame gefaßt hatte, ließ er sich bereitwillig finden. Endlich am Ziele, vermählte sich Miß Chudleigh den 8. März 1769 mit dem Herzoge von Kingston, aber diese zweite Ehe war nicht glücklicher als die erste. Eine schwächliche Gesundheit und ein zarter Körperbau hatten ihrem Gatten eine gewisse Sanftmuth des Charakters und der Sitten verliehen, die mit ihrem ungestümen Wesen im grellen Widerspruche standen, und bald sehnten sich beide Gatten nach der verlorenen Freiheit zurück. Es wird sogar behauptet, der Herzog habe selbst zur Verkürzung seiner Lebenstage beigetragen; wie dem auch sei, so ist doch gewiß, daß der Kummer über seine häusliche Lage seine Leiden vermehrte, in deren Folge er 1773 starb. Er vermachte seiner Gemahlin die Nutznießung seines ganzen großen Vermögens, doch mit der Bedingung, daß sie unvermählt bleibe. Dieser Zusatz erregte das große Mißvergnügen der noch immer schonen Witwe, aber ihre Bemühungen, seine Giltigkeit zu entkräften, blieben vergeblich. Nunmehr ganz sich selbst überlassen, stürzte sich die Herzogin wieder in den Strudel der Welt, der sie einige Zeit hatte entsagen müssen. Ihre Verschwendung und Prachtliebe waren so groß, daß man selbst in London ein Aergerniß daran nahm und sie sich deßhalb entschloß, eine Reise nach Italien zu machen. Die Vorbereitungen dazu wurden mit fürstlichem Gepränge getroffen. Eine eigens für sie erbaute Pacht brachte die Herzogin nach Rom, wo ihre Ankunft der Landung Cleopatra's in Tarsus glich. Der Papst Ganganelli empfing unsere Heldin gleich einer Fürstin, und die Kardinäle ahmten das Beispiel nach. Sie richtete sich ein Haus mit dem übertriebensten Luxus ein, und führte ein sybaritisches Leben. Hier war es auch, wo sie die Bekanntschaft eines Abenteurers machte, der sich ihr für einen Prinzen von Albanien ausgab, eben so schön als schlau und geistreich war, und ihr eine glühende Leidenschaft einflößte. Schon war die Herzogin im Begriffe, ihm Hand und Vermögen anzuvertrauen, als er wegen früherer Gaunerstreiche verhaftet wurde und sich im Kerker ermordete. Diesem unangenehmen Ereignisse folgte bald eine drohende Gefahr. Die Erben des Herzogs von Kingston klagten sie einer zweifachen Ehe an, und forderten, daß die Vermählung und das Testament des verstorbenen Herzogs für ungiltig erklärt werde. Gleich bei dieser Nachricht begab sich Elisabeth zu ihrem Banquier, um von ihm das zur Reise nach London nöthige Geld zu erheben. Dieser, bereits von ihren Gegnern gewonnen, weigerte sich, sie zu sehen. Allein mit einer geladenen Pistole in der Hand, erwartet sie ihn auf der Schwelle seiner Thüre und erlangt durch ihre muthvolle Haltung die gewünschte Summe. In England angekommen, hat der Prozeß gegen sie bereits begonnen, man erklärt den Gerichtshof, welcher ihre erste Ehe getrennt habe, für incompetent. Nie hat ein Prozeß größeres Aufsehen erregt, nie war mit solcher Feierlichkeit das Urtheil gesprochen worden. Eine ungeheure Menschenmasse drängte sich in dem Gerichtssaale von Westminster. Die königliche Familie, die auswärtigen Gesandten und die Mitglieder der Kammer der Gemeinen waren zugegen. Die Herzogin erschien mit edler und fester Haltung vor ihren Richtern. Sie war ganz schwarz gekleidet; zwei Kammerfrauen, ein Sekretair, ein Arzt und sechs Advokaten begleiteten sie. Sie weiß durch ihr Benehmen Aller Herzen zu gewinnen, allein sie wird dennoch durch die Majorität der Lords für schuldig erklärt, und verurtheilt, in der rechten Hand mit einem glühenden Eisen gebrannt zu werden. Ihr Vertheidiger machte dagegen ein altes Recht geltend, welches jedes Mitglied der Pairie hat: sie verliert zwar den Namen einer Herzogin von Kingston, erhält aber die Strafe erlassen und bleibt im Besitze ihrer Reichthümer. Um nach Beendigung des Prozesses den Verfolgungen ihrer Gegner zu entgehen, schiffte sie sich nach Calais ein, bezog dort ein glänzendes Hotel, langweilte sich aber, ließ ein Schiff von ganz neuer Art und Form erbauen, auf dem sich bei größter Eleganz alle Bequemlichkeiten eines verfeinerten Lebens vereinigten, und reiste nach Petersburg, wo Katharina II. sie mit Auszeichnung empfing. Von da nach Polen gehend, warb dort der Fürst Radzivil vergebens um ihre Hand, und sie kehrte nach Frankreich zurück, wo ihre großen Reichthümer, ihr Geist, ja selbst ihre seltsamen Abenteuer und Thorheiten ihr eine glänzende Aufnahme bereiteten. Noch immer trug ihr Gesicht die Spuren einer früheren unwiderstehlichen Schönheit, und ihre Liebenswürdigkeit zog die geistreichsten Männer und Künstler aller Art in ihre Nähe. Eben hatte sie das prächtige Schloß St. Assise, zwei Meilen von Fontainebleau, gekauft, wo sie Alles vereinigt hatte, was zur Annehmlichkeit des Lebens gehört, als sie erkrankte und schon nach einigen Tagen, den 28. Aug. 1788, starb. Die Herzogin v. K. ist ohne Widerrede eine der merkwürdigsten Frauen des letzten Jahrhunderts; obgleich ohne gründliche Bildung, so trugen doch ihre Verbindungen mit Künstlern und Gelehrten, ihre Reisen und ein natürlicher, durchdringender Verstand dazu bei, alle Gegenstände der Unterhaltung mit Leichtigkeit zu erfassen. Sie sprach schön, und ihre Art zu erzählen, war stets neu, malerisch und lebhaft. Ihr Stil, so drückt sich ein englischer Schriftsteller aus, hatte etwas vom Glanze ihres Auges; ihr ungestümer, heftiger Charakter ließ sie allen Gefahren muthig trotzen, aber auch nur allzu oft die öffentliche Meinung verachten, die dem Weibe doch so theuer sein muß

E. v. E.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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