Rosen (Botanik)

Rosen (Botanik)

Rosen (Botanik) Wenn die Natur über die südliche Halbkugel unsers Erdballs den höchsten Reichthum der Vegetation verbreitete, im herrlichsten Farbenschmelz Vögel, Insekten und Schmetterlinge malte und in der Berge Tiefen das edle Gold, wie den blitzenden Edelstein senkte, so bedachte dennoch die ewig treue Mutter den armen Norden nicht minder, und gab ihm statt der schwankenden Palme die unerschütterliche Eiche, statt Goldes das tüchtige Eisen, für den Aras, Bri und Colibri die Nachtigall und mehr als den stammenden, geruchlosen Cactus und die selten blühende Aloe – die Rose! Unbekannt ist ihr Vaterland, und ob man es gleich bei der Wiege des Menschengeschlechts, am Kaukasus, sucht, weil sie nur dort noch wild gefunden wird, so läßt sich dieß doch keineswegs beweisen. Seit undenklichen Zeiten kultivirt man die Rose im Orient, und ihre schönsten Spielarten kommen aus Persien und China. Das gepriesene Rosenfest in Persien besteht jedoch nur darin, daß Schaaren junger Leute musicirend die Straßen durchziehen und wie die Italiener zur Carnevalszeit mit confetti, die Begegnenden mit Rosen bewerfen, wofür sie ein kleines Geschenk erhalten. Auf den griechischen Inseln, besonders in Chios, wo die Rosen des Nutzens halber gepflegt werden, scheint zur Zeit ihrer Blüthe Land und Meer in Rosenduft getaucht zu sein und überall wird der Besuchende mit Rosen empfangen. Wie gegenwärtig im Morgenlande die R. von Caschemir und Chios, so berühmt waren im Alterthume die Rosen von Alexandrien und Pästum. Die Römer ließen ganze Böte voll Rosen aus beiden Städten kommen, um Haupt, Brust und Arme zu kränzen, was bei ihren schwelgerischen Gastmählern, wo sogar die Polster, auf denen sie zu Tische lagen, damit bestreut wurden, unerläßlich war. Die Rose galt ihnen als Bild der Freude und des Genusses, doch wohlbedenkend, daß bei Luft und Rausch manch unbedachtes Wort gesprochen werde, gaben sie dieser Blume auch noch eine andre Bedeutung. Ueber der Tafel nämlich pflegte eine am Plafond befestigte R. die Gaste zu erinnern, daß Alles, was die Fröhlichkeiten unvorsichtig verlautbaren, verschwiegen werden müsse, ein Gesetz, das streng gehalten und deßhalb Ursache des Sprichworts: sub rosa dictum »unter der R. gesagt« wurde. Dem Gotte des Schweigens, Harpokrates, gab der Bildhauer eine R. in die Hand, und Venus, die Spenderin der Liebesfreuden, erscheint mit Rosen bekränzt. Nach der Mythe ritzten Dornen ihre zarten Füße blutig, als sie den sterbenden Adonis im Walde aufsuchte und dieser den Wunden der Liebesgöttin entströmende Ichor färbte die bis dahin weißen Rosen roth. Eine noch ältere Fabel gibt dieser Verwandlung Amor's Unvorsichtigkeit Schuld. Er stieß beim Mahle der Götter die Unterschale um – der purpurne Trank übergoß die weißen Rosen des Olymps und theilte ihnen Farbe wie Duft mit. So labten sich demnach schon die Unsterblichen an ihrer reizenden Schöpfung der R. Aber nicht immer waren sie Symbole der Sinnenlust, sondern schon die Scipionen erlaubten ihren Kriegerscharen sich beim Triumphzuge in Rom mit Rosen zu schmücken. Die alten Gallier pflegten zur Schlacht Rosenkränze statt des Helms aufzusetzen, um dadurch anzuzeigen, wie freudig ihr Muth sei, und im Mittelalter kannten die Frauen Frankreichs lange keinen schöneren Putz als frische, später künstliche, Rosenkronen. Sie wurden am Hinterhaupte getragen und hießen chapels wovon die Handwerksinnung der chapeliers, die sich vorzüglich mit ihrer Verfertigung beschäftigte, den Namen erhielt. Den Bräuten war diese Zierde statt des heutigen Myrthenkranzes unerläßlich, und der ärmste Vater bot der Tochter zur Aussteuer wenigstens den chapel – eine Bezeichnung, welche in der Folge auch auf Hochzeitsgeschenke überging. Die R. waren damals noch so selten, daß sie von manchen Unterthanen für ihre Gutsherren als eine Art Grundzins erbaut werden mußten, weil man bei der Unbekanntschaft und Kostbarkeit der indischen Gewürze den Speisen Rosenwasser beimischte. Im Flecken Fontenay aux roses bei Paris beschäftigten sich sämmtliche Einwohner mit der Rosenkultur, und der rosier de la cour, d. h. der Lieferant, welcher die Rosen für Hof und Parlament zu besorgen hatte, bezog seinen Verbrauch meistens von diesem Orte, der davon seinen Namen erhielt. Vom 14. bis 16. Jahrhunderte war es sogar Sitte, daß, wenn ein weltlicher Pair einen Proceß beim Parlament hatte und vorgerufen ward, er sämmtlichen Mitgliedern R. überreichen mußte. Man nannte dieß baillé de roses. In manchen Städten galt die Erlaubniß R. ziehen zu dürfen, als ein Vorrecht, auf dem eine jährliche Abgabe an R. für den Stadtrath ruhte. Noch bedeutungsvoller ward die R. für England (s. rothe und weiße Rose). Das Wappen der britischen Krone zeigt noch heut neben der schottischen Distel, und dem irischen Klee, diese durch die Vermählung Heinrich's VII. aus dem Hause Lancaster-Tudor mit Elisabeth von York vereinigten Rosen, als Sinnbild für England. Den Poeten war bekanntlich die R. immer die Blume der Liebe; allein unstreitig kann sich das Morgenland der feurigsten Gesänge zu ihrem Preise rühmen. Das Lieblingsthema persischer Dichter ist die Liebe Bülbül's, der Nachtigall, zu Gül, der Rose; auch soll es in der That mehr als Märchen sein, daß die Sprosser vorzugsweise gern in Rosenbüschen schlagen und oft vom Dufte ihrer Blüthen so berauscht werden, daß sie von den Zweigen herabtaumeln. Der Geruch der R. ist im Oriente überhaupt stärker als bei uns. Für die Heimath der Bisam oder Moschusrose, deren Blumen das kostbare Rosenöl, Attar, liefern, gilt Indien und Nordafrika. Schon seit 1590 jedoch verpflanzte man sie auch nach Südfrankreich und England Abarten der R. gibt es über 500, doch möchten von der gemeinen Hunds- oder Heckenrose (rosa canina) an gezahlt ihre vorzüglichsten Sorten wohl folgende sein: Die gewöhnliche weiße, gefüllte Rose. deren Vaterland Oestreich ist. Ihre schönsten Varietäten sind. Perle von Frankreich, mit Centifolienbau, sehr schön gebaut und sanft fleischfarbig, und die zart angehauchte Maidenblush (Mädchenröthe); die kleine, weiße Banks-Rose, sehr zärtlich und wohlriechend. Die kleine Burgunder oder Pompon, auch Damenrose. Die Centifolie, ihre schönsten Abarten sind: Die weiße Centifolie, mit rothen Knospen und höchst seinem Geruch, dann die Sultaninrose oder Königscentifolie, die kleine Centifolie von Meaux, auch Ducatenröslein genannt, die noch kleinere Dijonrose und die liebliche Moosrose. Die Damascenerrose ersetzt wildwachsend im Süden, wo sie oft ungefüllt vorkommt, unsere Heckenrose. Unter den gefüllten gibt es zahlreiche Varietäten, alle jedoch unterscheiden sich von der Centifolie durch flach ausgebreitete Blumenblätter und Beisammenstehen der Blüthen in 20–30 blumigen Bouquets. Es gibt blaß- und dunkelrothe, fleischfarbene, halbweiße und halbrothe Damascenerrosen. Die französische Rose, auch Zucker- und Essigrose geheißen, stammt aus Südeuropa und zeichnet sich ebenfalls durch flachen Bau der Blumenkronen, die gefüllt, aber meistens dunkelroth sind, aus. Ihre Blättchen werden zusammenziehender Eigenschaften wegen zu Rosenessig gebraucht; noch vor dem Entfalten ausgezupft thut man sie zum Räucherpulver. Die Varietäten dieser Rosenart sind zahllos. Die beliebte Theerose ist eine Abart der indischen und stammt, wie die rosa multiflora, aus China. Die einfache gelbe Rose ist in Oestreich heimisch, und gleicht im Bau vollkommen der türkischen Rose, deren Blumenblätter von Außen gelb, von Innen prächtig scharlachroth aussehen. Die volle, gelbe Rose hat Centifolienbau, doch sind ihre Blätter so sein und unzählig, daß die geringste Feuchtigkeit sie am Entfalten hindert. Nur ein schützendes Dach und warmer Standort befördert ihr Aufblühen; fehlt beides, so vergeht die Blume in der Knospe. Wir erwähnen endlich noch der purpurrothen Tapetenrose und der nordamerikanischen noisette-Rose. Diese prächtige Varietät bringt ihre schön weißröthlichen Blüthen in 60–100 blumigen Doldentrauben hervor, was, da die purpurnen Knospen zwischen den schon aufgeblühten Rosen durchschimmern, einen herrlichen Anblick gewährt. Sie gehört zum großen Geschlechte der immergrünen Monatsrosen, mit deren Erwähnung wir dieß kleine Verzeichniß schließen. Was die Früchte der Rosen betrifft, so kennt wohl jede unserer Leserinnen den Verbrauch der Hagebutten, weniger bekannt dürfte es sein, daß die größere, Rosenäpfel geheißene, Art, welche zu Confitüren benutzt wird, von der rosa tomentosa oder Filzrose gewonnen wird. Rosenäpfel nennt man auch die wunderlichen, moosartigen Auswüchse, die sich gleich grünen, zottigen Ballen an den Zweigen der rosa canina vorfinden. Sie entstehen durch Insektenstiche und wurden ehemals für heilsam und zauberkräftig gehalten. Die wunderbarsten Dinge jedoch erzählte der stets geschäftige Aberglaube aller Zeiten von der fälschlich Rose von Jericho genannten Pflanze anastatica hierochuntica. Ihre Eigenheit, sich, nachdem ihr Wachsthum vollendet ist, zusammenzurollen, und selbst nach Jahren in warmes Wasser gelegt, ihren Kelch wieder auszubreiten, wurde von morgenländischen Speculanten benutzt. Sie bauten auf die fromme Leichtgläubigkeit der abendländischen Pilger, die überall im heiligen Lande Wunder suchten und verkauften ihnen die Rose von Jericho theuer, mit dem Bedeuten, dieselbe nur in der Christnacht und am Abend vor Mariä Geburt ins Wasser zu stellen, wo sie ihnen alsdann prophetische Zeichen geben werde. Die Blüthen der Anastatica sind klein und grünlichgelb. Die goldne Rose endlich heißt ein zu diesem Zwecke vom Papste geweihtes Juwel, welches derselbe bisweilen Fürsten zum Zeichen besonderer Gunst sandte. Die Blumensprache des Orients reimt türkisch auf Ghul die Rose:

Ghul – Ben aglarim sen ghul, das ist

Rose – Ich weine, lach' du Lose

F.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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