Tanz

Tanz

Tanz. Wie schwebenden Schritts sich im Wellenschwunge die Paare drehen! Kaum berührt der geflügelte Fuß den Boden. Wie sich leis der Kahn auf silberner Fluth schaukelt, wie der leichte Rauch, von Zephyr gewiegt, in die Luft fliegt, so hüpft der gelehrige Fuß auf des Tacts melodischer Wage. Wie stürmisch und begeisternd hebt das säuselnde Saitengetön den ätherischen Leib! Im wilden Gewirr durcheinander stürzt der zierliche Bau der beweglichen Welt; doch harmonisch kehrt Alles zur harmonischen Ordnung zurück, denn nur mit verändertem Reiz stellet immer die eine Regel sich wieder dar. Wie schön waltet die Ruhe in den bewegten Gestalten! Ein stilles, heimliches Gesetz lenkt das Spiel der graziösen Verwandlungen; des Wohllautes mächtige Gottheit ordnet den tobenden Sprung zum geselligen Tanz und leitet an des Rhythmus goldenem Zügel die seligen Paare!.... Ja, das ist Terpsichore's Feenreich! Auf den Fittigen des Aeolus, im lustigen Wagen von Silberwolken kam die luststrahlende Göttin vom Olymp herab. Apollo schenkte ihr die goldene Lyra; Aphrodite küßte ihr liebend die Stirn; Pallas drückte ihr das Eichmaß weiser Ordnung in die alabasterne Hand; und die acht leuchtenden Schwestern bekränzten sie sinnig mit Blumenkränzen von des Pindus heiligen Höhen. Wie selig wiegen sich die Lüfte, wo sie auf ihrer Wallfahrt erscheint! Amor hüpft lächelnd vor ihrem Wagen einher. Alle die Himmlischen, selbst der rauhe Kriegsgott und der hinkende Vulkan, sahen ihr sehnsüchtig vom Göttersitze nach. Die Hexen beginnen ihren wirbelnden Reigen; sanft musiciren die Lüfte; in säuselndes Flötengetön wandeln sich die stürmischen Winde; unmuthig ringt sich Morpheus aus seinem ewigen Schlummer empor, und reibt sich halb gähnend, halb lächelnd die müden Augenlieder. Hinter den Abendsternen hervor aber tritt die heilige Mutter Nacht, schlägt den schwarzen Schleier vom bleichen Mondenantlitz zurück, und spricht in sanfter Majestät zu Terpsichoren: »So, Grausame, störst du meine Ruhe? So entreißest du mir das so lang behauptete silberne Sternenscepter? Selbst aus meinen Schlummerkörnern webst du dir ein glänzendes Diadem? schlägst lächelnd den Morpheus mit deinem Schmetterlingsfächer, daß er erwacht ohnmächtig und den Ohnmächtigen für immer der Schlaf flieht?.... Doch ich zürne dir nicht, wandelst Du auch die Nacht in den Tag. Die Kerzen flammen; die Saiten erklingen; selig vergessend der Beiden, stürzt der glückliche Sterbliche in melodischem Reigen dahin. Liebe und Grazie leiten ja alle deine Schritte; Wandeln der Liebe ist himmlischer Tanz. Und was sind die Sphärenharmonien, die in meinem dunkeln Reich erklingen, denn anders als die Tänze der himmlischen Liebe? Ich zürne dir nicht!....« Lächelnd beugt sich Terpsichore zum silbernen Wagen heraus. Schon leuchtet ihr die Erde zu ihren Füßen entgegen; die Wallfahrt naht sich ihrem Ende und mit freundlicher Majestät neigt sie sich über den fröhlich zitternden Erdkreis und ruft:

Das hohe Göttliche, es ruht in ernster Stille;

Mit stillem Gesit will es empfunden ein.

Das Leben regt sich gern in üpp'ger Fülle;

Die Jugend will sich äußern, will sich freu'n.

Die Freude führ' ich an der Schönheit Zügel,

Die gern die zarten Grenzen übertritt.

Dem schweren Körper geb' ich Zephyr's Flügel;

Das Gleichmaß leg' ich in des Tanzes Schritt.

Was sich bewegt, lenk' ich mit meinem Stabe:

Die Grazie ist meine schöne Gabe!

– Sage mir, Muse, lauschtest du noch nie den Tänzen der Grazien? wenn unter dem purpurnen Abendgewölk tausend lächelnde Blumen dem Wiesengrunde entsprießen unter ihren melodischen Tritten; wenn sich kunstvoll der Reigen schlingt zu einer goldenen Kette des Wohllauts; wenn seligträumend Anadyomene die glänzenden Locken durchwühlt, und ihres Adonis gedenkt? Enthorchtest du noch nie, o Muse, den ätherischen Göttinnen das Geheimniß ihrer himmlischen Kunst?.... »Verlangst du statt langer Worte den kurzen Sinn, so vernimm: – Anmuth allein ist die Kunst und die Seele des Tanzes. Aber was ist die Anmuth? Kann ich dir in irdische Worte bannen das himmlische Aethergebild? Frage dein eigenes Herz hierüber, dein eigen Gefühl; doch dein Verstand vernehme die Regel: Nie ohne Seele darf sich die Sinnlichkeit zeigen; gleichmäßig widerstrebt es den edlen Naturen, die rohe Thorheit zu gesellen der göttlichen Intelligenz. Von jeder Bewegung fordert der Künstler den Ausdruck seiner edleren Bestimmung; die Wunderblüthe der Sittlichkeit und Humanität muß selig durchduften auch die verführerischen Irrgänge des Tanzes. Natur und Sinnlichkeit, Materie und Geist, Erde und Himmel fließen ja so schön in seinen Bewegungen zusammen. Sinnig führte der Grieche die Freiheit der Götter auch in die Geschäfte der Sinnlichkeit ein. Sein zärtlicher Sinn duldete das Natürliche immer nur unter Begleitung des Geistigen; er wußte von keiner willkührlichen Bewegung am Menschen, die nur der Sinnlichkeit allein angehörte, ohne zugleich ein Ausdruck des moralisch empfindenden Geistes zu sein. Ahnest du nun die Anmuth der Grazientänze? jene schöne Sprache der Seele in des Tanzes melodischen Bewegungen? Laß nur die Freiheit regieren über die Schönheit und Regel, – die Natur gab die Schönheit des Baues, die Seele nur gibt die Schönheit des Spiels. Glänzend und immer glänzender tritt unter dieser Freiheit das Meisterstück der Natur hervor; oft kommt das harmonische Gemüth der durch Hindernisse gefesselten Technik zu Hilfe, setzt die Natur in Freiheit und breitet die noch eingewickelte, gedrückte Gestalt mit göttlicher Glorie auseinander. Ahnest du nun die Anmuth der Grazientänze? Hinweg mit der gelernten Anmuth, der Tan Tanzmeistergrazie, – dem würdigen Gegenstücke zu jener Schönheit, die am Putztisch aus Carmin und Bleiweiß, falschen Locken und Fischbeinstäben hervorgeht. Zwar ist dem Tanzmeister sein Verdienst um die wahre Anmuth nicht abzustreiten; unstreitig kommt er ihr zu Hilfe, indem er dem Willen die Herrschaft über seine Werkzeuge verschafft und die Hindernisse hinwegräumt, welche die Masse und Spannkraft dem Spiele der lebendigen Kräfte entgegensetzen. Nicht anders kann er dieß vollbringen als nach Regeln, welche den Körper in einer heilsamen Zucht erhalten, und, so lange die Trägheit widerstrebt, steif und wingend sein und auch so erscheinen dürfen. Dann aber muß in Natur sich das Werk der Regel wandeln: mit ihrem süßen Dufte durchathme die Seele die Wogen des Rhythmus; frei walte der Geist in dem wirbelnden Spiel! Und sind es nicht Frauen, die Grazien? Ja, Anmuth des T's ist des schönen Geschlechtes eigenthümliche Weihe; die Biegsamkeit ihrer ätherischen Gestalt, welche sich jedem Eindrucke beugt in liebender Huldigung, die sittliche Harmonie der Gefühle sind die ihnen eigenen Gaben der Götter. Starr und trotzig widerstreitet die Stärke der Grazie: – die zarte Fiber der Frauen neigt sich wie ein dünnes Schilfrohr unter dem leisesten Hauche des Affects; in leichten und lieblichen Wellen gleitet die Seele über das sprechende Angesicht, das sich bald wieder zu einem ruhigen Spiegel ebnet. Ahnest du nun.....« Sch weige, o Muse, ich bitte dich, mit diesen gravitätischen Mentorworten: – sprichst du doch von den lustigen Reigen der Grazien wie ein gelehrter Pedant! Schweig, und geleite mich lieber an der Hand der Geschichte durch die lieblichen Labyrinthe der tanzenden Jahrhunderte! – Als die Erde den ersten Kuß des Himmels empfangen und ihre jungfräuliche Gestalt süß erzitterte unter dem ersten Thautropfen der höheren Ahnung, da neigte sich über sie unter den Festreigen der Sterne und den Tönen der kreisenden Sphären mit ihrer Sabbathbotschaft die Religion; und schnell eilte der Kultus herbei und wand seine Blüthenkränze um die ernste Aethergestalt. Durste Terpsichore fehlen im Chore der Huldigung? Liebend und lächelnd hüpfte sie herbei und legte lieblich erröthend auch ihren sinnigen Kranz nieder auf den göttlichen Blumenaltar. In ernster Weihe eröffneten Aegyptens Priester die pantomimischen Tempeltänze. Im Dienst der Astarte und der Balytonischen Göttinnen tanzten in den üppigsten Verschlingungen die Dienerinnen der Tempel. Ganz Asien verehrte Terpsichore als die Spenderin heiliger Freuden; fröhlichernst wand sie sich in ihre irdische Krone die versöhnenden Sterne des Himmels; und damit sich der nie rastende T. der Horen lieblich anschmiege dem Laufe der wechselnden Gestirne, wurde selbst die aufgehende Sonne mit festlichen Reigen begrüßt. Wer kennt nicht Indiens Bajaderen (s. d.), die Priesterinnen der hüpfenden Anmuth? Bringt nicht noch jetzt die Bajadere dem Brahma ihr rhythmisches Opfer?

Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen;

Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,

Sie neigt sich und biegt sich, und reicht ihm den Strauß.

Stolz und düster erschimmern Jerusalems goldene Zinnen; majestätische Ruhe wallt über Golgatha's Höhen: – aber mit nichten verschloß sich Judäa's Geist der schwärmenden Freude, Frohsinn ist ja die beste Hymne der Gottheit. Nach dem Tacte der Aduse tanzten die feurigen Israelitinnen zu Ehren Jehova's; in ausdrucksvollen Geberden, in schweigender Andacht umkreiste der Aeltesten Chor die heilige Lade. Doch auch zum Blumenscepter wandelte sich der fromme Hirtenstab: die Töchter Silo's tanzten in den Weingärten, wenn die Jünglinge kamen vom Stamme Benjamin..... Sei mir gegrüßt, du mildblauer Himmel von Hellas! Hier vor allen weilten die Grazien; hier vereinte der T., mit Gesang, Poesie und Musik, den leuchtenden Schwestern, sich zum vollendetsten Gebilde der Kunst! Pindar preißt den Apollo selbst als Tänzer; schon im neunten Jahr führten die Nereïden den kunstvollsten Reigen; der weise Sokrates sogar nahm Unterricht in dieser Kunst bei der reizenden Aspasia. Auf Delos tanzten die Jünglinge in Chören zur heiligen Opferhandlung die »Labyrinthischen« Tänze, wo sich Theseus und der Ariadne Liebesbündniß zum mylesischen Mährchen verwebte voll goldener Rhythmen. Bei den Festen der Demeter, der Cybele, bei den Mysterien Und rauschenden Orgien, nie durfte der Reigen fehlen. Trunkene Mänaden, mit Thierfellen bekleidet, den Thyrsus in der Linken, tanzten vor des Dionysos Löwengespann. Zu Apollo's und Artemis Ehren drehten in üppigen, tollen Sprüngen Sparta's Frauen des Bryallicha sinnberauschende Kreise; Silenen und Satyrn walzten die Daimalea; zu Ehren des Dionysos rauschten die Ithymben, zu Diana's Huldigung gleitete der idealische T. der Karyatiden. Zwei wahlverwandte Genien reichten später auf dem Theater der Terpsichore schwesterlich sich die Hände: die bewegliche Mimik (s. d.) und die sprechende Pantomime (s. d.). Nun redete die »Emmeleia« die Rhythmen des Schreckens und der Verzweiflung. Toll und fessellos geberdete sich der trunkene »Kordax;« Silenen und Satyrn verbanden sich in ländlicher Tracht, in ländlicher Umgebung, bei den sanften Tönen der lybischen Flöte, zum idyllischen »Sikinnis.« Singend, in langsamen Schritten wandelte der Chor über die tragische Bühne, – ein ernster, gewaltiger T, von den Erynnien selber geleitet. Im glänzenden Waffenschmucke rauschte die »Pyrrhiche« einher, und ehernen Klang gaben auch die Tänze der Kureten (der Jupiterpriester auf Kreta), die Reigen, welche der ephesischen Diana zu Ehren aufgeführt wurden, und die der römischen Salier (Marspriester). Bei feierlichen Gastmählern durfte der T. nicht fehlen, weit über die Länder der Barbaren hatte sich diese liebliche Sitte verbreitet, und Ulysses erfreute Herz und Auge, während des Mahles an den kunstreichen Bewegungen der phäakischen Tänzer. Ein diamantenes Halsband um Terpsichore's Schwanenhals war der lacedämonische »Hormos:« in einer Reihe einzeln hinter einem Knaben tanzten die MNädchen und bildeten so kunstvoll ein sich schlingendes Halsband. Alle Feste und Kräfte der Natur, jeder lächelnde Abschnitt des Landlebens gab den sinnigen Typus zu neuen T. Die Garben der Ernte wurden zur melodischen Saat, und in der »Epilenia« stellten die Tanzenden das Tragen der Körbe, das Keltern und Füllen der Weinfässer dar. – Es war ein stolzer, hochsinnender Geist, der Geist der Römer; und von der Majestät dieser Weltenherrscher gibt ewiges Zeugniß die ewige Stadt. Doch auch ihm fehlte nicht das Lächeln der Freude. Aus Hetrurien kam des T's heitere Göttin; in den circensischen Spielen berauschten sich tanzend die Helden des alten Italiens, und nach den Weisen eines Flötenspielers zeigten die Histrionen auf den Theatern ihre Balletkünste unter dem Jauchzen des Volkes. – Konnte die neue Botschaft von der himmlischen Liebe, konnte die Religion der Freude unschuldigen Freuden ihren Beifall versagen? Schon in frühester, christlicher Zeit wurden die Märtyrerfeste durch Tänze verherrlicht; zur Feier der Fastnacht wölbte sich der feenhafte nächtliche Reigenpallast; zur offenen Freude gesellten sich die lieblichen Täuschungen der Maske; und trotz aller Deuteleien der Herrnhuter, Methodisten, Waldenser, Albigenser etc., hat es noch nie die christliche Kirche bereut, daß sie der heidnischen Terpsichore lieh ihren symbolischen Mantel. – Liebend entküßt die Sonne dem Samenkorn den zarten Keim; und der Keim dehnt sich zum duftenden Strauch, und der Strauch zum stolzen, schattigen Sohne des Waldes. Im 15. Jahrhunderte erhob sich der T. zum Ballet (s. d.) und die freie, ungefesselte Stunde des T's zum kunstreich geordneten Balle (s. d.). Frankreich nahm mit südlicher Lebendigkeit die neue Sitte auf: Ludwig's XII sonst so ernster Hof wurde nun zum fröhlichen Tempel des Reigens. Freilich waren die damaligen Tänze nur noch sogenannte »niedrige Tänze« (danses bases): man durfte weder springen noch hüpfen; die Männer trugen Mäntel über die Schultern und große Degen an der Seite, die Damen aber hatten lange und schwere, oben bis an den Hals hinausreichende und unten die Füße ganz bedeckende Kleider an. Erst Katharina von Medicis gab den franz. Damen jene üppige Kleidung, welche alle Reize der schönen Form begünstigte. In einem verschlungenen Kreise drehte lustig alle Personen der »Branle.« Zwar noch gravitätisch, aber doch schon heiterer schritt der halbspanische »Pavana« über die Parkets. Bald auch sandten die Provinzen ihre hüpfenden Repräsentanten in die stolze Capitale: man tanzte die Passepieds der Niederbretagne, die Tambourins und Rigaudons der Provençalen, die Volkes der Bearner, die Gavotten der Dauphiné, und den lebhaften Lieblingstanz der gekrönten Mediceerin, die Gaillarde. Und immer verwickelter, immer kunstreicher wurden die wirbelnden Räthsel des T's; und sinnreiche Grazie schuf immer neue Touren und Figuren, und in der Ebene von Anjou wurde geboren und großerzogen das Menuet... ja, das Menuet... ach! sonst, als die Menuet vergöttert wurde, mit welch' graziöser Biegung bes Armes setzte der Tänzer sein Dreieck auf seine gepuderten Locken nach Kräften frei und einnehmend, aber doch auch wieder mit sympathetischer Rücksicht auf den Kunstbau seiner Locken. Mit Stolz führte er die à la Voltaire frisirte Schöne zu ihrem Sitze, machte seinen tiefsteifen Zauberbückling, wobei die Dame nach Gebühr bis hinter die Locken erröthete... Ach, das Menuet... Noch immer hör' ich sie seufzen im Geiste, meine Gouvernante, la bonne demoiselle, bei deinem Namen; eine Thräne entperlte ihrem Auge bei dem Andenken an die vergangene Herrlichkeit, eine wahlverwandte Zähre vergoß la grand' mama... Ach, der Geist der Contretänze war heraufgestiegen aus den Parkets der Säle, und wie mit einem Zauberschlage verschwand die alte Zeit und die alte Welt mit den alten Tänzen, und mit dem alten, guten Menuet. Ma pauvre gouvernante! Horch, wie locken die Töne! Wie majestätisch rauscht die Polonaise! Die Kerzen flammen; die Blicke leuchten; die Herzen glühen und beben. – Willst du dich mit mir stürzen in den wirbelnden, heißen Wiener? oder in die leichtgeschwingte Anglaise? oder in die wallende Doppelreihe der Ecossaise? Siehst du nicht, wie keck und gewandt der Contretanz die Glieder rührt? Hörst du nicht im Nachbarsaale die klagenden Molltöne aus den slavischen Steppen, den abenteuerlichen Kosakiak? Reich, überreich ist ja Terpsichore's Wunderbaum; jede Zone findet ihre eigenthümliche Frucht. Von der heißen Tarantella und Seccarara zum treuen Länderer und harmlosen Dreher, von dem sebeschwingten Matelot zur graziösen Française, von dem rasenden Wiener zur ernsten Polonaise, – welche Contraste!... Sieh' dort das tanzende Polenpaar! Wie charakteristisch ist die Polonaise: diese morgenländische Pracht, sonderbar vermählt mit dem Stolze, der Gravität, mit der Ritterlichkeit und Freiheit einer abendländischen Republik! Das ist eine stolze, prachtliebende Feierlichkeit! Im Masur dagegen, – dieser frohe, rasche Tanz voll Leben und Nachdruck, wo, was bei dem Manne sich zur Kraft und Thätigkeit gestaltet, bei der Tänzerin zur hingebenden, aber stillen Heiterkeit und Grazie wird! Wie reich an Erfindung sind seine Figuren, wie waltet in ihnen das Gefühl eines Slaven, so glühend für Frauenliebe, wie das des Orients, und doch zugleich so zart und schonend gegen die Weiblichkeit nach des Abendlandes ritterlicher Weise! Aber den ganzen Ernst des Lebens, die Nationalschwermuth findest du im Kolomaika. Ernst wie das Leben und die Geschichte des Lebens sind auch seine Rhythmen: weich alle seine Bewegungen, schwärmerisch die Zusammenstellung der Figuren, ein ewiges Moll die Melodie! – Siehe dort die Spanierin, wie sie nur lebt und webt für den Tanz! Das ist nicht die französische Grazie, welche den T. nur zu declamiren weiß; in Spanien ist der T. eine Sprache, welche Zeichen und Sprünge für jeden Buchstaben des Alphabets hat; unaufhörlich übersetzt sie Gefühle und Liebeserklärungen; sie macht weinen und lachen, verliebt und zärtlich, empfindsam und zornig... Das ist eine Sprache! das ist eine Beredsamkeit!..... Doch, horch! Strauß' Gabrielenwalzer ertönt; wie das raset und tobt; wie das lockt, siedet und wirbelt!... Und wen auch dieß Alles nicht zu reizen vermag, der gehe hin und sehe die Taglioni (s. d.), und bewundere in ihr den Triumph der ganzen Tanzkunst und rufe entzückt mit jenem Dichter:

Wenn du den leichten Reigen führest,

Wenn du den Boden kaum berührest,

Hinschwebend in der Jugend Glanz:

In jedem Aug' ist dann zu lesen,

Du seiest nicht ein irdisch Wesen,

Du seiest Äther, Seele ganz.

Uns aber grauet: wenn nach oben

Du würdest plötzlich nun enthoben,

Wie wärest, Seele, du bereit? –

Wohlan! der sich auf Blumen schaukelt,

Der Schmetterling, der ewig gaukelt,

Ist Sinnbild der Unsterblichkeit.

B.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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