Tiedge, Christoph August

Tiedge, Christoph August

Tiedge, Christoph August. Wohl saß manche edle deutsche Frau des Abends einsam auf ihrem Zimmer, und benutzte ihre wenige Muße, um sich Trost in ihrem Kummer zu erlesen aus T's »Urania« (erschienen 1801), in welchem lyrisch-didaktischen Gedichte vom Sänger die höchsten Zweifel und Fragen der Menschheit vor dem Throne des Menschenherzens und seines Glaubens an Unsterblichkeit zur goldenen Rhythmenschnur aneinander gewebt wurden. Und wohl ergänzte die edle Leserin mit ihrem eigenen liebenden Gemüth die poetische Einheit, welche diesem Sange mangelt als einer Zusammenstellung schon früher selbstständig gebildeter Theile; und wohl manche Jungfrau singt noch jetzt zum Pianoforte die von Himmel so trefflich in Musik gesetzten Lieder aus diesem Gedicht. Ist ja T. wegen seines sanften, milden Dichtergenius, wegen seiner bescheidenen, muthigen, herzgewinnenden Bildersprache schon längst ein Liebling deutscher Frauen; schilderte er sie selbst doch in seinem zweiten didaktischen Gedichte: »Der Frauenspiegel« (1806) in ihrer Schwäche, aber noch mehr in ihrer oft erhabenen Tugend von ihrem Lenze bis zum ehrwürdigen Stande der Matronen. Unter seinen, später in zwei Theilen erschienenen Elegien und vermischten Gedichten fanden vorzüglich die Elegien wegen ihres tiefen Gemüths und Adels der Gesinnung lobende Beachtung als sinnige, anmuthig duftende Veilchen in der deutschen Liederaue. 1812 erschien sein idyllischer Liederroman: »Das Echo, oder Alexis und Ida,« welcher ebenfalls zum melodischen Echo von Himmel's musikalischem Genius wurde; und drei Jahre später ein zweiter Liederroman: »Aennchen und Robert,« dem Neukomm manches Lyrische zu seinem duftenden Tonsträußchen entwand. Beide Dichtungen sind von jener Milde und Geßner'schen Zartheit durchwebt, welche auch des Dichters, von Himmel in Musik gesetzte Cantate: »Der Wanderer, am Geburtstage der verewigten Königin Luise,« sein »Ostermorgen,« und sein Erstlingswerk, seine poetischen Episteln charakterisiren, in denen er mitten unter der Darstellung großer Naturscenen und satyrischer Gemälde die reinsten, elegischen Töne anschlägt. Dagegen enthält sein neuestes größeres Gedicht: »Der Markt des Lebens« mehr die Mittheilungen eines gutmüthigen, aber sittenpredigenden Alten. – Geb. zu Gardelegen in der Altmark, wo sein Vater Rector der Stadtschule war, am 13. Dec. 1752, studirte T. erst drei Jahre in Halle die Rechte, ging sodann als Erzieher nach Elrich in der Grafschaft Hohenstein, wo er mit den Dichtern Göckingk, Gleim und Klamer Schmidt in Verbindung tretend, mehrere Jahre seinem Berufe und den Musen lebte. 1792 wurde er Gesellschafter und Privatsecretär des Domherrn von Stedern in Halberstadt, und blieb nach dessen Tode als Erzieher seiner beiden Töchter bei dessen Familie, mit der er 1797 nach Magdeburg zog, wo er die Bekanntschaft von Archenholz, Matthisson und von Köpken machte. Nach dem Tode seiner Gönnerin und Freundin, der Frau von Stedern (1799), machte er mehrere Reisen durch das nordöstliche Deutschland, und traf in Berlin mit der Frau von der Recke (s. d.) zusammen, deren Freund, Gesellschafter und Reisegefährte er bis an ihren Tod (1833) blieb. 1822 erschienen seine gesammelten Werke, von seinem Freunde Eberhard geordnet, in 7 Bändchen im Druck. Noch weilt der greise Dichter in Dresden, und ist mit Beiträgen zur neuen Reihe der »Zeitgenossen« beschäftigt.

S....r.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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