Bernauerin, Agnes

Bernauerin, Agnes

Bernauerin, Agnes. Es war in der Zeit nach dem Tode des Kaisers Ludwig des Baiern, als in ganz Europa Zwietracht und Spaltung herrschte, die Türken brachen nach Ungarn herein, in Deutschland wütheten die Hussitenkämpfe, die Kirche hatte zwei und sogar drei Oberhäupter, in Frankreich feindeten sich die Häuser Burgund und Orleans an, in England war der Krieg der weißen und rothen Rose entbrannt – und zu dem Allen war nun der Tod des edlen Ludwig's gekommen, dessen Macht sich jetzt in die Zweige seines Hauses zersplitterte. Um diese Zeit trafen in Baiern die Fürsten zusammen, die zur Bekämpfung der allgemeinen Unruhe vereint zu handeln wenig geneigt waren. Ludwig der Bärtige zu Ingolstadt, Heinrich zu Landshut, und Ernst zu München, der Erstere, als der unbesonnenste Verschwender und Raufbold bekannt, Heinrich, dessen Unthaten seine eigne Ritterschaft zur Empörung aufriefen, Ernst, ein harter, heftiger Mann. Diesem Letztern gebar seine Gemahlin Elisabeth, eine Tochter Barnabas Visconti's von Mailand, 1401 einen Sohn Albrecht, der schon als Kind die Freude seiner Umgebungen ward: Elisabeth suchte ihn von der unmittelbaren Nähe des strengen Vaters befreit zu halten, gründete ihm einen eigenen Sitz zu Vohburg, und die Erziehung des Knaben leitete seine Tante, die Königin Sophie von Böhmen, Kaiser Wenzels unglückliche Gemahlin: sein Sinn war mild und lenksam, und in seinem Gemüthe glimmten die edlen Funken der Dicht- und Tonkunst: nur gezwungen kam er zu seines Vaters Hoflager, weit lieber lebte er in der Einsamkeit seines Schlosses. Vater und Sohn blieben sich fern, selbst der Umstand, daß jener im Kampfe gegen Ludwig mit dem Barte und Heinrich von Landshut, der Lebensretter Albrecht's ward, konnte die beiden so verschiedenen Charaktere nicht nähern; ja, die gegenseitige Spannung wurde fast zum unheilbaren Mißverhältniß, als ihn der Vater ohne seine Zustimmung vermählen wollte, die Braut aber, Gräfin Elisabeth von Würtemberg, entfloh mit ihrem Geliebten, und Albrecht wollte von ferneren Plänen nichts hören, kam wenig nach München, und lebte für gewöhnlich in Vohburg, von wo aus er zuweilen das damals sehr glänzende Augsburg besuchte, und hier war es, wo ein scheinbar unwichtiger Umstand über sein ganzes ferneres Leben entschied. Kaspar Bernauer von Biberach trieb das ziemlich verachtete Gewerbe eines Baders; sein Weib war ihm gestorben und hatte ihm eine einzige Tochter hinterlassen: Agnes Bernauerin lebt in vielen Volksliedern, Sagen und Zeitbüchern. Sie war von der seltensten Schönheit, besaß eine edle Gestalt, herrliche blaue Augen, und die Fülle der goldenen Haare konnte die ganze, in Haltung und Festigkeit hohe Gestalt verhüllen. Es war in der Zeit der Fastnacht, als sie bei einem Turniere Albrecht erblickte: sie sehen und sie lieben, war ein Augenblick, sie aufsuchen, die Sehnsucht des nächsten. Aber unerkannt, ohne Rang und Reichthum wollte er ihre Neigung gewinnen. Er fand Agnes, und das süße Geständniß des Einklanges der Herzen floß von ihren Lippen, doch nur auf dem Wege des ehelichen Bundes wollte sie seine Wünsche erhören. Jetzt erst zeigte sich den Augen des leidenschaftlich Liebenden die Kluft, die ihn nie mit seiner Agnes vereinigen konnte, denn eine solche Ehe wäre eben so unerhört gewesen, als die des Grafen Ernst von Gleichen, dessen zwei Ehefrauen in einem Bett und in einem Grabe ruhten; Herzog Ernst würde unerbittlich gewesen sein. Mehrmals verließ Albrecht die Stadt, suchte Ruhe vor seiner Verzweiflung in Vohburg, immer aber kehrte er glühender zurück, immer blieb Agnes in edler Standhaftigkeit, die sein Herz noch inniger an sie fesselte. Endlich gab er nach, und vollzog die Ehe mit ihr zu Vohburg, in Gegenwart weniger Freunde. Sein Vater hatte längst einen Argwohn gefaßt, und schickte jetzt einen Gesandten, der ihm die schöne Anna von Braunschweig zur Gemahlin antragen sollte: Albrecht wies den Antrag zurück, und fuhr fort, seine Verbindung mit Agnes verborgen zu halten; Herzog Ernst aber dachte einen letzten Versuch auf des Sohnes Gemüth zu wagen. Als bei einem Turniere, das nach Regensburg ausgeschrieben war, auch Albrecht erschien, wurde er von den Schranken zurück gewiesen, indem ihn sein unritterlicher Lebenswandel davon ausschließe. Rasend vor Zorn erklärte Albrecht, daß Agnes Bernauerin sein ehelich angetrautes Weib sei, und führte sie von Vohburg auf das Schloß zu Straubing, das er ihr als Witthum schenkte. Da verbreitete die Bosheit das Gerücht, Agnes, die Schwarzkünstlerin, habe Herzog Wilhelm's neugebornen Knaben Adolf vergiften wollen; und nachdem unmittelbar darauf Herzog Wilhelm selbst aus der Welt ging, da erfüllte sich das Geschick der unglücklichen Agnes auf das Schrecklichste. Herzog Ernst verlockte seinen Sohn durch einen Vorwand, das straubinger Schloß zu verlassen, begab sich selbst dahin. verhaftete Agnes, und schleppte sie in Ketten vor ein Standgericht, dessen Urtheilsspruch gefällt war, ehe noch die Untersuchung begonnen hatte. Agnes wurde, als der Hexerei überwiesen, zum Tode verurtheilt, und einer der Richter, Emeran Nußperger erhielt den Auftrag, den Spruch vollziehen, und Agnes über die Brücke in die Donau stürzen zu lassen. Die blutige That geschah am 12. October 1436. Unter dem ungeheueren Zulaufe des Volkes, das noch auf ihrem Todeswege von der Blüthe ihrer Schönheit ergriffen und gerührt wurde, betrat sie die Brücke und wenige Augenblicke nachher wurde sie von den Knechten in die Fluthen hinabgeschleudert. Sie flehte um Rettung, und der Himmel selbst bot die Hand dazu, denn die Fesseln, welche ihre Füße zusammen hielten, lös'ten sich, und sie schwamm dem Ufer zu. Da riß einer der Henker mit gewaltiger Hand eine schwere Stange des eisernen Brückengeländers los, wickelte diese um die langen goldenen Haare und tauchte die Sinkende in die unbarmherzigen Fluthen zurück. Bald nachher schwamm ihr Leichnam an's Ufer, und wurde auf dem Kirchhofe St. Peter in der Altstadt Straubing bestattet. – Albrecht kam eben zurück, als das Wunderbild noch von den Wogen umhergeschaukelt ward, er wollte sich nachstürzen, und nur die Stärke seiner Freunde, die Gewalt brauchen mußten, hielt ihn davon zurück, die Raserei aber, die ihn ergriff, war einer Versteinerung ähnlich, und man fürchtete für sein Leben; da kam einem aus seinem Gefolge der glückliche Gedanke ein, die Gewalt der Töne an ihm zu prüfen. Ein einfaches Lied, ein Klang aus der seligen Zeit seiner Liebe war es, der ihn dem Bewußtsein zurückgab; die Macht des Zornes wich für einige Zeit den Thränenströmen, die sein unendlicher Schmerz weinte. Dann aber ergriff ihn wieder die unbändigste Wuth, und Rache war das erste Gefühl, das ihn durchtobte. Er eilte zu Herzog Ludwig nach Ingolstadt, der das münchner Gebiet mit Krieg überzog, Mord und Feuersbrünste wütheten, und ein Todesengel brauste Albrecht über die Fluren. die er einst beherrschen sollte. Endlich rührte ihn das Schicksal seines Landes und die Wuth der Zerstörung verließ ihn, um mehr und mehr einem weichen, stillen Schmerz Platz zu machen. Im December 1436 folgte er der vermittelnden Bürgerschaft nach München; auch das felsenharte Herz des Vaters war mild geworden und versöhnlich gestimmt; auf sein Geheiß wurde auf Agnesens Grabe eine prächtige Kapelle erbaut und ihr ein Grabstein gesetzt, worauf ihre Statue mit dem langen Schleier, der nur Fürstinnen und Aebtissinnen zukommt, zu ihren Füßen ein Hund und eine Eidechse, die Symbole der Treue und der Häuslichkeit; auch wurde zu ihrer Feier ein ewiger Jahrestag gestiftet – Albrecht vermählte sich später mit der schönen Anna von Braunschweig, und als Herzog Ernst 1438 starb, sah er bereits einen Sohn dieses Ehebundes, und in der Hand des vierten Nachfolgers war das Erbe von Straubing, Ingolstadt und Landshut vereinigt.

X.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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