Naturtonreihe

Naturtonreihe
Eigenschwingungen (Stehende Wellen) einer konischen Luftsäule

Die Naturtonreihe ist eine nach Frequenzen aufsteigend angeordnete Reihe der Töne, die auf Blasinstrumenten ohne Verkürzung oder Verlängerung des Schallrohrs nur durch unterschiedliche Arten des Anblasens hervorgebracht werden können. In ihren Frequenzbeziehungen (siehe unten) stimmt die Naturtonreihe mit der Teiltonreihe überein. Naturtöne sind jedoch von Teiltönen insofern zu unterscheiden, als es sich bei den Naturtönen um real erklingende Töne handelt, während die Teiltöne nur als Bestandteile eines Tons (in akustischer Fachsprache Klangs) in Erscheinung treten.

Naturtöne werden dadurch erzeugt, dass durch die Art des Anblasens unterschiedliche Schwingungsformen der Luftsäule im Innern der Schallröhre angeregt werden. Der 1. Naturton entspricht dem Grundton der Röhre. Durch so genanntes Überblasen entstehen Obertöne des Grundtons. Eine besonders große Rolle spielen Naturtöne bei ventillosen Blechblasinstrumenten wie Naturhorn oder Naturtrompete.

Das den Naturtönen physikalisch verwandte Phänomen bei Saiteninstrumenten sind die Flageoletttöne.

Inhaltsverzeichnis

Frequenzbeziehungen

Die Frequenzen der in einer gegebenen Luftsäule erzeugbaren stehenden Wellen sind in erster Näherung ganzzahlige Vielfache der tiefsten möglichen Frequenz. In diesem Sinne werden in der folgenden Tabelle beispielhaft die ersten 16 Töne der auf dem Grundton C basierten Naturtonreihe dargestellt. Die verwendeten Farben orientieren sich an der Musik-Farben-Synästhesie.

Einfaches Modell - Vergleich mit Grundton
Teilton Nr: 1 2 3 4 5 6 7* 8 9 10 11* 12 13* 14* 15 16
Vielfaches der Grundfrequenz: einfache doppelte dreifache vierf. fünff. sechsf. siebenf. achtf. neunf. zehnf. elff. zwölff. dreizehnf. vierzehnf. fünfzehnf. sechzehnf.
Beispiel f in  Hz: 66[1] 132 198 264 330 396 462 528 594 660 726 792 858 924 990 1056
Note: Bass C 2.svg Bass c-2.svg Bass g-2.svg Violin c1-2.svg Violin e1-2.svg Violin g1-2.svg Violin b1-2.svg Violin c2-2.svg Violin d2-2.svg Violin e2-2.svg Violin Fa-2.svg Violin g2-2.svg Violin as2-2.svg Violin b2-2.svg Violin h2-2.svg Violin c3-2.svg
Tonname: C c g c' e' g' ≈  b'[2] c'' d'' e'' ≈ f''[3] g'' ≈  as''[4] ≈  b''[5] h'' c'''
Verhältnis zum Ton darunter: 1:1 2:1 3:2 4:3 5:4 6:5 7:6 8:7 9:8 10:9 11:10 12:11 13:12 14:13 15:14 16:15
Intervall zum Ton darunter: Prim Oktave[6] reine Quinte reine Quarte große Terz kleine Terz großer Ganzton kleiner Ganzton diatonischer Halbton
Verhältnis Teilton zu Grundton: 1:1 2:1 3:1 4:1 5:1 6:1 7:1 8:1 9:1 10:1 11:1 12:1 13:1 14:1 15:1 16:1
Intervall über Grundton: Prim Oktave Duo- dezime 2 Oktaven 2 Oktaven + große Terz 2 Oktaven + reine Quinte 2 Oktaven + Natur- septim 3 Oktaven 3 Oktaven + große Sekunde 3 Oktaven + große Terz 3 Oktaven + Alphorn- Fa 3 Oktaven + reine Quinte 3 Oktaven + ≈ kleine Sexte 3 Oktaven + Natur- septime 3 Oktaven + große Septime 4 Oktaven
Teiltöne / Naturtöne in den Spalten sind jeweils im Oktavabstand zueinander
1 2 4 8 16 ...
3 6 12 ...
5 10 ...
7* 14* ...
Verteilung der Teiltöne / Naturtöne
Erste Oktave 1
Zweite Oktave 2 3
Dritte Oktave 4 5 6 7*
Vierte Oktave 8 9 10 11* 12 13* 14* 15

Die mit '*' gekennzeichneten Töne liegen außerhalb der diatonischen Tonleiter, während die übrigen mit den diatonischen Tönen in reiner Stimmung übereinstimmen. Je höher die erreichte Oktave, um so enger liegen die Naturtöne und um so mehr davon liegen außerhalb der diatonischen Tonleiter.

Tabellenfußnoten

  1. Die Wahl der Frequenz 66 Hz für den Grundton C orientiert sich am Kammerton a' und lässt sich folgendermaßen herleiten: Eine kleine Terz (Frequenzverhältnis 6/5) über dem Kammerton a' mit 440  Hz liegt der Ton c'' mit 528  Hz. Das drei Oktaven tiefer liegende C hat demnach die Frequenz von 66  Hz
  2. 7. Teilton = 462 Hz (Naturseptime). Abweichung von b' = 475,2 Hz der reinen Stimmung ≈ 49 Cent. Hinweis: Vor allem für die Darstellung der feinen Größenunterschiede der Intervalle verwendet man die Einheit Cent, wobei ein (gleichstufiger) Halbton = 100 Cent und eine Oktave = 1200 Cent ist. Die Berechnung erfolgt über den Zweierlogarithmus lb des Frequenzverhältnisses. Hier 1200lb(475,2/462) ≈ 49 Cent
  3. 11. Teilton = 726 Hz (Alphorn-Fa). Abweichung von f'' =704 Hz bzw. fis'' = 742,5 Hz der reinen Stimmung ≈  53 Cent bzw. 39 Cent
  4. 13. Teilton = 858 Hz. Abweichung von as'' = 844,8 Hz der reinen Stimmung ≈  27 Cent
  5. 14. Teilton = 924 Hz (Naturseptime). Abweichung von b'' = 950,4 Hz der reinen Stimmung ≈ 49 Cent
  6. Das musikalische Intervall einer Oktave entspricht einer Verdopplung der Frequenz

Musizierpraxis

Die spielbare Tonreihe einer Naturtrompete mit ca. 240 cm Länge. Anhören (MIDI)

Blechblasinstrumente

Durch Änderung der Lippenspannung können auf Blechblasinstrumenten unterschiedliche Naturtöne geblasen werden. Die Tonhöhe kann vom Bläser mit dem Ansatz gut intoniert werden ( +10/-50 Cent). Der erste Naturton ist nur in wenigen Fällen sauber intonierend verwendbar. Sauber verwendbar ist dieser beim Flügelhorn, Kuhlohorn, und manchen Trompeten. Beim Naturhorn in F wird bis zum 24. Naturton beblasen.

Einfache Jagdmusik kommt mit diatonischen Naturtönen aus. Beim Alphorn werden manchmal noch die Naturseptime und sogar das, für an klassische Musik gewöhnte Ohren ungewöhnlich klingende, Alphorn-Fa gespielt. Die übrigen Töne der diatonischen und chromatischen Tonleiter kann man nur mit Ventilen spielen, nicht jedoch zum Beispiel beim Naturhorn, Naturtrompete und Barocktrompete. Jedoch ist durch verschiedene Anblastechniken manchmal eine Korrektur der "unreinen" Naturtöne möglich. Bei Hörnern ist auch eine Korrektur durch Stopfen, wie das Einführen der Hand in die Stürze bezeichnet wird, möglich. Bedingt durch die Physik der Tonerzeugung sind bei den Blechblasinstrumenten speziell durch die Schalltrichterform physikalisch/akustische Auswirkungen zum einen auf die Klangfarbe und zum anderen auf den Intervallabstand der Naturtöne vorhanden.

Holzblasinstrumente

Die Naturtöne sind hier beim Überblasen von Bedeutung. Auf offenen Flöten und Rohrblattinstrumenten mit konischer Röhre kann auf alle Naturtöne überblasen werden, praktisch wird meist maximal bis zum 4. Naturton überblasen. Eine Ausnahme bilden Obertonflöten (offene Flöten ohne Grifflöcher oder Klappen), auf denen nur die Naturtonreihe spielbar ist. Auf diesen Instrumenten wird bis zum 8. Naturton oder noch höher überblasen. Auf gedackten Flöten und Rohrblattinstrumenten mit zylindrischer Röhre kann nur auf die ungeradzahligen Naturtöne überblasen werden, praktisch wird nur auf den 3. und den 5. Naturton überblasen, da ein Überblasen auf den 7. Naturton nicht nur sehr schwierig ist, sondern auch zu Intonationsproblemen führt, da dieser Ton deutlich von dem entsprechenden diatonisch oder gleichstufig gestimmten Ton abweicht.

Orgel

Bei der Orgel spielen die Naturtöne eine Rolle bei überblasenden Pfeifen, die statt ihres Grundtons einen Oberton liefern. Hiervon zu unterscheiden sind die Aliquotregister, die als additive Obertonbeimischung zur Klangfarbenänderung eingesetzt werden.

Ungenauigkeit realer Natur- und Überblastöne

Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Naturtöne untereinander reine Intervalle bilden und ihre Frequenzen ganzzahlige Vielfache der Grundtonfrequenz sind. Dies gilt jedoch nur näherungsweise und mit gewissen Einschränkungen, die unter Oberton, Abschnitt: Grenzen des einfachen Modells näher erläutert sind.

Stärker noch als die Naturtöne selbst können die entsprechenden realen Überblastöne von der theoretischen Ganzzahligkeit abweichen. So ist zum Beispiel die beim Überblasen gedackter Pfeifen entstehende Blasquinte fast um 1/8 Ton kleiner als die reine oder temperierte Quinte.[1]

„ Auch bei Blasinstrumenten gibt es Abweichungen: Die Obertöne und -mehr noch- die Überblastöne entsprechen nicht genau den Vielfachen des Grundtones, aber doch genau genug um von uns als zusammengehörig wahrgenommen zu werden. “ (Jobst Fricke, 1962)[2]

Einzelnachweise

  1. Willibald Gurlitt, Hans Heinrich Eggebrecht (Hrsg.): Riemann Musik Lexikon, Sachteil, Mainz: Schott 1967, S. 111 f
  2. Die Innenstimmung der Naturtonreihe und der Klange, Jobst Fricke in Festschrift K. G. Fellerer zum 60. Geburtstag, ed. Hüschen Regnsburg, 1962, Seite 162, und Intonation und musikalisches Hören, Habil.-Schr. Köln 1968

Literatur

  • Michael Dickreiter: Handbuch der Tonstudiotechnik. 6. Auflage, K.G. Saur Verlag KG, München, 1997, ISBN 3-598-11320-X
  • Michael Magleitner: Universität Wien, 2009, Zur Vielfalt tonräumlicher Gestaltungsmöglchkeiten PDF

Siehe auch

Weblinks


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