Neulandbewegung

Neulandbewegung
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der evangelischen Frauenbewegung Neulandbund. Zum katholischen Bund Neuland siehe Bund Neuland.

Der Neulandbund (auch Neulandbewegung) war eine rechtskonservative evangelische Frauenbewegung im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit bis zu 10.000 Mitgliedern.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hintergrund und Gründung

Die Lehrerin Guida Diehl gründete bereits 1912 als Reisesekretärin des Evangelischen Verbandes für die weibliche Jugend Deutschlands verschiedene Studienkreise für junge Frauen aus dem Bildungsbürgertum und führte regelmäßige „Neuland-Freizeiten“ durch. So wollte sie die Teilnehmerinnen an den evangelischen Glauben heranführen und sie für ihn begeistern. Nach ihrer Versetzung von Frankfurt (Main) nach Rotenburg a.d. Fulda wurde sie Anfang 1914 für ein Jahr beurlaubt und setzte ihre Bestrebungen fort, unter dem Slogan „Kampf um Neuland“ die „innere Erneuerung des Volkskerns“ zu erreichen.

Anfang 1916 erschien erstmals die Zeitschrift „Neuland. Ein Blatt für die geistig höher strebende weibliche Jugend“, die bald eine Auflage von 10.000 Stück erreichte. Ende 1916 gründete Diehl den Neulandbund, Funktionärinnen waren überwiegend gebildete Frauen aus der Lehrerschaft, z. B. Studienrätinnen und Schulleiterinnen.

Nach dem Ersten Weltkrieg

Der Neulandbund zeichnete sich zunächst durch die bedingungslose Anerkennung der deutschen Kriegsziele im Ersten Weltkrieg aus. Nach dessen Ende verfolgte die Bewegung die so genannte Dolchstoßlegende, nach der Deutschland den Krieg nicht verloren hatte, sondern wegen der Revolution zur Kapitulation gezwungen war. Daraus folgend prägte sich eine antidemokratische Haltung heraus, die sich in der konsequenten Ablehnung der Weimarer Republik manifestierte. Durch den Beitritt Diehls zur Deutschnationalen Volkspartei im Jahr 1918 rückte der Neulandbund in die Nähe des rechtskonservativen Lagers. Die politischen Ziele der Bewegung sah Diehl in der außenpolitischen Lösung der „Nationalen Frage“ durch Korrektur des Versailler Vertrags und die Begründung eines neuen nationalen Bewusstseins.

Im Jahr 1920 wurde der Stammsitz des Neulandbundes im Eisenacher „Neulandhaus“ begründet. Jährlich wurde ein „Neulandtag“ durchgeführt, auf dem bereits 1923 Wilhelm Kotzde-Kottenrodt von der Bewegung Adler und Falken zum Thema „Einigkeit des Volkes“ referierte. Im selben Jahr wurde die Zeitschrift „Neuland“ in „Neulandblatt. Für erneuertes Christsein, für soziale Gesinnung, für wahres Deutschtum, für mutige Tat.“ umbenannt.

Unter dem Einfluss des Nationalsozialismus

Zum Bruch mit den Rechtskonservativen und der weiteren Hinwendung zur Völkischen Bewegung kam es, als führende Mitglieder der DNVP 1924 dem Dawes-Plan zustimmten. Auf den folgenden Neulandtagen traten vermehrt Personen aus dem völkischen Lager auf. 1925 referierte die Schriftstellerin Marie Diers über die Völkische Bewegung, 1927 trat Max Maurenbrecher erstmals auf, der 1929 den Neulandtag leitete. Im gleichen Jahr unterstützte die Neulandbewegung ein Volksbegehren gegen den Young-Plan und näherte sich so den Zielen der NSDAP an. Kontakte bestanden über die Deutsch-Christliche Arbeitsgemeinschaft Großdeutschland auch zum Deutschbund. Neben dem Neulandbund gründete Diehl 1926 den Deutschen Frauenkampfbund gegen Entartung im Volksleben, der zu Spitzenzeiten bis zu 200.000 Mitglieder hatte und von der Führungsspitze des Neulandbundes um Guida Diehl gesteuert wurde.

Unter dem Eindruck der Wahlerfolge der NSDAP bei der Reichstagswahl 1930 wurde Diehl Mitglied der Partei, was den Verlust zahlreicher Anhängerinnen zur Folge hatte. Im Jahre 1931 trat der Neulandbund aus der Vereinigung evangelischer Frauenverbände aus. Doch der Wunsch nach mehr Einfluss des Neulandbundes auf die Frauen- und Sozialpolitik im Dritten Reich erfüllte sich nicht. Ende 1933 wurde der Neulandbund von Reichsbischof Ludwig Müller und von führenden NSDAP-Funktionären als politische Kraft zurückgewiesen.[1]

In der Folge verlor der Bund zunehmend an politischer Bedeutung und wandte sich wieder verstärkt Glaubensthemen zu. Diehl distanzierte sich unter dem Eindruck der Reichspogromnacht 1938 von der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten und veröffentlichte im „Neulandblatt“ einen Aufsatz mit dem Titel „Die Unverbrüchlichkeit der Gottesgesetze“. Dieser hatte zur Folge, dass die Gestapo Mitte 1940 zunächst die Zeitschrift, wenig später den 25. Neulandtag und schließlich den Neulandbund selber verbot.[2]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs beschloss Diehl, den Neulandbund auf informeller Ebene fortzuführen. Auf Drängen des Landesbischofs von Thüringen verkaufte sie das Neulandhaus an die evangelische Kirche, um es vor einer Beschlagnahme durch die Siegermächte zu bewahren.[2] Im Anschluss pachtete sie es zurück, um dort den Neulandbund wiederzubeleben. Nachdem dieser Pachtvertrag 1956 gekündigt wurde, verlegte Diehl das Sekretariat des Neulandbundes in ihr privates Wohnhaus. Allerdings erlangte der Neulandbund nach dem Zweiten Weltkrieg keine nennenswerte politische oder religiöse Bedeutung mehr.

Programmatische Ausrichtung

Die ursprüngliche Idee des Neulandbundes stand in der Tradition des christlich-sozialen Flügels des Protestantismus. Unter dem Eindruck der Geschehnisse während und nach dem Ersten Weltkrieg wandte sich die Bewegung verstärkt den Lehren des Theologen Adolf Stoecker zu. So forderte Diehl in einer ihrer programmatischen Schriften aus dem Jahr 1916:[3]

„Zu diesem Kampf bist Du berufen, deutsche weibliche Jugend, ganz besonders Du gebildete Jugend, die Du durch Deine bevorzugte Lage besonders große Verantwortung trägst. Du sollst kämpfen um die Erneuerung Deiner Seele [...] Du sollst kämpfen für die Erneuerung der gebildeten Mädchenwelt [...] Du sollst kämpfen für das Hervorbrechen des wahren gottesfürchtigen Deutschtums im ganzen Volk [...]“

In den 1920er Jahren erschienen verschiedene Programmschriften, in denen Diehl den bürgerlichen und evangelischen Frauenbewegungen mangelndes Nationalbewusstsein vorwarf. Sie entwickelte „nationalprotestantische“ Vorstellungen und forderte ein rassenspezifisches deutsches Christentum wegen der „historischen Zusammengehörigkeit von wahrem Deutschtum und reformatorischem Christentum“. Damit verbunden war die Hoffnung auf eine Rechristianisierung der Gesellschaft.

Im Jahre 1930 erschienen dann die „Richtlinien für den Deutschen Freiheitskampf“, in denen ein rassistisches Christentum gefordert wurde. Diehl ging zudem davon aus, dass Adolf Hitler von Gott gesandt wurde. Daneben war die Programmatik des Neulandbundes stets von einer antidemokratischen Grundhaltung geprägt. Zwar wandte sich die Bewegung Ende der 1930er Jahre von den Nationalsozialisten ab, behielt aber ihre rechtskonservative Grundhaltung bei. In ihrem 1939 erschienenen Buch „Christen, erwacht!“ forderte Diehl im Namen der Bewegung eine grundlegende Erneuerung der Kirche und Fortführung der Reformation.[2] In ihrer 1959 erschienenen Autobiografie „Christ sein heißt Kämpfer sein. Die Führung meines Lebens“ sieht Diehl die Schuld für das Scheitern des Neulandbunds bei den Nationalsozialisten.

Einzelnachweise

  1. Doris L. Bergen: Die deutschen Christen 1934-1939. In: Gerhard Besier (Hrsg.): Zwischen "nationaler Revolution" und militärischer Aggression. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2001, ISBN 978-3-486565-43-0, S. 74. 
  2. a b c Friedrich Wilhelm Bautz: DIEHL, Guida. In: BBKL Bd. I. Verlag Traugott Bautz. Abgerufen am 30. April 2009.
  3. Guida Diehl: Deutsche Jugend. In: Neuland. Nr. 1, 1916. 

Literatur

  • Silvia Lange: Guida Diehls Neulandbewegung im Kampf gegen die Weimarer Demokratie. In: Traugott Jähnichen, Norbert Friedrich (Hrsg.): Protestantismus und soziale Frage. LIT-Verlag, 2000, ISBN 978-3-825835-69-9, S. 217-229. 

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