Artemisia Gentileschi

Artemisia Gentileschi
Selbstportrait Gentileschis, 1638-39

Artemisia Gentileschi [ʤentiˈleski] (* 8. Juli 1593 in Rom; † um 1653 in Neapel) war die bedeutendste Malerin des Barock.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Judith enthauptet Holofernes, 1612–1613

Gentileschi war die Tochter des damals in Rom lebenden Malers Orazio Gentileschi und Prudentia Montones, die bereits 1605 verstarb. Artemisia stand oft Modell für ihren Vater, der auch frühzeitig ihr Talent erkannte und sie in der Malerei unterrichtete.

Zur Erlernung der Perspektive schickte ihr Vater sie wahrscheinlich zu seinem Malerkollegen und Freund Agostino Tassi, der Artemisia allerdings die Jungfräulichkeit und damit auch die Ehre nahm, da er sie trotz seines Versprechens nicht heiratete - Tassi war wahrscheinlich bereits verheiratet.

Daraufhin strengte Orazio im Mai 1612[1] einen Prozess gegen Tassi an, in dessen Verlauf Artemisia zur Überprüfung ihrer Aussage mit einer daumenschraubenartigen Vorrichtung gefoltert und zudem einer entwürdigenden gynäkologischen Untersuchung unterzogen wurde, um zu beweisen, dass sie nicht als Prostituierte tätig war. Tassi wollte sich mit dieser Beschuldigung aus der Affäre ziehen; er wurde jedoch schließlich, auch wegen Diebstahls von Bildern, zu acht Monaten Haft verurteilt.

Trotz Tassis Verurteilung und Artemisias unmittelbar darauf folgender Heirat mit dem Florentiner Maler Pietro Antonio di Vicenzo Stiattesi konnte ihr guter Ruf nicht vollkommen wiederhergestellt werden, weshalb sie nach Florenz zog. Dort wurde 1620 auch ihre Tochter Palmira geboren. Artemisia wurde 1616 die Ehre zu Teil, als erste Frau an der dortigen Accademia dell’Arte del Disegno aufgenommen zu werden.[1] Bereits 1615 erhielt sie ihren ersten größeren Auftrag von Michelangelo Buonarroti dem Jüngeren, einem Großneffen von Michelangelo.

Artemisia pflegte bald freundschaftliche Beziehungen zu Malern, Dichtern und anderen illustren Persönlichkeiten, wie Cristofano Allori und Galileo Galilei. Sie wurde sehr bekannt und fertigte etliche Werke für die Medici an, wobei sie besonders vom Großherzog der Toskana, Cosimo II., gefördert wurde. Dabei entwickelte sie auch ihren eigenen persönlichen Stil, der nicht mehr an ihren Vater erinnerte.

1623 war sie bereits so berühmt, dass sie nach Rom zurückkehren konnte, wo sie mehrere Auftraggeber hatte, unter anderem Kardinal Francesco Barberini, den Neffen von Papst Urban VIII., und den Commendatore Cassiano dal Pozzo. 1630[1] ging Artemisia nach Neapel, das damals eine der wichtigsten Städte Europas und dreimal so groß wie Rom war.

1635 erhielt sie eine Einladung nach London an den Hof König Karls I., an dem ihr Vater inzwischen als Hofmaler tätig war. Sie folgte dieser Einladung aber vermutlich erst 1637 und unterstützte womöglich den schon kranken Orazio bei der Gestaltung des Deckengemäldes im Queen’s House in Greenwich. Orazio starb im Jahr darauf.

Sie kehrte wieder nach Neapel zurück und wurde besonders vom Mäzen Don Antonio Ruffo gefördert. Zu diesem Zeitpunkt änderte sich auch der Stil ihrer Malerei. Ihre letzten Lebensjahre waren gekennzeichnet von gesundheitlichen und finanziellen Schwierigkeiten, ehe sie um 1653 in Neapel starb.[1]

Werk

Susanna und die Ältesten, 1610

Artemisia Gentileschi wurde vor allem in ihren frühen Arbeiten stark von ihrem Vater, der gleichzeitig ihr Lehrer war, geprägt und übernahm dessen Vorliebe für die Genauigkeit des Details sowie das barocke Pathos. Wie ihr Vater war sie von Adam Elsheimer und Caravaggio, die beide persönlich mit den Gentileschi bekannt waren, stark beeinflusst. So können Orazio und Artemisia Gentileschi als wichtige Vertreter des nach Caravaggio benannten Malstils, dem Caravaggismus, der durch seine lebensnahe Darstellungsweise und dramatischen Lichteffekte beeindruckte, gelten.

Als sie 1612 verheiratet wurde und nach Florenz zog, entwickelte sie sich weiter in ihrem Malstil. Sie löste sich von dem Stil ihres Vaters; ihre Bilder wurden noch emotionaler und lebendiger. Auch entwickelte sie für sich den Caravaggismus weiter, indem sie die Farben noch leuchtender und aufgehellter erstrahlen ließ. Ihre charakteristischen Farbgebungen sind die Braun-Ocker-Töne, das leuchtende Rot und kräftiges Blau, ihre orangetönigen Schatten. Typisch für sie ist auch ein genau gemalter Faltenwurf sowie eine hohe Stofflichkeit der Kleider.

Allerdings waren beide, Tochter und Vater, in der Lage, ihren Stil an die jeweiligen Kunstlandschaften, in denen sie tätig waren, anzupassen. Und so wie sich Orazio in seinem in England entstandenen Spätwerk an den Geschmack des englischen Hofes anpasste, übernahm Artemisia beispielsweise in Florenz einen florentinisch, in Neapel einen neapolitanisch geprägten Malstil. In ihrem Spätwerk wandelte sie auch ihre Auffassung von Weiblichkeit und näherte sich dem Bologneser Malstil an, der wieder die idealisierte Überhöhung des Menschen forderte. Ihre Figuren wurden zartgliedriger, die Frauengestalten verloren an Aktivität und Kraft.

Während bekannt ist, dass sie gerade in späterer Zeit Aktmodelle für ihre Kompositionen studierte, tauchen in vielen ihrer Bilder auch ihre eigenen Gesichtszüge und Körperformen auf, wie beispielsweise in dem Selbstportrait als Allegorie der Malerei.

Hervorzuheben ist nicht nur Artemisias Tätigkeit in einer damals ganz besonders von Männer dominierten Domäne und das Führen einer eigenen Werkstatt mit sogar männlichen Angestellten, sondern auch, dass sie sich nicht wie die wenigen anderen namentlich bekannten weiblichen Malerinnen auf damalige frauentypische Sujets – wie Portraitmalerei, Blumen- und Früchtestillleben, Miniaturmalerei, Landschaftsmalerei – beschränkte, sondern das zu jener Zeit als edelste Bildgattung der Malerei angesehene und eigentlich männlichen Malern vorbehaltene Historienbild, sowie mythologische und biblische Themen wählte, die sie in großen Formaten umsetzte. Häufig sind weibliche Heldinnen Protagonisten ihrer Bilder, beispielsweise Judith oder Lukrezia.

Beim Betrachten von Artemisias Bildern wird die besondere ungewöhnliche Ausstrahlung der dargestellten Frauen deutlich, die in ihren Posen eher das psychische als das physische Drama beschreiben. Ihre Frauengestalten zeigen Mut, Entschlossenheit, Tatkraft und drücken vor allen Dingen Gefühle wie Angst, Ohnmacht, Bedrängnis aus.

Rezeption

Obwohl sie zu Lebzeiten sehr berühmt war, geriet sie nach ihrem Tod in Vergessenheit. Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde man - auch im Zuge feministischer Bewegungen - wieder auf sie aufmerksam.

Werkverzeichnis (Auswahl)

Literatur

  • Keith Christiansen: Becoming Artemisia: Afterthoughts on the Gentileschi Exhibition. In: Metropolitan Museum Journal. 39, 2004, ISSN 0077-8958, S. 101–126.
  • Yvonne Dudziak-Kloe: Artemisia Gentileschis - Susanna im Bade, eine Bilduntersuchung, Bibliothek Schloß Weissenstein Pommersfelden Katalog, 2005.
  • Mary D. Garrard: Artemisia Gentileschi. The Image of the Female Hero in Italian Baroque Art. Princeton University Press, Princeton NJ 1991, ISBN 0-691-04050-8.
  • Mary D. Garrard: Artemisia Gentileschi around 1622. The shaping and reshaping of an artistic Identity. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2001, ISBN 0-520-22426-4 (California Studies in the History of Art. Discovery Series 11).
  • Nadja Henle: Das emanzipierte Selbstporträt. Musik und Erotik in den Werken Artemisia Gentileschis. VDM Verlag, Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-639-12279-4.
  • Judith W. Mann (Hrsg.): Artemisia Gentileschi. Taking stock. Brepols, Turnhout 2005, ISBN 2-503-51507-X.
  • Susanna Stolzenwald: Artemisia Gentileschi. Bindung und Befreiung in Leben und Werk einer Malerin. Belser, Stuttgart u. a. 1991, ISBN 3-7630-2073-X.

Verfilmungen

  • Artemisia - Schule der Sinnlichkeit, Originaltitel Artemisia, Regie: Agnès Merlet, Frankreich/Italien/Deutschland, 1997, mit Valentina Cervi als Artemisia

Weblinks

 Commons: Artemisia Gentileschi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Volker Barth: Artemisia Gentileschi. In: P. M. History. Januar 2005, S. 81.

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