Nordgau (Bayern)

Nordgau (Bayern)
Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation im 10. Jh.
Bayern um 788
Karte von 1890 des Nordgaus (Nortgowe) um 1000; Radenzgau (Ratenzgowe) irrtümlich als Teil des Nordgaus eingezeichnet
Karte des Nordgaus, Cosmographia von Sebastian Münster, 1628

Die Landschaftsbezeichnung Nordgau, umfasste seit dem 7. Jahrhundert n.Chr. die Gebiete nördlich der Donau zwischen Neuburg an der Donau und Regensburg, die später bis zum oberen Main und seit 1060 in das Egerland ausgedehnt wurde. Das Gebiet stand im Lauf der Zeit unter der Herrschaft der Karolinger, der Luitpoldinger, der Markgrafen von Schweinfurt (Adelsgeschlecht) (939 - 1003), der Grafen von Sulzbach (Adelsgeschlecht) und der Diepoldinger-Rapotonen. Ende des 12. Jahrhunderts fassten die Grafen von Wittelsbach Fuß, die 1255 als Herzöge von Bayern den größeren Teil des Gebietes erwerben konnten und dem Stammesherzogtum Baiern eingliederten. Als Folge der wittelsbachischen Zweiteilung des Jahres 1329 veränderte sich der Name und es entstand der Name Oberpfalz. Die Besitzbezeichnung Nordgau lässt sich erstmals unter den Karolingern in den Reichsteilungsplänen Karls des Großen aus dem Jahr 806 und Ludwig des Frommen aus dem Jahren 817 und 839 urkundlich nachweisen.

Inhaltsverzeichnis

Herausbildung des Nordgaus

Nach der Völkerwanderungszeit, die seit dem Jahr 450 nach Christi Geburt allmählich abklang, beginnt die mit urkundlichen Quellen belegbare Geschichte des östlichen Franken, die Stammesbildungszeit der Bajuwaren und die Geschichte Bayerns. Aus diesen Quellen lassen sich die Ereignisse jener Zeit in dem Gebiet, zu dem die heutige Oberpfalz, Unter-, Mittel- und Oberfranken gehören, annähernd nachvollziehen. Der Nordgau entwickelte sich in dem Frankonia orientalis genannten Gebiet nördlich der Donau und dem Castra Regina bis an den Main und reicht bis in den Böhmerwald nach Osten. Einer der alten mit Namen bekannten Volksstämme, die dort siedelten waren neben den Kelten und Armalausi die Varisker, welche nach der Tabula Peutingeriana in dem sich bildenden Bistum Regensburg und in Thüringen ansässig waren.

Chlodio, der erste König der Franken, hatte in dieser Landschaft, die bis zu den Grenzen des Siedlungsgebietes der Thüringer reichte, Herrschaftbesitz. Das damalige Ansässigkeisgebiet der Thüringer lag östlich der Franken und nördlich der Alamannen, erstreckte sich bis an die Fränkische Saale, den Main, die Tauber, das Flussgebiet der Werra und überlappte sich mit Siedlungsgebieten westslawischer Stämme im Flussgebiet der Saale.

Unter Kaiser Karl der Große (768-814) wurde das Gebiet Frankoniae orientalis, - die Flussgebiete des Mains, der Regnitz und der Pegnitz bis zum Böhmerwald - erobert und in das Fränkische Reich eingegliedert. In seinem Reichsteilungsgesetz aus dem Jahr 806 wurden diese Gebiete, die sein Sohn Karl erben sollte, genauer beschrieben. Aus der Reichsteilungsurkunde[1] von Diedenhofen geht hervor, dass Karl der Große die Gebiete links des Mittellaufs der Donau bis zu den Siedlungsgebieten der Slawen als Nordgaw bezeichnete: ...partiem Baioariae quae dicitur Northgou..., einschließlich der beiden Höfe Ingolstadt (Ingoldestadt) und Lauterhofen (Luttarof), die Herzog Tassilo III. von Bayern zu Lehen hatte. Karl der Große schickte diese Reichsteilungsurkunde, die von den fränkischen Gefolgsleuten eigenhändig unterschrieben wurde und durch Eidesleistung zur Gefolgschaft bekräftigt wurde, als Unterwerfunggeste und Anerkennung der Oberhoheit des Papstes an den Vatikan in Rom. Der Cancelarius Karls des Großen Einhard legte sie Papst Leo III. (795-816) zur Genehmigung und Unterschrift vor.

Aufbau der Verwaltung

Durch den Missionar Bonifatius und seinen Nachfolgern wurde die Christianisierung intensiviert. Es entstanden in kurzer Folge die Bistümer Regensburg (739), Würzburg (741), Eichstätt (741) und Fulda (744) mit Verschiebung der Grenzen der einzelnen Diözesen. Im 8.Jahrhundert wurde ein Gebiet zwischen der Regnitz, der fränkischen Schwabach, der Pegnitz und dem Böhmerwald als Ostgrenze aus der Verwaltung des Bistum Würzburg, welches damals die drei Archidiakonate Volkfeld, Sualafeld und Ifgau umfasste, dem Bistum Eichstätt angegliedert und wurde aus bayerischer Sicht Nordgau genannt mit der Pegnitz als nördliche Grenze. In diesem, aus dem Bistum Würzburg abgetrennten Gebiet entwickelte sich unter den Nachfolgern Kaiser Karl dem Großen der Radenzgau, in welchem 1007 unter Heinrich II. das Bistum Bamberg entstand.

Während der Entstehung des Heiliges Römisches Reich und nach der Reichsteilung im 10. Jahrhundert war der Nordgau vom Radenzgau mit der Grenzlinie der fränkischen Schwabach im Norden, vom Flusslauf der Regnitz im Westen, von dem der Pegnitz im Süden, in gerader Linie verlaufend bis in das Künisches Gebirge im Osten begrenzt. Nach der Kaiserkrönung Heinrich II. (HRR) kam ein Teil des Gebietes als Geschenk an das Bistum Bamberg. Die frühmittelalterliche, vorchristliche Bevölkerung des Nordgau war, belegt in Chroniken und Urkunden, durch archäologische Funde und den Forschungsergebnissen zur Herkunft der Orts-, Fluss- und Bergnamen unterschiedlicher ethnischer Herkunft; Kelten, Westslawen, Franken und Bajuwaren dominierten.

Während des Hochmittelalters erweiterte sich der Nordgau; im Süden in das Altmühltal bis Neuburg und Ingolstadt an der Donau, nach Westen bis Nürnberg, nach Osten bis an die Naab, und im Norden mit zunehmender Besiedlung bis in das Egerland, das damals aus dem Egerbecken, dem späteren Sechsämterland und dem Elsterland um die Orte Adorf und Markneukirchen (im heute sächsischen Vogtland) bestand und zum Bistum Regensburg gehörte.

Zerfall des Nordgau

Bereits während des 11. Jahrhundert begannen besitzrechtliche Veränderung des Nordgau, als Diepold II. von Vohburg und sein Sohn Diepold III. von Vohburg, Markgrafen im Nordgau, diesen durch Kolonisation in das Gebiet des Egerbecken ausdehnten und 1125 durch den Ausbau einer älteren slawischen Burg am Burgberg in Eger sicherten und diese Burg 1167 mit Teilgebieten des Egerlandes durch Erbschaft an Kaiser Friedrich I. (HRR) Barbarossa und damit über einen längeren Zeitraum in den Besitz der Staufer gelangte. Mit der eindrucksvoll ausgebauten Kaiserburg erhielt die Stadt Eger (Cheb) den Status einer Freie Reichstadt. Nach den Diepoldingern gehörten Teile des Nordgau weiteren Adelsfamilien. Den Grafen von Wittelsbach gelang es 1255 einen großen Teil des Nordgau in ihren Herrschaftsbereich einzubeziehen, grenzten dieses Gebiet aber nicht mehr mit der Bezeichnung Nordgau ab.

Zu einer weiteren Auflösung der alten Grenzen kam es, als Kaiser Ludwig der Bayer im Jahre 1322 das Egerland im nordöstlichen Teil des Nordgau an Böhmen verpfändete und im Hausvertrag von Pavia 1329 den größeren Teil seines Besitzes im Nordgau der rheinpfälzischen Linie der Wittelsbacher abgab. Das führte, von der Rheinpfalz aus gesehen, zu der Bezeichnung "die obere Pfalz" ( Oberpfalz), welche nach Beginn des Dreißigjähriger Krieg und der Rekatholisierung in Bayern 1628 unter Maximilian I. dem Kurfürstentum Bayern zurückgeführt wurde.

Unter dem Name "Nordgau" verstand man im Laufe der nachfolgenden Zeit ein zu Baiern gehörendes Landschaftsgebiet nördlich der Donau. Die Bezeichnung lebte fort und hielt eine verklärende Erinnerung an den alten geschichtlichen Raum wach. Noch Mitte des 16. Jahrhunderts wurde in einem Anhang einer Chronik der Stadt Eger (Cheb) das Gebiet um die Stadt als „Nordgau“ bezeichnet. Vermutlich um die Zugehörigkeit zu Bayern zu betonen, obwohl das Egerland als Pfand nicht mehr eingelöst und nach Westböhmen eingegliedert wurde. Die Mundart und die kulturelle Prägung der Egerländer ist bis heute ähnlich wie bei den Oberpfälzern.

Tradition und Erinnerung

  • Seit dem Jahr 1930 finden regelmäßig Nordgautage - Festlichkeiten in traditionellem Rahmen - statt, die in den Jahren 1936 bis 1951 unterbrochen waren und seither wieder veranstaltet werden. Der 36. Nordgautag war 2006 in Nittenau, 2008 war der Gastgeber Tirschenreuth, 2009 war aufgrund des 975-jährigen Jubiläums der Stadt ein Nordgautag in Amberg in der Oberpfalz.
  • 1960 erhielt Anton Ernstberger (Historiker) die Nordgau-Ehrenplakette.
  • 1969 erhielt Adolf Fischer (Genealoge) die Goldene Ehrennadel der Oberpfälzer Arbeitsgemeinschaft "Bayerischer Nordgau".
  • Die Bayerischen Staats-Eisenbahnen gaben einer Lokomotive den Namen Nordgau. Sie steht als älteste erhaltene Lokomotive Deutschlands - Bayerische B V - im Verkehrsmuseum in Nürnberg.
  • Die Bundeswehrkaserne in Cham wurde Nordgau-Kaserne benannt.

Literatur

  • Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - Die deutschen Territorien und reichsunmittelbaren Geschlechter vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Nordgau (Gau, Landschaft). 7. Auflage. Verlag C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-54986-1, S. 436.
  • Alois Schmid: Nordgau. In: Lexikon des Mittelalters. 1993, S. 1235.
  • Andreas Kraus: Marginalien zur ältesten Geschichte des bayrischen Nordgau. In: Jahrbuch für fränkische Landesforschung. 34/35, 1974/75, S. 163–184.
  • Heribert Sturm: Nordgau Egerland Oberpfalz, Studien zu einer historischen Landschaft. Oldenbourg Verlag, München/Wien 1984, ISBN 3-486-49541-0.
  • Ernst Gagel: Der Nordgau im Mittelalter. 1969, S. 7–22. (Oberpfälzer Heimat 13)
  • Ernst Schwarz (Germanist): Sprache und Siedlung in Nordostbayern. Nürnberg 1960. (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft 4)
  • Karl Siegl: Die Ausgrabungen auf der Kaiserburg in Eger (Gräberfunde einer westslawischen, vorchristlichen Bevölkerung). In: Mitteilungen des Vereins der Geschichte der Deutschen in Böhmen. 1912, S. 258.
  • Michael Doeberl: Die Markgrafenschaft und die Markgrafen auf dem bayerischen Nordgau. München/Bamberg 1893. (Mit Angaben der älteren Literatur).

Einzelnachweise

  1. Reichsteilungsurkunde zu Diedenhofen: Ann Max. Einhard, Fulda; siehe auch die Handschrift von St. Gallen 1975, Tom. III. pag.

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