Nordmeerflotte

Nordmeerflotte
Nordflotte

Verbandsabzeichen
Aufstellung 1933[1]
Land Sowjetunion bis 1991

Russland

Streitkräfte Russische Streitkräfte
Teilstreitkraft Russische Marine
Typ Flotte
Hauptquartier Seweromorsk
Auszeichnungen Rotbannerorden
Kommandeur
Kommandeur Nikolay Mikhaylovich Maksimov
Die Admiral Ushakow (ex „Kirow“) und die Marshal Ustinov in Seweromorsk 1992

Die Nordflotte oder Rotbanner-Nordflotte (russisch Северный Флот Severnij flot) ist der Name des 1933 aufgestellten Teils der sowjetischen Marine, der jenseits des Polarkreises stationiert ist, sowie des russischen Nachfolgeverbandes.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Aufstellung

Während des Ersten Weltkrieges ergab sich für Russland das Problem, die von russischen und britischen Schiffen genutzten Transportrouten in der Barentssee vor den U-Booten der deutschen Kaiserlichen Marine schützen zu müssen. Deswegen wurde am 19. Juni 1916 die Polarmeerflottille geschaffen. Nach der Oktoberrevolution stellte die sowjetische Armeeführung die Weißmeerflottille in Archangelsk im März 1920 zusammen. Diese wurde später in Nordmeer-Seestreitkräfte umbenannt. (Im Januar 1923 aufgelöst).

Um die Nordflotte aufzustellen, transferierte die Sowjetische Marine eine Anzahl von Schiffen von der Ostsee in den Norden (2 Zerstörer, 2 Patrouillenboote, 2 U-Boote). Diese verließen Kronstadt am 18. Mai 1933 und erreichten Murmansk am 5. August. Sie bildeten die Nordflottille (Kommandeur Zakhar Zakupnev, abgelöst von Konstantin Dushenov im März 1935). Die zweite Gruppe Schiffe (1 Zerstörer, 1 Patrouillenboot, 1 U-Boot, 2 Minensuchboote) erreichte den Hafen von Soroka (im Weißen Meer) im September 1933. Die Stadt von Poljarnij wurde 1935 der Hauptstützpunkt der Flottille. Die erste Gruppe Flugzeuge für die Flottille kam im September 1935 nach Murmansk. Am 11. Mai 1937 wurde die Nordflottille in Nordflotte umbenannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Sowjetische Marine bereits Küsten- und Flugabwehrgeschütze organisiert, Flugplätze gebaut und neue Schiffe empfangen.

Während des Winterkrieges von 1939 bis 1940 blockierten die Schiffe der Nordflotte die finnische Militärbasis in Petsamo. Im Juni 1941 besaß die Nordflotte schon 8 Zerstörer, 15 U-Boote, 2 Torpedoboote, 7 Patrouillenboote, 2 Minensucher und 116 Flugzeuge. Im August 1940 errichtete die Sowjetische Marine die Weißmeermilitärbasis in der Absicht, die Küstenlinie, Stützpunkte, Häfen und andere Einrichtungen zu schützen; sie wurde ein Jahr später in Weißmeerflottille umbenannt. (Kommandeure: Konteradmiral M. Dolinin (seit August 1941), Vizeadmiral G. Stepanov (seit Oktober) und schlussendlich Konteradmiral Stepan Kucherov und Vizeadmiral Jurij Pantelejev.

Die Nordflotte im Zweiten Weltkrieg

Während des Großen Vaterländischen Krieges von 1941 bis 1945 verteidigte die Nordflotte die Küstenlinien der Halbinseln Rubachij und Srednij, sicherte äußere und innere Transportrouten, leistete der maritimen Flanke der 14. Armee Unterstützung, stellte Marineinfanterie auf und beteiligte sich an der Petsamo-Kirkenes-Operation von 1944. Ein Teil des Personals der Nordflotte (bis zu 10.000 Mann) nahm an der Kriegsführung zu Lande teil.

Während des Krieges wurde die Nordflotte mit Luftwaffe und Schiffen des Pazifiks und des Kaspischen Meers verstärkt. Zudem stellte Großbritannien seine Schiffe der UdSSR im Tausch gegen erbeutete italienische Schiffe, die zwischen den Alliierten aufgeteilt werden sollten, zeitweise zur Verfügung.

Die Nordflotte sicherte im Krieg eine sichere Passage für 1463 Schiffe ausländischer Konvois und 2568 Schiffe binnenländischer. Ihre U-Boote, Torpedoboote und Luftwaffe versenkten 192 feindliche Transportschiffe und 70 Kriegsschiffe. Außerdem beschädigte die Nordflotte 118 Transport-, Kriegs- und Hilfsschiffe.

Die Nordflotte im Kalten Krieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg unterhielten die NATO-Staaten zunächst im Bereich der Ostsee nur sehr schwache Seestreitkräfte. Die sowjetische Marine konnte davon ausgehen, von ihrer traditionellen Hauptbasis in der Ostsee aus schnell freien Zugang zu den Weltmeeren erkämpfen zu können. Erst nach der deutschen Wiederbewaffnung ab 1956 änderte sich die Lage dahingehend, dass NATO-Kräfte, vor allem die deutsche Bundesmarine zusammen mit der dänischen Marine, die Ostseeausgänge würden verteidigen können. Das bedeutete, dass die sowjetische Marine nicht mehr in der Lage sein würde, mit U-Booten und anderen Kräften den NATO-Verstärkungsverkehr im Nordatlantik zu stören.

Deshalb wurden die Basen im Nordmeer ausgebaut. Mit Murmansk und einigen nahegelegenen Häfen hatte man dort eisfreie Stützpunkte zur Verfügung, von denen aus man in den Nordatlantik vordringen könnte. Etwa zur gleichen Zeit, also ab Ende der 1950er Jahre, begann die sowjetische Marine mit dem Aufbau ihrer Flotte von Atom-U-Booten. Auch diese, vor allem in Sewerodwinsk gebauten, Boote mussten gesicherten Zugang zu den offenen Ozeanen haben und wurden in großer Zahl bei der Nordflotte stationiert.

Die Nordflotte wurde die wichtigste der vier sowjetischen Flotten. Die strategischen Atom-U-Boote bildeten einen Teil der Nuklearmacht der Sowjetunion. Die nuklearen Jagd-U-Boote konnten in den Atlantik vordringen und US-amerikanische Trägergruppen angreifen. Ihre Überwasserstreitkräfte, vor allem eine große Zahl von Kreuzern und Zerstörern, später einzelne Flugzeugträger, dienten hingegen vor allem dem Schutz der Basisregion, um die vorgenannten Kräfte zu sichern. Mit den amphibischen Kräften wären Angriffe gegen NATO-Gebiete vor allem im Nahbereich, also in Nordnorwegen, möglich gewesen.

Die Verlegung der Hauptmacht der sowjetischen Marine ins Nordmeer war ein großer strategischer Erfolg. Dadurch war die NATO gezwungen, starke Seestreitkräfte zur Sicherung ihrer Seewege aufzustellen, um im Kriegsfall nicht von der Verstärkung und Versorgung aus Nordamerika abgeschnitten zu werden. Andererseits war es sehr teuer, unter extremen Witterungsbedingungen und in großer Entfernung von der eigenen Industrie die Basis für die größte aller Sowjetflotten aufzubauen und zu unterhalten. Der Dienst war mit großen Härten für die Soldaten und ihre Familien verbunden, und die Bereitschaft, freiwillig die Dienstzeit zu verlängern, soll nicht sehr hoch gewesen sein. Wenn die Sowjetunion unter anderem unter ihren Militärausgaben zusammengebrochen ist, so hatte das Projekt „Nordflotte“ daran einen bedeutenden Anteil.

Heutige Bedeutung der Nordflotte

Für Russland hat die Nordflotte auch weiterhin eine große strategische Bedeutung. Einer der wichtigsten Häfen in dem Militärschiffe stationiert sind, ist nach wie vor Sapadnaja Liza nahe der norwegischen Grenze auf der Halbinsel Kola. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit ihrer Teilrepubliken versucht Russland gleichwohl, den Status einer Supermacht zu behalten, die von den USA als ebenbürtiger Partner anerkannt wird. Das kann Russland jedoch nur noch auf dem Gebiet der Nuklearbewaffnung für sich in Anspruch nehmen. Die Nordflotte verfügt mit den strategischen Atom-U-Booten über einen wesentlichen Teil des russischen Nuklearpotenzials, insbesondere der Zweitschlagkapazität. Wie in der Vergangenheit besteht die Hauptaufgabe der anderen Seekriegsmittel der Nordflotte darin, dieses Nuklearpotential zu schützen.

Kommandeure der Nordflotte

Name Zeitraum
Konstantin Ivanovich Dushenov Mai 1937-Mai 1938
Valentin Petrovich Drozd Mai 1938-September 1940
Arseniy Grigoriyevich Golovko September 1940-August 1946
V.I. Platonov August 1946-April 1952
Andrey Trofimovich Chabanenko April 1952-Februar 1962
Vladimir Afanasiyevich Kasatonov Februar 1962-Mai 1964
Semeon Mikhailovich Lobov Mai 1964-März 1972
Georgi Mikhailovich Yegorov März 1972-???
Vyacheslav Alekseyevich Popov 1999-2001
Gennady Aleksandrovich Suchkov 2001-2004
Mikhail Leopoldovich Abramov 2004-2005
Vladimir Sergeevich Vysotsky, andere Schreibweise Wladimir Wyssozki September 2005- September 2007
Nikolay Mikhaylovich Maksimov November 2007-

Einrichtungen

Basen der Nordflotte

Zusätzlich zur Hauptbasis in Severomorsk hat die Nordflotte noch sechs zusätzliche Basen und Werften, wobei die Basis bei Murmansk zu den größten und bekanntesten zählt.

Basen

Werften

  • Roslyakovo
  • Polyarny
  • Nerpa
  • Malaya Lopatka

Interessante Tatsachen

Erfolge und Erstleistungen

Im September 1955 startete die Sowjetische Marine als erste eine ballistische Rakete von einem U-Boot. Das erste sowjetische U-Boot (B-67) mit ballistischen Raketen an Bord wurde bei der Nordflotte im Juni 1956 in Dienst gestellt. Am 3. Juli 1958 wurde das erste sowjetische Atom-U-Boot K-3 (November-Klasse) bei der Nordflotte in Dienst gestellt. Nachdem es das arktische Eis unterquert hatte, erreichte dieses - später als Leninski Komsomol bekannte U-Boot - 1962 den Nordpol und hisste Sowjetflagge und Marinewimpel. Sowjetische U-Boote haben seitdem die Nordpolarregion mehr als 300 mal besucht.

Im September 1963 machten zwei Atom-U-Boote der Nordflotte eine Reise unter der Arktischen Eiskappe und erreichten die Pazifische Flotte auf diese Weise das erste Mal in der Geschichte. Mehr als 25 russische U-Boote wiederholten dieses Abenteuer in den folgenden Jahren. 1966 führte eine U-Boot-Einheit der Nordflotte eine Gruppenreise um die Welt durch und legte dabei insgesamt etwa 25.000 nautische Meilen zurück.

Auszeichnungen

2 Luftwaffenregimenter, 1 U-Jagd-Geschwader, 8 U-Boote und Zerstörer wurden für ihren geschickten Einsatz in den Status der Sowjetischen Garde erhoben. Viele Formationen, Einheiten und Schiffe wurden mit Orden ausgezeichnet. Mehr als 48.000 Mann wurden mit Orden und Medaillen ausgezeichnet. 85 Seeleute der Nordflotte erhielten den Titel eines Helden der Sowjetunion (drei von ihnen zweimal). Am 7. Mai 1965 wurde die Nordflotte mit dem Rotbannerorden ausgezeichnet.

Unfälle und Atomproblematik

Neben großen Erfolgen hatten insbesondere die U-Boote der Nordflotte auch einige schwere Unfälle und Verluste zu verzeichnen:

  • U-Boot K-219 - 6. Oktober 1986
Nach einer Explosion in einem Raketensilo brach ein Feuer an Bord aus, das Schiff konnte bis zum 6. Oktober an der Oberfläche gehalten werden, sank aber östlich der Bermudas, nachdem die Crew von Bord gegangen war. Vier Seeleute starben.
Auf dem getauchten Boot brach ein Feuer aus. Es gelang mit Mühe aufzutauchen. Nach erfolgloser Brandbekämpfung sank das Boot im Nordatlantik auf Position 73° 43,3’ N und 013° 16,9’ E. 42 der 64 Besatzungsangehörigen kamen um. Vor dem Untergang war es der Besatzung gelungen, die Reaktoren herunterzufahren und zu sichern.
Das russische Atom-U-Boot Kursk sank mit 118 Besatzungsmitgliedern an Bord während eines Manövers in der Barentssee. Auslöser des Unglücks war wahrscheinlich ein fehlerhafter Torpedo, der im Bugtorpedoraum explodierte. Mehrere Versuche, die Besatzung zu bergen, blieben erfolglos.
  • U-Boot K-159 - 30. August 2003
Das Boot befand sich auf dem Weg im Schlepp zur Verschrottung in Poljarny, als es im Sturm von den unterstützenden Pontons losgerissen wurde und mit zwei stillgelegten Atomreaktoren sank. Neun Marinesoldaten konnten nicht mehr gerettet werden.

Insbesondere der Umgang mit ausgemusterten Atom-U-Booten und ihren Reaktoren bereitet Anlass zu großer Besorgnis. Deutschland unterstützt die sichere Entsorgung dieser Altlasten im Rahmen eines 2003 abgeschlossenen Abkommens mit 300 Mio €. Es ist aber bekannt, dass bereits eine größere Zahl von Reaktoren im Nordmeer versenkt worden ist. Die ökologischen Folgen sind nicht absehbar.
Laut einer Meldung von RIA Novosti im November 2006 wurden mittlerweile 145 der ausgemusterten Atom-U-Boote aus Sowjetzeiten abgewrackt. Die abgebrannten Brennelemente und die Reaktoren seien fachgerecht endgelagert worden. Weitere 17 Einheiten würden derzeit abgewrackt und für die noch ausstehenden 32 Einheiten würde ein Zeitplan bis 2010 existieren. Das zwei Milliarden Dollar schwere Abrüstungsprogramm läuft im Rahmen einer Kooperation mit den USA, Großbritannien, Kanada, Japan, Italien und Norwegen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ^ John Erickson, The Road to Stalingrad, Cassel Military Paperbacks, 2003 edition, S.68

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