Obstetrik

Obstetrik

Als Geburtshilfe bezeichnet man die Fachrichtung der Medizin, die sich mit der Überwachung normaler und pathologischer Schwangerschaften sowie der Vorbereitung, Durchführung und Nachbehandlung normaler und pathologischer Geburten einschließlich der erforderlichen Operationen befasst. Sie gehört zur Frauenheilkunde. Außerdem gehört dazu die Tätigkeit von Hebammen und Entbindungshelfern.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Geburtshilfe

Bis in die Neuzeit hinein war die Geburtshilfe eine reine Frauendomäne, wobei Männer sich in theoretischen Schriften durchaus mit dem Thema befassten, auch Hippokrates. Meyers Konversationslexikon (1889) urteilt über die mittelalterliche Hilfe für Gebärende: "Im christlichen Abendland befand sich die Geburtshilfe nur in Händen ununterrichteter Weiber oder höchstens männlicher Pfuscher. Man begnügte sich oft damit, in schwierigen Fällen Geistliche zu Gebärenden zu rufen, welche durch abergläubische Mittel Hilfe zu leisten versuchten. (...) Erst mit dem 16. Jahrhundert fing die Geburtshilfe an, eine bessere Gestalt anzunehmen." 1513 erschien ein Lehrbuch für Hebammen mit dem Titel Der swangern Frawen und Hebammen Rosengarten. Darin wird die Kopflage des Kindes als beste Geburtsposition bezeichnet - was nichts Neues war -, die zweitbeste sei die Fußlage.

Männliche Geburtshelfer waren zu dieser Zeit noch eine Seltenheit. So war es ungewöhnlich, dass König Ludwig XIV. bei der Entbindung seiner Geliebten, Louise de La Vallière, einen Wundarzt aus Arles hinzuzog, der danach offiziell zum Geburtshelfer des Hofes ernannt wurde. In Deutschland blieb die Geburtshilfe jedoch weiterhin die Domäne der Hebammen, die keinerlei praktische Ausbildung erhielten. Das Wissen wurde mündlich weitergegeben, außerdem gab es einige Fachbücher. Die Schrift Neues Hebammenlicht (1701) des Holländers van Deventer bezeichnet Meyers Konversationslexikon 1889 als erstes wissenschaftliches Werk zum Thema und schrieb: so suchte (er) ferner den Gebrauch der mörderischen zur Zerstückelung des Kindes benutzten Instrumente zu vermindern. Im 18. Jahrhundert wurde die Geburtszange erfunden, die wie die anderen Instrumente im Allgemeinen nur von Ärzten benutzt werden konnten und durften. 1741 bot die Medizinische Fakultät der Universität Halle Kurse in Geburtshilfe an. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in England die ersten Geburten künstlich eingeleitet, um einen Kaiserschnitt zu vermeiden. Die Methode des Kaiserschnitts war zwar schon in der Antike bekannt, allerdings konnte er bis in die Neuzeit hinein nur an der toten Mutter vorgenommen werden, um eventuell das Kind zu retten.

Die häufigste Maßnahme bei Komplikationen während der Geburt war früher die so genannte Wendung, d. h. die Hebamme oder der Arzt versuchten, das Kind mit der Hand im Mutterleib zu drehen, so dass es mit dem Kopf oder den Füßen zuerst den Geburtskanal passierte. Zumindest im 19. Jahrhundert erhielt die Frau vorher eine Narkose mit Chloroform; dadurch wurde eine normale Geburt aber natürlich wiederum erschwert oder unmöglich. So kam dann oft die Zange zum Einsatz. Einen Kaiserschnitt konnten nur gute Chirurgen ausführen, und bis ins 20. Jahrhundert hinein waren die meisten Geburten Hausgeburten, bei denen nur eine Hebamme Hilfe leistete. Mitunter war für das Kind damals gar keine Hilfe mehr möglich. Aus Meyers Konversationslexikon: Am übelsten ist die Gesichtslage, welche sich, wenn der Geburtshelfer rechtzeitig zur Stelle ist, in eine Schädel- oder durch Wendung in eine Fußlage verwandeln läßt. Ist dagegen der Kopf des Kindes im Becken bereits festgekeilt, so bleibt nichts übrig, als den Kopf zu durchbohren (Perforation) oder zu zerbrechen (Kranioklasis) und dann die Geburt mit der Zange zu beenden. Die Ausführung der Wendung steht gesetzlich der Hebamme nur dann zu, wenn ärztliche Hilfe nicht binnen notwendiger Frist zu erreichen ist. Das Anlegen der Zange oder gar das Töten des Kindes durch Perforation ist nur dem Arzt gestattet."

Im 18. Jahrhundert wurden die ersten Entbindungshäuser sowie Lehranstalten für Hebammen und Geburtshelfer eingerichtet. In Straßburg gab es 1728 die erste Entbindungsanstalt, in London im Jahr 1739. In Deutschland entstand die erste Hebammenschule 1751 in der Berliner Charité; in diesem Jahr gab es auch das erste Gebärhaus in Göttingen. Unter den Ärzten entbrannte Anfang des 19. Jahrhunderts ein Streit darüber, ob die natürliche Geburt oder die Zangengeburt die meisten Vorteile habe. Auch die große Bedeutung der Hygiene war zu dieser Zeit noch unbekannt, so dass in den Entbindungshäusern zunächst mehr Mütter im Kindbett am Wochenbettfieber starben als bei Hausgeburten. Das Desinfektionsmittel Karbol ließ die Zahl der Infektionen dann deutlich zurückgehen. Seit dem 18. Jahrhundert waren die Hebammen von den Medizinern mehr und mehr aus der Geburtshilfe gedrängt worden. Mittlerweile hat sich (wieder) die Ansicht durchgesetzt, dass eine natürliche Geburt ohne Komplikationen kein ärztliches Eingreifen erfordert. Erst seit den letzten Jahrzehnten wird Geburtshilfe nicht mehr als Teilgebiet der Chirurgie angesehen, es entstand das Schlagwort von der sanften Geburt.

Literatur

  • Edward W. Jenks: Die Gynäkologie des Alterthums, nach dem Englischen bearbeitet von Ludwig Kleinwächter, Deutsches Archiv für Geschichte der Medicin und medicinische Geographie 6 (1883), Neudruck Hildesheim und New York 1971, S. 41-55 und 251-268
  • Zwischen Hausgeburt und Hospital. Zur Geschichte der Geburtshilfe und Frauenheilkunde, hrsg. v. d. Schmitz u. Söhne GmbH & Co. KG, Wickede 2005.

Siehe auch

Säugling - Schwangerschaftsvorsorge - Accouchierhaus - Geburtsstuhl

Weblinks


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