Olga Benario

Olga Benario
Olga Benario-Prestes während ihrer Ausbildung in der Roten Armee, Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Olga Benario (* 12. Februar 1908 in München; † 23. April 1942 in der so genannten „Euthanasie“-Anstalt Bernburg) war eine deutsch-brasilianische, kommunistische Revolutionärin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Weimarer Republik

Olga Benario wurde als jüngstes Kind einer jüdisch-sozialdemokratischen Anwaltsfamilie geboren. Ihr Bruder Otto Benario war sieben Jahre älter. Ihr Vater Leo Benario war renommierter Anwalt mit Kanzlei in München. Er unterstützte Mittellose in Rechtsstreitigkeiten und widmete sich der Sozialdemokratie. Olga Benarios Mutter Eugenie Benario, geborene Guthmann, war eine unpolitische Dame der Gesellschaft.

Olga Benario-Prestes (letzte Reihe) mit einer Gruppe des KJVD (1926/27), Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Da Olga Benario politisch und gesellschaftlich sehr interessiert war, gab der Vater ihr Anwaltsakten über verurteilte Linke zu lesen. Damit wurde unbewusst der Grundstein für ihre politische Weltanschauung gelegt. 1925 folgte sie ihrem späteren Lebensgefährten Otto Braun, den sie noch aus München kannte, nach Berlin. Dort arbeitete sie für den KJVD Berlin-Neukölln, die KPD und als Stenotypistin für die sowjetische Handelsmission. Als sie und Braun wegen Hochverrats verhaftet wurden, erwirkte ihr Vater ihre Freilassung.

Braun wurde von Oberreichsanwalt Paul Vogt des Hochverrats und der Spionage angeklagt, und Olga Benario initiierte eine vom Nachrichtendienst der KPD ausgeführte, bewaffnete Befreiungsaktion. Am 11. April 1928 um 8:50 Uhr wurde Braun aus dem Kriminalgericht Moabit von sieben KJVD-Mitstreitern aus Berlin-Neukölln mit nicht geladenen Waffen befreit. Diese Tatsache brachte die Anerkennung in der Bevölkerung und bei der nächsten Wahl ein höheres Stimmenpotenzial für die KPD. Olga wurde mithilfe des geheimen Apparats der KPD in die Tschechoslowakei geschleust. Von dort gelangten sie und auch Otto Braun nach Moskau.

Sowjetunion

In Moskau besuchte Benario die Internationale Lenin-Schule und arbeitete dann als Instrukteurin der Kommunistischen Jugend-Internationale der Komintern. In der Ukraine lernte sie Waffenkunde und Reiten, später auch Fallschirmspringen und Fliegen. 1931 trennte sie sich von Otto Braun, der eine andere Frau liebte, und reiste zu einer Mission als „Eva Krüger“ nach Paris. Verhaftet und wieder freigelassen, ging sie über Belgien nach England, wo man sie erneut verhaftete. Der MI5 übermittelte ihre Fingerabdrücke an die Münchener Polizei, die durch Abgleich ihre Identität feststellte.

Brasilien

1934 wurde Olga Benario als Personenschützerin des früheren Hauptmanns der Brasilianischen Armee Luís Carlos Prestes nach Brasilien geschickt, um dort gemeinsam mit ihm die Revolution vorzubereiten. Auf der Reise als „portugiesisches Ehepaar in den Flitterwochen“ teilte sie mit Prestes ein Bett. In Rio de Janeiro traf sie Elise und Arthur Ewert, sowie sieben weitere aus der Sowjetunion entsandte Revolutionäre.

Der Putsch vom 27. November 1935 gegen die Regierung von Getúlio Dornelles Vargas schlug fehl, da die Unterstützung der Bevölkerung überschätzt wurde, und die Regierungstruppen offenbar informiert waren. Benario und Prestes tauchten unter, und eine Verfolgungswelle gegen Linke setzte ein. Elza Fernandes (1915–1936), die Ehefrau des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Brasiliens, Antonio Maciel Bonfim, wurde verdächtigt, die Verräterin zu sein, da sie mehrmals verhaftet und wieder freigelassen und dann immer jemand festgenommen wurde. Die Kommunisten, auch Prestes, beschlossen, die "Verräterin" zu beseitigen und ermordeten sie durch Strangulation.

Olga Benario-Prestes während ihrer Verhaftung in Brasilien, Aufnahme aus dem Bundesarchiv

1936 wurde Benario, die zu dieser Zeit ein Kind von Prestes erwartete, verhaftet und von Filinto Müller, Polizeichef von Rio de Janeiro, am 21. September 1936 zur Auslieferung auf das deutsche Schiff „La Coruňa“ gebracht. Einreisevisa für Juden wurden zu der Zeit in Brasilien nicht erteilt. Einen Einspruch gegen die Abschiebung auf Initiative von Dona Leocadia, Prestes Mutter, lehnte der Oberste Gerichtshof ab. Am 27. November 1936 kam ihre Tochter Anita Leocádia Prestes im Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin zur Welt. Bis zum Januar 1938 blieb das Kind bei der Mutter.

NS-Zeit

Da Luís Carlos Prestes die Vaterschaft erklärte, übergab die Gestapo die Tochter Anita im Jahr 1938 an die Großmutter Leocadia Prestes. Olga Benario wurde im Februar 1938 in das KZ Lichtenburg gebracht und traf Ewerts Frau wieder. 1939 wurde sie in das KZ Ravensbrück verlegt, wo sie die Häftlingslagerleitung zur Blockältesten bestimmte. Prestes' Mutter erwirkte Papiere zur Ausreise Benarios nach Mexiko, die aber wegen des Kriegsbeginns von London aus nicht mehr zugestellt und zurückgesandt wurden.

Benario wurde 1942 zusammen mit anderen jüdischen Häftlingen des KZ Ravensbrück in der NS-Tötungsanstalt Bernburg vergast. Ihre Mutter und ihr Bruder starben 1943 im KZ Theresienstadt.

Weiteres

Brief an Luis Carlos Prestes vom 15. September 1938, aus dem Zentralen Parteiarchiv des Instituts für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED

Die Gestapo war durch übereinstimmende, detaillierte Berichte, die bis 1933 zurückreichen, von mehreren V-Leuten kommunistischer Herkunft über Arbeit und Aufenthalte von Olga Benario und über ihre persönlichen und Partei-Beziehungen zu verschiedenen Funktionären informiert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR wertete diese Berichte nach 1945 aus.

Ob, wie in der DDR behauptet wurde, Olga Benario und Luis Carlos Prestes verheiratet gewesen waren, erscheint zweifelhaft, da die Archive in Moskau hierfür keine Anhaltspunkte liefern. Die Ehe wurde wohl lediglich behauptet, um eine Abschiebung aus Brasilien zu verhindern und später zu ermöglichen, dass zumindest die Tochter Anita an die Mutter von Prestes übergeben werden konnte. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass es angesichts der strengen Moralvorstellungen in den 1950er Jahren unvorstellbar gewesen wäre, dass Olga Benario ein Kind von Prestes erwartete, ohne mit diesem verheiratet zu sein.

Die Tochter Anita Prestes lebt in Brasilien.

Ehrungen

Olga Benario-Prestes auf einer Briefmarke der DDR (1959)

In der DDR wurden Schulen, Kindergärten und Straßen nach Olga Benario benannt. Zusammen mit Hilde Coppi und Liselotte Herrmann war sie Symbol für von den Nazis ermordete Mütter, die ihre Kinder im Frauengefängnis Barnimstraße zur Welt gebracht hatten.

An Olga Benario erinnern die Galerie Olga Benario und ein Stolperstein vor ihrem Wohnhaus Innstr. 24 / Ecke: Donaustraße in Berlin-Neukölln, der Jugendfilmclub Olga Benario in Frankfurt (Oder), eine Jugendherberge in Gräfenroda (Thüringen), eine Senioreneinrichtung in Schwedt sowie Straßen in Berlin-Prenzlauer Berg und in Bernburg (Saale).

Im Jahr 1989 erschien in Deutschland eine umfangreiche Biographie des Brasilianers Fernando Morais über Olga Benario-Prestes.

Medien

  • Im Dezember 2004 kam der Dokumentarfilm Olga Benario - Ein Leben für die Revolution von Galip Iyitanir in die Kinos.
  • Ebenfalls 2004 brachte der brasilianische Fernsehregisseur Jayme Monjardim einen Spielfilm Olga in die Kinos. Er war ein großer Publikumserfolg in Brasilien, wurde von der Kritik aber verrissen, da zu kitschig und zu sehr auf die Liebesgeschichte bezogen. Ab dem 31. August 2006 lief der Film in stark gekürzter Form in deutschen Kinos.
  • Weiterhin gibt es ein Tanzstück von Catharina Gadelhas Olga über sie[1].
  • Am 14. Oktober 2006 wurde die Oper Olga des brasilianischen Komponisten Jorge Antunes, mit Libretto auf portugiesisch von Gerson Valle, am Theatro Municipal in São Paulo uraufgeführt.

Literatur

  • Fernando Morais: Olga, Rowohlt Taschenbuchverlag, 1992, ISBN 3-499-13030-0 bzw. Volksblatt Verlag, 1989, ISBN 3-923243-50-2
  • William Waack: Die vergessene Revolution - Olga Benario und die deutsche Revolte in Rio, Aufbau Taschenbuchverlag, 1994, ISBN 3-7466-8013-1
  • Ruth Werner: Olga Benario - die Geschichte eines tapferen Lebens, Verlag Neues Leben, Berlin 1961
  • Bundesarchiv Berlin ZC 14103 A. 18
  • Bernd Kaufmann u.a.: Der Nachrichtendienst der KPD 1919-1937, Dietz Verlag Berlin, Berlin 1993, ISBN 3-320-01817-5
  • Michaela Karl: Olga Benario: Die Revolutionärin. In: Bayerische Amazonen – 12 Porträts. Pustet, Regensburg 2004. ISBN 3-7917-1868-1. S. 209-226

Weblinks


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