Operation Wintergewitter

Operation Wintergewitter

Unternehmen Wintergewitter war der Deckname für einen im Zweiten Weltkrieg fehlgeschlagenen Entsatzangriff der deutschen Heeresgruppe Don, um die im Raum Stalingrad eingeschlossene 6. Armee zu befreien (12.-23. Dezember 1942).

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Sturmgeschütz III vor Stalingrad im September 1942

Im Rahmen der Operation Blau, dem Angriff auf den Kaukasus, war die 6. Armee (Heeresgruppe B) ab Anfang September 1942 in Stalingrad eingedrungen, wo sie seither in schweren Kämpfen gegen die Rote Armee stand, ohne die Stadt vollständig einnehmen zu können. Seit Oktober meldeten die deutschen Armeeverbände im Raum Stalingrad große feindliche Truppenkonzentrationen, die über einen örtlichen Charakter hinausgingen. Bei der 4. Panzerarmee warnte man davor, dass der voraussichtliche Angriff die Einschließung der deutschen Verbände zum Ziel haben werde. Die Feindaufklärung ließ zudem erkennen, dass der Angriff gegen die Front der rumänischen 3. Armee nördlich Stalingrads erfolgen werde. Dem stand allerdings die Auffassung Hitlers entgegen, dass er, wenn überhaupt, weiter westlich gegen die italienische 8. Armee gerichtet sein würde. Er verbot die Einstellung der Kämpfe um Stalingrad, so dass alle Divisionen der 6. Armee gebunden waren. Die Front wurde also nicht zurückgenommen. Die rumänische 3. Armee sollte zwar durch die deutsche 22. Panzerdivision verstärkt werden, deren Unterstellung erfolgte jedoch zu spät, um noch rechtzeitig vor dem Angriff an Ort und Stelle einzutreffen.

Der Angriff durch die Südwestfront (Watutin) und die Donfront (Rokossowski) begann am 19. November um vier Uhr morgens mit einem vierstündigen Artilleriebeschuss von 800 Geschützen. Danach kamen die sowjetischen Panzer mit aufgesessener Infanterie und fegten die rumänische 3. Armee buchstäblich weg. Die deutschen Divisionen auf der südlichen Flanke des Durchbruchs wurden nach Süden in den entstehenden Kessel abgedrängt. Einen Tag später trat südlich Stalingrads die sowjetische Stalingrader Front (Jerjomenko) nach zweistündiger Artillerievorbereitung zum Angriff an. Er richtete sich wie erwartet gegen das rumänische VI. Armeekorps, das völlig zusammenbrach. Am 21. November musste sich das Oberkommando der 4. Panzerarmee zurückziehen. Auf einen Führerbefehl hin gab es das Kommando über alle seine deutschen Verbände an die 6. Armee ab. In einer wilden, kopflosen Flucht zog sich die 4. Panzerarmee dann hinter den Don zurück, wo der Brückenkopf noch bis zum 13. Dezember gehalten werden konnte. Das Oberkommando der 6. Armee (AOK 6) indessen, in Golubinskaja 15 km nördlich von Kalatsch, verlegte nach Nischne-Tschirskaja, von wo aus General Paulus am nächsten Tag, dem 22. November 1942, in den Kessel flog.

Vorbereitungen

Deutsche Truppen vor Stalingrad im Winter 1942

Im Kessel ergriff General von Seydlitz, Kommandeur des LI. Korps, die Initiative und arbeitete mit seinem Generalstab einen Plan für den Ausbruch aus. Die Befehlshaber der anderen Korps im Kessel sowie das AOK 6 teilten seine Ansichten vollständig. Man legte den Termin auf den 25. November fest und mit Einverständnis der Heeresgruppe B wurde die notwendige Umgruppierung befohlen. Der Ausbruch sollte in drei Etappen erfolgen, wobei die Truppen schrittweise aus dem Norden des Kessels in den Süden verlegt werden sollten, bevor dann ein Panzerkeil die feindlichen Linien durchstoßen und der nachfolgenden Infanterie den Weg nach Süden freimachen sollte. Die Vorbereitungen gediehen soweit, dass nur noch die Erlaubnis vom OKH fehlte. 130 Panzer und 17.000 Mann standen für die erste Welle bereit, 40.000 Soldaten für die zweite.

Hitler hatte bereits am 22. November Befehl gegeben, den Kessel zu halten. In einem stundenlangen Gespräch mit dem Vertreter des Generalstabes des Heeres, General Zeitzler, ließ er sich offenbar aber überzeugen, den Ausbruch zu genehmigen. Bei der Heeresgruppe B glaubte man, dass der Ausbruchsbefehl stündlich eintreffen könne. Als am 24. November um 10:45 Uhr der Befehl noch immer nicht da war, bereitete die Heeresgruppe eigenmächtig dessen Herausgabe vor. In dieser Situation erhielt das AOK 6 über die Heeresgruppe hinweg den Führerbefehl, bis auf weiteres auszuhalten. Ursache für Hitlers Haltung war das Versprechen des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Hermann Göring, die 6. Armee aus der Luft versorgen zu können - dies wurde spätestens nach dem Verlust des letzten Flugplatzes am 22. Januar 1943 schlicht unmöglich, so dass nur noch ca. 10% des benötigten Materials im Kessel ankamen, analog war es beim Ausfliegen der Verwundeten.

General Hoth (rechts)

Am 25. November wurde Generalfeldmarschall von Manstein die neugebildete Heeresgruppe Don mit dem Auftrag unterstellt, durch Angriff der 4. Panzerarmee die Verbindung zur Festung Stalingrad wiederherzustellen. Die Heeresgruppen A und B sollten ihre Stellungen halten. Manstein hielt diese Aufgabe freilich für undurchführbar: Er plädierte für einen gemeinsamen Entlastungsangriff der Heeresgruppen Don und A bei gleichzeitigem Ausbruch der 6. Armee und eine Zurücknahme der Front auf Donez und Mius. Mit seiner Ansicht konnte sich Manstein im Führerhauptquartier aber nicht durchsetzen. Hitler bestand darauf, dass sowohl der Kaukasus als auch Stalingrad gehalten würden.

So teilte Manstein nun seine Heeresgruppe zur Vorbereitung des Entsatzangriffes in zwei Teile: die Armeeabteilung Hollidt mit Front am Tschir im Norden und Don im Osten und die im Süden stehende Armeegruppe Hoth jenseits des Dons. Ursprünglich hatten beide Teile der Heeresgruppe Don angreifen sollen, da die für die Armeeabteilung Hollidt vorgesehenen Verbände aber nicht eintrafen und die Entwicklung der Lage am Tschir den Vorstoß nicht zuließ, verblieb sie in ihrer Stellung. Die unter Generaloberst Hoth stehende Armeegruppe erhielt am 1. Dezember somit allein den Befehl zur Durchführung des Unternehmens Wintergewitter. Zu diesem Zeitpunkt war sie jedoch noch nicht voll einsatzfähig: Die unterstellten rumänischen Truppenteile waren unzureichend ausgerüstet und bereits in den vorangegangenen Kämpfen stark dezimiert worden. Von den deutschen war bisher nur die 6. Panzerdivision einsatzbereit. Die Ankunft der 17. Panzerdivision war noch völlig ungewiss und die 23. Panzerdivision traf auf der eingleisigen Bahn nur sehr langsam ein. Zudem musste die ebenfalls vorgesehene, neu aufgestellte 15. Luftwaffen-Felddivision erst im rückwärtigen Gebiet unter Hochdruck ihre Grundausbildung beenden.

Der Entsatzangriff

Der X-Tag wurde auf den 8. Dezember festgesetzt, konnte aber unter diesen Umständen nicht eingehalten werden. Außerdem wartete man auf eine Kälteperiode, die den Boden gefrieren ließ, so dass man besser vorankam. Diese trat am 10. Dezember ein. Gleichzeitig verbot die Entwicklung der Lage bei der 6. Armee einen längeren Aufschub. Ohne das Eintreffen der 17. Panzerdivision abzuwarten, entschied Hoth, am 12. Dezember anzutreten. Das LVII. Panzerkorps griff aus dem Raum Kotelnikowo an und erreichte bis zum Abend das Ufer des Aksai, wo es alle Vorbereitungen für den Übergang am nächsten Tag traf. Am 13. Dezember drang das Korps auf das Höhengelände von Kumski vor, wo man auf äußerst hartnäckigen Widerstand stieß. So meldete die 6. Panzerdivision am 15. Dezember den Verlust von 23 Panzern und acht Feldhaubitzen. Der bis dato erreichte Vorstoß von lediglich 60km hatte unter beträchtlichem materiellem Verlust erkauft werden müssen. Zwar waren auch das sowjetische XIII. Panzerkorps und das III. Garde-Mot.-Korps erheblich angeschlagen, man wusste aber anhand der Fernaufklärung, dass der Feind ständig neue Einheiten an der Einschließungsfront freimachte und nach Südwesten der Entsatzarmee entgegenwarf.

Karte des Schlachtfeldes bei Stalingrad

Nachdem die 17. Panzerdivision am 17. Dezember auf dem Gefechtsfeld eingetroffen war, konnte am 19. der sowjetische Widerstand gebrochen und das südliche Ufer der Myschkowa gewonnen werden. In einem Handstreich besetzte die 6. Panzerdivision in der Nacht auf den 20. Dezember die einzige Brücke über den Fluss und richtete am Nordufer einen Brückenkopf ein. Die Spitzen der Armeegruppe hatten sich damit bis auf 55 km dem Einschließungsring um Stalingrad genähert und konnten bereits über die öde Steppe hinweg die Leuchtkugeln der Südfront des Kessels erkennen. Vom 20. bis 22. Dezember kämpfte die 23. Panzerdivision um die Erweiterung des Brückenkopfes. Die Lage verbot aber ein weiteres Angreifen der Panzertruppe. So riss nicht nur die Verbindung zum Brückenkopf mehrmals ab, sondern auch die Lage im Rücken der Truppen auf der Südseite der Myschkowa war alles andere als bereinigt. Zudem griff die Rote Armee jetzt auch die Armeeabteilung Hollidt an und drückte deren Brückenkopf bei Nishni-Tschirskaja ein. Die Donbrücken von Akimowski und Lutschenski waren bereits in der Hand der Sowjets. Damit bestand die Gefahr, dass die Armeegruppe Hoth auf dem westlichen Ufer des Dons umgangen werden würde.

Abbruch des Angriffs

In der Festung hatte man zum zweiten Mal alle Vorbereitungen für den Ausbruch, der auf das Stichwort Donnerschlag erfolgen sollte, getroffen: Panzer- und Truppenverbände lagen schwerpunktmäßig im Süden, alle überflüssige Ausrüstung und das zurückzulassende Material waren vernichtet, die Riegelstellungen und Bunker am Nordrand des Kessels aufgegeben worden. Zu dieser Zeit schätzte das AOK 6, aufgrund des allgemeinen Kräfteverfalls der Truppe sowie des Brennstoff- und Munitionsmangels nur noch zu einem Ausbruch bis 15 km Tiefe befähigt zu sein. Es sollte daher abgewartet werden bis die Armeegruppe Hoth bis auf 18 km herangekommen wäre, bevor der Ausbruch erfolgte. Am 21. Dezember erteilte Hitler die Genehmigung für den Angriff der 6. Armee, sofern Stalingrad gehalten würde. Noch am selben Tag forderte das FHQ die Brennstoffunterlagen der Armee an, wobei sich herausstellte, dass der Treibstoff nur noch eine maximale Eindringtiefe der Panzer von 30 km erlaubte. Daraufhin zog Hitler seine Erlaubnis wieder zurück, um zu vermeiden, dass das schwere Material in der Steppe zurückgelassen werden müsste.

Trotz der Lage im Rücken des Brückenkopfes und des Anmarsches weiterer motorisierter Feindkräfte entschloss sich Generaloberst Hoth, den Angriff fortzusetzen. Jedoch war der Roten Armee bereits am 17. und 18. Dezember bei der 8. italienischen Armee auf dem Südflügel der Heeresgruppe B ein Einbruch von wenigstens 45 km Tiefe gelungen und die Front auf einer Breite von 150 km aufgerissen. Die Nordflanke der Heeresgruppe Don war damit aufs Äußerste bedroht. Deswegen erteilte Generalfeldmarschall von Manstein am 23. Dezember der Armeegruppe Hoth den Befehl, den Angriff einzustellen und zur Abwehr überzugehen. Die 6. Panzerdivision sollte dann von der Gruppe Hoth in den bedrohten Raum abgegeben werden. Hoth war der Ansicht, dass seine inzwischen erfolgte Umgruppierung den Vorstoß aus dem Brückenkopf gewährleiste und bereits eine Annäherung auf 25 km für einen Ausbruch der 6. Armee ausreichen müsse. Die 4. Panzerarmee war bereit, am 24. Dezember mit allen Kräften zur Entscheidungsschlacht anzutreten und unter Missachtung von Rücken- und Flankensicherung durchzustoßen. Der Befehl, die Panzerdivision abzugeben und den Raum zu halten, blieb jedoch bestehen. Damit war das Unternehmen Wintergewitter eingestellt.

Nachspiel

Kurz nach Abgabe der verlangten Panzerdivision am 24. Dezember ging die Rote Armee zum Angriff über. Gegen das I. Gardeschützenkorps, XI. Garde-Mot.-Korps sowie das VII. und XIII. sowjetische Panzerkorps war die Front der Armeegruppe Hoth nicht zu halten. In letzter Minute erhielt sie am 26. Dezember die Genehmigung, auf ihre Ausgangsstellung zurückzugehen. Diese Linie musste unter dem Ansturm der Rotarmisten in der Nacht zum 29. Dezember ebenfalls aufgegeben werden. Der Frontbogen an Tschir und Don hielt zwar, doch es war nur eine Frage der Zeit bis auch er eingedrückt werden würde. Der Entsatz von Stalingrad war aussichtslos geworden. Die Heeresgruppe Don hielt ihre Stellung nur noch zu dem Zweck, den Weg für die zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer stehende Heeresgruppe A freizuhalten.

So hoffte man in Mansteins Stab nun auf ein selbständiges Handeln von Paulus, aus eigener Kraft die 80 km bis zu den deutschen Linien am Don zu überwinden. Da dies dem Führerbefehl entgegenstand, konnte man Paulus das aber nicht offiziell mitteilen. Hilfe war von der Heeresgruppe Don nicht mehr zu erwarten: sie bereitete insgeheim schon ihren weiteren Rückzug nach Taganrog vor. Auch die Heeresgruppe A, die noch im Raum nördlich des Kaukasus stand, hatte genug Mühe, ihren Rückzug über den Don zu organisieren, bevor die Rote Armee mit Stoßrichtung auf Rostow sie ebenfalls abschnitt. Dennoch war der 6. Armee vom FHQ mitgeteilt worden, dass sie durch die (zersprengte) 17. Armee (Heeresgruppe A) entsetzt werden würde. Der von Manstein zum AOK 6 am 27. Dezember ausgesandte Emissär schilderte die Notwendigkeit zum sofortigen Ausbruch, aber Paulus glaubte ihm nicht. Hitler hatte doch versprochen, die 6. Armee ausreichend zu versorgen und rechtzeitig zu entsetzen.

Literatur

  • Manstein, Erich von, Verlorene Siege, Bonn 1955, ISBN 3-7637-5253-6
  • Manstein, Rüdiger von (Hg), Soldat im 20. Jahrhundert. Militärisch-politische Nachlese, Bonn 1994, ISBN 3-7637-5214-5
  • Schröter, Heinz, Stalingrad – … bis zur letzten Patrone
  • Young, Peter (Hg), Der große Atlas zum II. Weltkrieg, München 1973, ISBN 3-517-00473-1
  • Beevor, Antony, Stalingrad, München 1999, ISBN 3-442-15101-5

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