Orda-Horde

Orda-Horde

Die Orda-Horde (tatarisch: Urda-Ulus; mongolisch: Orda-Ulus) war ein selbständiger Bestandteil der mongolischen Goldenen Horde. Ihre Fürsten erkannten zwar (laut Raschid ed Din, um 1303) die jeweiligen Khane an der Wolga als vorrangig an, indem sie ihre Namen an den Anfang ihrer Erlasse setzten, besuchten sie aber praktisch nie und betrieben ihre eigene Politik.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Erster Herrscher war Orda Khan, Sohn Jochis. Sein Herrschaftsgebiet umfasste große Teile Sibiriens bis an den Irtysch, vor allem die ehemaligen Khanate der türkischen Kimek und Quangli. Namen wie Türk, Quangli, Qarluq, Uighur, Dschalair, Naiman, Chitai, Tatar, Moghul, Barlas und Merkit zeugten im Laufe der Zeit von einem Schmelztiegel unterschiedlichster turkomongolischer Stammesgruppen. Aber auch nicht-turkomongolische Gruppen zählten zum Einflussbereich, so z.B. die Ostjaken.

Über die Geschichte des Khanates im 13. und 14. Jh. ist heute nur wenig bekannt, im Wesentlichen sind die Autoren der spärlichen und widersprüchlichen Informationen Raschid ed Din (um 1303), Abulfeda (um 1315), Natanzi (um 1414), Ötemish Hajji (1550er), Ghaffari (um 1565), Haydar Razi (um 1618), Abu'l-Ghazi (frühe 1660er), ferner Munedschimbaschi (1670er) und Abdul Ghaffar (um 1744). Das Khanat finanzierte sich laut Marco Polo vor allem über die typischen Produkte Sibiriens wie Pelze oder Falken. Zudem besaß es zeitweise einige Handelstädte am Syrdarja.

Eigene diplomatische Beziehungen wurden unter Qonichi († 1301) und Bayan († 1310) nach Persien (Ilchanat) und China (Yuan-Dynastie) unterhalten. Um 1300 zeugen von dem persischen Chronisten Raschid ed Din (um 1303) beschriebene Thronstreitigkeiten von einer weitgehenden Selbständigkeit der Horde. Dabei musste Qonichis Sohn Bayan den Thron jahrelang gegen einen Vetter verteidigen, schaffte es aber nicht ohne Einflussnahme Tohtu Khans (reg. 1291-1312).

Seit den 60er Jahren des 14. Jh. ließen die Khane Münzen mit eigenem Namen prägen.[1] Prägeort war die Stadt Sighnaq am Syrdarja, die auch als Hauptstadt des Khanats erwähnt wird.

Vielfach wird das Khanat Ordas auch als "Weiße Horde" bezeichnet, ein Begriff, der manchmal auch auf die Nachkommenschaft Shibanis angewendet wird. Es dürfte durchaus seine Berechtigung haben, da die Herrschaftsbereiche der Nachkommen Ordas und Shibanis kaum voneinander zu trennen sind. Ordas Horde hatte im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert die prägendere Rolle als die des Shibani. Im 15. Jahrhundert dominierte jedoch Shibanis Klan in (West-)Sibirien. (In manchen Quellen erscheint das sibirische Herrschaftsgebiet sogar als Blaue Horde.[2])

Nach dem Niedergang der Blauen Horde mit dem Tod Jani Begs 1357 mischten sich die Khane Urus († 1376) und Toktamisch († 1406/07) in die dortigen Thronstreitigkeiten ein und verbanden beide Horden im Wolgaraum um Sarai (ca. 1380). Es ist aber angesichts der massiven und wenig dokumentierten Machtkämpfe nicht mehr sicher nachzuvollziehen, ob diese Khane wirklich der Nachkommenschaft von Orda angehörten.

Zumindest regierten im frühen 15. Jh. mehrere Nachkommen von Urus Khan auf dem Thron in Sarai, eingesetzt vom Emir Edigü. Nach Edigüs Tod (1419) zerfiel das Khanat im Wolgaraum endgültig in rivalisierende Horden, wobei die Nachkommen zwischen 1435 und 1502 einige der Thronanwärter stellten. (vgl. Namagan-Patrimonium)

Während sich Urus Khans Klan an der Wolga zu behaupten versuchte, übernahmen die Nachkommen Shibanis die Macht in Sibirien. 1428 wurde Boraq, ein Enkel von Urus von dem Scheibaniden Abu'I-Chair getötet. Abu'I-Chair (* um 1412, † 1468) gründete das Usbekenreich. Aber die Stammesgruppen, die sich um 1450 von ihm abspalteten, unterstanden Boraqs Söhnen Kerei und Jani Beg, quasi den letzten Erben der Horde Ordas - vgl. Kasachen.

Fürstenliste Orda-Horde und ihrer Nachfolger

(Einige Datierungen schwanken aufgrund der mangelnden Quellenlage.)

  • Orda 1227-125? (Sohn von Jochi)
  • Qongqiran (Sohn Ordas, laut Raschid ed Din, schon für 1251 erwähnt)
  • Qonichi ca. 1277-1301 (laut Raschid ed Din Sohn Sartaqtais, Enkel Ordas. Er wird sogar von Marco Polo bzw. einem seiner Ghostwriter erwähnt.)
  • Bayan ca. 1298-1309/10 (Sohn Qonichis)
    • Prätendent: Kuilek um 1300 (ein anderer Urenkel Ordas)
  • Sasibuka 1310-1320 (Sohn Bayans)
  • Irzan (laut Natanzi Sohn Sasibukas, Regierungszeit nach Natanzi 1320-1344/5)
  • Mubarek Khoja (laut Natanzi Sohn Irzans, regierte nach Natanzi nur im Jahr 1344/5, nach Munedschimbaschi aber 1320-1344/5)[3]
  • Chimtai 1345-1361 (laut Natanzi Sohn Irzans)
  • Ordu Melik 1360-1362 (laut Natanzi Bruder Cimtays)
  • Urus Khan[4] 136?-1376
  • Toqtaqiya 1376-1377 (Sohn von Urus)
  • Temür Malik 1377 (Sohn von Urus)
  • Toktamisch Khan[5] 1378-1395 (gest. 1406/7)
  • Koirijaq Oglun (1394)-1422 (Sohn von Urus)
  • Baraq 1422-1428 (Sohn Koirijaq Ogluns)
  • Kerei und Janibek (Söhne von Baraq, die Gründer des Kasachen-Khanats, um 1450)

Anmerkungen

  1. Die Hinweise auf Münzen Mubarek Khojas aus den 1320er oder 1330er Jahren bei Howorth: History of the Mongols, S. 221 oder Grekov/Jakubovskii: Zolotaja Orda i eë padenie, S. 310f. erwiesen anhand neuer Münzveröffentlichungen auf www.zeno.ru als Falschinterpretationen. Vgl. István Vásáry: The beginnings of coinage in the blue horde, in: Acta Orientalia, Budapest 2009.
  2. So z.B. bei Ötemish Hajji, Autor des "Tarikh-i Dust Sultan", geschrieben in Choresm, 1550er Jahre. Vgl. Devin A. DeWeese: Islamization and Native Religion in the Golden Horde, S. 148. Siehe auch Howorth: History of the Mongols, S. 216.
  3. Der Fürst ist den Münzveröffentlichungen zufolge wahrscheinlich in die 1360er und in die Nachkommenschaft Toqa Timurs einzuordnen. Vgl. I. Vásáry: The beginnings of coinage in the blue horde.
  4. Urus Khan war laut Natanzi der Sohn Chimtais, nach einer Quelle des frühen 16. Jh. aber der Sohn Badiks und ein Nachkomme Toqa Timurs, d.h. nicht Ordas.
  5. Toktamisch wird in der Literatur mitunter als Neffe von Urus Khan angesehen, mitunter auch zur Nachkommenschaft Toqa Timurs, d.h. nicht Ordas gerechnet.

Literatur

  • Thomas T. Allsen, "The Princes of the Left Hand: An Introduction to the History of the Ulus of Orda in the Thirteenth Centuries, Archivum Eurasiae Medii Aevi (AEMA), 5 (1985 [1987])
  • Henry Hoyle Howorth: History of the Mongols from the 9th to the 19th Century. Part 2. The So-Called Tartars of Russia and Central Asia, London 1880
  • Joseph von Hammer-Purgstall: Geschichte der Goldenen Horde in Kiptschak, das ist der Mongolen in Russland: Mit neun Beylagen und einer Stammtafel, nebst Verzeichniss von vierhundert Quellen ... und Nahmen- und Sachregister. Pesth: 1840
  • Raschid ed Din (übers. von John Andrew Boyle): The successors of Genghis Khan. New York 1971
  • István Vásáry: The beginnings of coinage in the blue horde, in: Acta Orientalia, Budapest 2009.
  • Б.Д. ГPEKOB, A.Ю. ЯKУБOBCKИЙ: 3OЛOTAЯ OPДA И EЁ ПAДEHИE, MOCKBA 1950
  • Emanuel Sarkisyanz: Die orientalischen Völker Russlands vor 1917. München 1961
  • Tilman Nagel: Timur der Eroberer und die islamische Welt des späten Mittelalters. München 1993
  • М. Г. Сафаргалиев: Расрад Золотой Орды, Саранск 1960

Weblinks


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