Organische Verbindungen

Organische Verbindungen

Die Organische Chemie, auch häufig kurz Organik genannt, ist ein Teilgebiet der Chemie, welches sich mit Aufbau, Herstellung und Eigenschaften der Verbindungen des Kohlenstoffs beschäftigt. Die Einordnung der Chemie in Teilgebiete erfolgte bereits im Jahre 1589. So wurden im Magiae Nautralis libri XX eigene Bücher für Tier-, Pflanzen- und Mineralchemie angelegt, wobei die ersten beiden der heutigen Organischen Chemie zuzuordnen sind, das dritte der Anorganischen Chemie. Ihren Namen erhielt die Organische Chemie jedoch erst im 18. Jahrhundert durch die Einteilung in unorganische oder unorganisierte und organische oder organisierte Körper. Als organische Körper wurden hierbei jene chemischen Verbindungen bezeichnet, die in der Tier- und Pflanzenwelt zu finden sind. Der Begriff verbreitete sich ab der Veröffentlichung des Werks Considérations sur les corps organisés des Schweizer Naturforschers Charles Bonnet im Jahre 1762 in Fachkreisen.[1]

Mit wenigen Ausnahmen umfasst die Organische Chemie alle Verbindungen, die der Kohlenstoff mit sich selbst und anderen Elementen eingeht. Dazu gehören auch alle Bausteine des derzeit bekannten Lebens. Es sind etwa 19 Millionen organische Verbindungen bekannt (2008).

Ausnahmen sind die zur anorganischen Chemie zählenden Oxide des Kohlenstoffs, die Kohlensäure, die Cyanide und Cyansauerstoffsäuren sowie die Carbide (Kohlenstoff-Metallverbindungen) und der Schwefelkohlenstoff (siehe Kohlenstoff-Verbindungen).

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Die Sonderstellung des Kohlenstoffs beruht darauf, dass das Kohlenstoffatom vier Bindungselektronen hat, wodurch es unpolare Bindungen mit ein bis vier weiteren Kohlenstoffatomen eingehen kann. Dadurch können lineare oder verzweigte Kohlenstoffketten sowie Kohlenstoffringe entstehen, die an den nicht mit Kohlenstoff besetzten Bindungselektronen mit Wasserstoff und anderen Elementen (vorwiegend Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor) verbunden sind, was zu großen und sehr großen Molekülen (z. B. Homo- und Heteropolymere) führen kann und die riesige Vielfalt an organischen Molekülen erklärt. Von dem ebenfalls vierbindigen Silicium gibt es auch eine große Anzahl Verbindungen, aber bei Weitem keine solche Vielfalt.

Die Eigenschaften organischer Substanzen werden sehr stark von ihrer jeweiligen Molekülstruktur bestimmt. Selbst die Eigenschaften von einfachen organischen Salzen wie den Acetaten werden deutlich von der Molekülform des organischen Teils geprägt. Es gibt auch viele Isomere, das sind Verbindungen mit der gleichen Gesamtzusammensetzung (Summenformel), aber unterschiedlicher Struktur (Strukturformel).

Dagegen bestehen die Moleküle in der Anorganischen Chemie meist nur aus einigen wenigen Atomen, bei denen die allgemeinen Eigenschaften von Festkörpern, Kristallen und/oder Ionen zum Tragen kommen. Es gibt aber auch Polymere, die keinen Kohlenstoff enthalten (oder nur in Nebengruppen), z. B. die Silane.

Organische Synthesestrategien unterscheiden sich von Synthesen in der Anorganischen Chemie, da organische Moleküle meist Stück für Stück aufgebaut werden können.

Geschichte

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führten insbesondere morphologisch-physiologische und nicht chemische Erwägungen und Kennzeichen zu einer neuen Einteilung der Stoffe/Materie. So wurden z. B. mineralische Stoffe als „unorganisierte“ und tierische und pflanzliche Stoffe als „organisierte Körper“ bezeichnet. Bereits um 1780 waren auch die Bezeichnungen „unorganische“ und „organische Körper“ geläufig. 1806 verwendet der schwedische Chemiker Jöns Jacob Berzelius erstmals den Begriff „organische Chemie“ (vgl. Walden 1927).

Bereits im 18. Jahrhundert war eine beträchtliche Zahl von organischen Substanzen als Reinstoff isoliert worden.

Beispiele sind der Harnstoff (1773, Hilaire Rouelle) und viele Säuren, wie die von Ameisen erhaltene Ameisensäure (1749, Andreas Sigismund Marggraf), die Äpfelsäure aus Äpfeln, und die aus dem Weinstein gewonnene Weinsäure (1769, Carl Wilhelm Scheele).

Es gelang zunächst nicht, diese Substanzen im Labor herzustellen, so dass die Meinung entstand, sie könnten nur von Lebewesen (Organismen) hergestellt werden, und dass zu ihrer Entstehung eine besondere 'Lebenskraft' (vis vitalis) notwendig sei.

Die Herstellung von Harnstoff durch Erhitzen von Ammoniumcyanat im Jahr 1828 durch Friedrich Wöhler konnte diese Annahme widerlegen.

Ihren Aufschwung nahm die Organische Chemie mit der Untersuchung der bei der Leuchtgaserzeugung entstehenden Abfallprodukte, als der deutsche Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge (1795–1867) im Steinkohlenteer die Stoffe Phenol und Anilin entdeckt hatte.

1857 veröffentlichte Friedrich August Kekulé seine Arbeit „Über die s. g. gepaarten Verbindungen und die Theorie der mehratomigen Radikale“ in Liebigs Annalen der Chemie (Bd. 104, Nr. 2, S. 129 ff.), die als Ausgangspunkt der organischen Strukturchemie gesehen wird. In dieser Arbeit wird der Kohlenstoff erstmals als vierwertig beschrieben.

Mit zunehmendem Geschick der Chemiker – etwa bei der Analyse und Synthese der Zuckerarten durch Hermann Emil Fischer – gelang es, eine immer größere Zahl von organischen Substanzen durch Totalsynthese aus anorganischen Grundsubstanzen zu synthetisieren.

Zudem wurden dabei aus den Natursubstanzen auch Abkömmlinge (Derivate) hergestellt, die in der Natur nicht vorkommen (wie etwa die Hydrazone und Phenylhydrazone der Kohlenhydrate).

Auch völlig unnatürlich wirkende Stoffe, wie Kunststoffe und Erdöl, zählen zu den organischen Verbindungen, da sie wie die Substanzen von Lebensformen aus Kohlenstoffverbindungen bestehen. Erdöl, Erdgas und Kohle, die Ausgangsstoffe für viele synthetische Produkte, sind letztlich organischen Ursprungs.

Die in Lebewesen ablaufenden Stoffwechselprozesse werden nun in der Biochemie behandelt, die auf der Organischen Chemie beruht.

Bedeutung der Organischen Chemie

Die wichtigsten Moleküle des Lebens, darunter Aminosäuren, Proteine, Kohlenhydrate und die DNA, sind organisch, und so ist ein Großteil der Biochemie und der Molekularbiologie nichts anderes als Organische Chemie.

Daraus ergibt sich auch eine große Bedeutung für die Biologie und für die Medizin, etwa bei der Entwicklung und Herstellung von Arzneistoffen, Diagnostika, Pflanzenschutzmitteln, Konservierungsmitteln sowie für die Lebensmittelchemie.

Technisch wichtige Bereiche der Organischen Chemie sind die Petrochemie, die Chemie der Kunststoffe und Kunstfasern, vieler Klebstoffe, Reinigungsmittel, Lösungsmittel, Harze, Farben, Pigmente und Lacke.

Stoffgruppen der Organischen Chemie

Es ergeben sich zwei Möglichkeiten für eine systematische Einteilung der einzelnen Substanzen der Organischen Chemie in Stoffgruppen:

Einteilung nach funktioneller Gruppe (Auswahl):

Einteilung nach Kohlenstoffgerüst:

Reaktionen

Siehe Reaktionsmechanismus

Die Reaktionen in der Organischen Chemie lassen sich größtenteils in die folgenden Grundtypen einordnen:

Darüber hinaus sind viele Reaktionen unter dem Namen ihres Entdeckers bekannt (siehe: Namensreaktionen).

Eine Einteilung nach dem entstehenden Bindungstyp bzw. Baustein findet sich in der Liste der organischen Reaktionen (Einteilung nach entstehender Bindung).

Organische analytische Chemie

Die organische analytische Chemie beschäftigt sich mit der Untersuchung von organischen Stoffen. Dabei kann es darum gehen,

  • Substanzen zu identifizieren (Nachweis);
  • die Anwesenheit bzw. Abwesenheit von Verunreinigungen in Substanzen nachzuweisen (Bestimmung der Reinheit);
  • die Mengenverhältnisse von Substanzen in Gemischen zu bestimmen (Zusammensetzung);
  • die Molekülstruktur von Substanzen aufzuklären (Strukturaufklärung).

Wichtige Methoden zum Nachweis und zur Reinheitsbestimmung (qualitative Analyse) sind klassische nasschemische Farb- und Niederschlagsreaktionen, biochemische Immunoassay-Methoden und eine Vielfalt von chromatographischen Methoden.

Mengenverhältnisse in Gemischen (quantitative Analyse) festzustellen ist möglich durch nasschemische Titrationen mit unterschiedlicher Endpunktsanzeige, durch biochemische Immunoassayverfahren und durch eine Vielzahl von chromatographischen Verfahren so wie durch spektroskopische Methoden, von denen viele auch zur Strukturaufklärung herangezogen werden, wie Infrarotspektroskopie (IR), Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), Ramanspektroskopie.

Ausschließlich zur Strukturaufklärung werden neben charakteristischen chemischen Reaktionen die Röntgenbeugungsanalyse und die Massenspektrometrie (MS) verwendet.

Einzelnachweise

  1. P. Walden: Von der Iatrochemie zur „Organischen Chemie“, in: Z. angew. Chem. 1927, 40, 1–16; doi:10.1002/ange.19270400102.

Literatur

  • C. Schorlemmer: Ursprung und Entwicklung der organischen Chemie, Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig, Leipzig, 1984.
  • H. Hart, L.E. Craine, D. J. Hart, C. M. Hadad, N. Kindler: Organische Chemie. 3. Aufl. Wiley-VCH, Weinheim 2007, ISBN 978-3-527-31801-8.
  • K.P.C. Vollhardt und N.E. Schore: Organische Chemie. 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 978-3-527-31380-8.
  • Heinz A. Staab: Hundert Jahre organische Strukturchemie. Angewandte Chemie 70(2), S. 37–41 (1958), ISSN 0044-8249.

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