Orgel der Westerhusener Kirche

Orgel der Westerhusener Kirche
Sieburg-Orgel in Westerhusen

Die Orgel der Westerhusener Kirche wurde 1642-1643 unter Verwendung weit älteren Materials von Jost Sieburg erbaut und ist als sein einziges Werk so gut wie vollständig original erhalten. Das wertvolle Instrument im ostfriesischen Westerhusen verfügt über sieben Register auf einem Manual und ein angehängtes Pedal.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

  • Um 1500 besitzt die Kirche bereits eine gotische Orgel, da Sieburg Teile dieses Vorgängerinstruments übernommen hat.
  • 1642-1643 baut Jost Sieburg auf einer Empore im Osten ein neues Instrument, wobei er einen Großteil des alten Pfeifenwerks wiederverwendet.
  • 1647 wird das Instrument bemalt und vergoldet.
  • 1756-1757 wird die Orgel von Cornelius Geerds Wallies (Leer) repariert.
  • 1765/1785 führt Dirk Lohmann (Emden) Reparaturen durch.
  • 1795/1852 repariert Johann Friedrich Wenthin (Emden) das Instrument.
  • 1875 wird die Orgel weiß gestrichen und verschwinden auch die Inschriften. Unten rechts war zu lesen: „Anno 1643, den 24. Martii, do Dominus Folptetus Bonnaeus Hayunga Prediger und Onne Tjarks und Peter Schinckel Kerkvoogden weren, is dit orgel van meester Joest Siborgh verferdiget“.
  • Vor 1900 wird die Traktur erneuert. Im Diskant wird der Tastaturumfang auf c3 erweitert, wobei die fehlenden Pfeifen auf einer separaten Lade ergänzt werden.
  • 1955 wird eine Restauration durch Ahrend & Brunzema durchgeführt, die weites Aufsehen erregt und Modellcharakter hat. Wird doch die alte Intonation bewahrt, nicht in das Pfeifenmaterial eingegriffen und die ursprüngliche mitteltönige Stimmung wieder angelegt. Abgängige oder später ersetzte Teile wie die alte Windlade, Traktur, Klaviatur und Balganlage werden sorgfältig rekonstruiert und spätere Veränderungen rückgängig gemacht. Ein Chor der Mixtur wird aus altem Material ergänzt. Ansonsten sind alle Register noch erhalten. Zwei Glockenkränze für die Zimbelsterne werden angefertigt. Die alte Farbgebung aus Blau, Rot, Schwarz und Gold wird wieder hergestellt, sodass nun auch wieder die Inschriften mit biblischen Texten aus Eph 5,19b LUT (oben) und Ps 150,4 LUT (Mitte) zu lesen sind.

Besonderheiten

Sieburg hat Teile einer gotischen Vorgängerorgel übernommen. Dies ist äußerlich am Gehäuse erkennbar, deren unterer Teil noch die alten Stollenprofile aufweist, wie sie sich ganz ähnlich bei der spätgotischen Rysumer Orgel finden. Der Aufbau der Pfeifenfelder spiegelt den „Hamburger Prospekt“ wider. Die weiten, stark bleihaltigen gotischen Prinzipalregister wurden aufgeschnitten und in engerer Mensur wieder zugelötet. Das hat zur Folge, dass die Labien verhältnismäßig breit sind. Die Orgel weist trotz beschränkter Disposition einen kräftigen und intensiven, teils fast schneidenden Klang auf. Kräftig und obertonreich erklingt der 4-Fuß-Prinzipal im Prospekt. Die bläserartige Trompete mit den offenen Kehlen und kurzen Bechern ist typisch für die Bauweise der Renaissance. Neben der Orgel in Uttum gilt sie als eine der ältesten Trompetenregister überhaupt. Die Mixtur verleiht dem Plenum einen brillanten Klang, der durch die terzenreine Stimmung noch gefördert wird. Offensichtlich diente das Instrument der kurz zuvor eingeführten Begleitung des Gemeindegesangs, der bis 1640 unbegleitet blieb. Erst ab 1640 wurde in Ostfriesland (teils gegen Widerstand) die Orgel zur Liedbegleitung eingesetzt. Das wertvolle Instrument in Westerhusen vereint Elemente aus Gotik, Renaissance und Frühbarock und verschmilzt sie zu einer klanglichen Einheit. Dass nahezu der komplette Pfeifenbestand durch die Jahrhunderte unverändert erhalten geblieben ist, ist fast ohne Parallele.

Disposition seit 1643

Hauptwerk C–c3
Prinzipal 4′[Anm. 1]
Gedackt 8′[Anm. 2]
Quintadena 8′[Anm. 3]
Octave 2′[Anm. 4]
Quinte 11/2[Anm. 5]
Mixtur IV [Anm. 6]
Trompete 8′[Anm. 7]
Pedal C–e
Angehängt
  • Gehäuse und Flügeltüren (original).
  • Windlade (rekonstruiert).
  • Magazinbalg (rekonstruiert).
  • Cimbelstern (Glockenkränze rekonstruiert).
Anmerkungen
  1. Alt, aus gotischer Orgel umgearbeitet.
  2. Alt, von Sieburg.
  3. Alt, aus gotischer Orgel umgearbeitet.
  4. Alt, aus gotischer Orgel umgearbeitet.
  5. Alt, aus gotischer Orgel; weit mensuriert, oben konisch.
  6. Alt, von Sieburg; 4. Chor aus altem Material 1955 rekonstruiert.
  7. Alt, im Bass von Sieburg, im Diskant älter; mit offenen Kehlen und kurzen Bechern.

Technische Daten

  • Sieben Register.
  • Traktur:
    • Tontraktur: Mechanisch.
    • Registertraktur: Mechanisch.
  • Windruck: 76 mmWS
  • Stimmung:
    • Höhe ca. ein Halbton über a1= 440 Hz
    • Mitteltönige Stimmung.

Literatur

  • Rolf Hallensleben: Die Wiederherstellung der frühbarocken Orgel zu Westerhusen. In: Musik und Kirche. Jg. 26, Nr. 3, 1956, S. 124-126. 
  • Ralph Nickles: Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Hauschild Verlag, Bremen 1995, ISBN 3-929902-62-1. 
  • Walter Kaufmann: Die Orgeln Ostfrieslands. Ostfriesische Landschaft, Aurich 1968. 
  • Harald Vogel, Günter Lade, Nicola Borger-Geweloh: Orgeln in Niedersachsen. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-50-5. 
  • Harald Vogel, Reinhard Ruge, Robert Noah, Martin Stromann: Orgellandschaft Ostfriesland. 2 Auflage. Soltau-Kurier-Norden, Norden 1997, ISBN 3-928327-19-4. 

Aufnahmen/Tonträger

  • Harald Vogel: Orgelland Ostfriesland. 1989, Deutsche Harmonia Mundi, HM 939-2, CD (Orgeln in Norden, Uttum, Rysum, Westerhusen, Marienhafe, Weener: Werke von D. Buxtehude, C. Goudimel, Anonymus, J.P. Sweelinck, S. Scheidt, C. Paumann, A. Schlick, A. Ileborgh, P. Hofhaimer, H. Isaac, H.L. Hassler, G. Böhm, J.S. Bach).

Weblinks

53.4124547.18037Koordinaten: 53° 24′ 45″ N, 7° 10′ 49″ O


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