Orgelwerke von Bach

Orgelwerke von Bach

Johann Sebastian Bach gilt als einer der bedeutendsten Orgelkomponisten aller Zeiten. Zum einen sind nahezu alle Form- und Satztypen in seinem umfangreichen Werk anzutreffen, zum anderen weisen viele der Stücke den von ihm geschätzten virtuosen Fugenstil auf.

Die Vielseitigkeit der Orgelwerke Bachs, der über lange Zeit für die Orgel komponierte, stellt Historiker vor viele Fragen. Weiterhin stellen zahlreiche dieser Werke bis heute recht hohe technische Ansprüche an den Organisten, beispielsweise die sechs Triosonaten.


Inhaltsverzeichnis

Die Bedeutung der Orgelwerke Bachs

Die „Werke für Orgel“ sind im Bach-Werke-Verzeichnis (BWV) unter den Nummern 525 bis 771 aufgeführt. Lässt man diejenigen beiseite, die vermutlich nicht von Bach stammen, bleiben etwa 220 Orgelkompositionen – ein Fünftel seines Gesamtwerks. Diese Zahl zeigt die Bedeutung der Orgel für Bach. Instrumentale Choralbearbeitungen, Partiten, Fantasien, Präludien, Fugen, also orgelspezifische musikalische Formen, bildeten von früher Jugend bis ins hohe Alter die Grundelemente seiner Kompositionen.

In seinen Orgelkompositionen wurde Bach besonders von der norddeutschen Orgelschule beeinflusst, also von Komponisten wie etwa Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns und Johann Adam Reincken. Auch andere musikalische Stile, die sein gesamtes Schaffen prägten (wie beispielsweise das italienische Concerto und die höfische französische Verzierungstradition), blieben nicht ohne Einfluss auf sein Orgelwerk.

Bachs Orgelmusik lässt sich zwanglos in zwei Gruppen einteilen, je nachdem, ob ein Choral zugrundeliegt oder nicht. Auch das Bachwerkeverzeichnis nutzt dieses Kriterium zur Untergliederung.

Choralgebundene Orgelmusik

Sammlungen und Zyklen

Ein großer Teil von Bachs Orgelmusik legt eine Choralmelodie zugrunde. Sein Verfahren der Choralbearbeitung, das auf Vorbilder wie etwa Dietrich Buxtehude zurückgeht, führt zu eher kurzen Einzelsätzen, deren Form durch die Abfolge der Choralzeilen bestimmt wird. Bach neigt dazu, mehrere derartige Sätze, die unterschiedliche Choräle verwenden, aber in Anlage und Umfang zusammenpassen, zusammenzustellen.

Ein Beispiel ist das bereits in Weimar begonnene Orgelbüchlein (BWV 599–644), nach Albert Schweitzer das „Wörterbuch der Bachschen Tonsprache“; es umfasst 46 Sätze. Ähnlich angelegt sind die in Leipzig entstandenen Achtzehn Choräle (BWV 651–668) und der Dritte Teil der Clavierübung (hier sind die Choralbearbeitungen eingerahmt von Präludium und Fuge Es-Dur – siehe unten).

Die Sechs Choräle von verschiedener Art (BWV 645–650), unter dem Namen „Schüblersche Choräle“ bekannt, sind zunächst einzeln als Kantatensätze entstanden und später von Bach für Orgel bearbeitet und zusammengestellt worden.

Variationen

In einigen Fällen kombinierte Bach auch mehrere Variationen über den gleichen Choral zu mehrsätzigen „Partiten“, wie etwa die Partite diverse sopra „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ (BWV 768) oder die Canonischen Veränderungen über „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ (BWV 769), das zu Bachs kontrapunktischem Spätwerk zählt.


Freie Orgelmusik

Ein großer Teil von Bachs Orgelschaffen bezieht sich nicht auf einen Choral. Die Mehrzahl dieser Werke folgt der zweisätzigen Struktur aus Präludium und Fuge; in Einzelfällen hat Bach hier das Präludium auch als Fantasie oder Toccata bezeichnet.

Toccata und Fuge

Das möglicherweise bekannteste Orgelwerk überhaupt ist die vielgespielte Toccata und Fuge d-Moll (BWV 565), die entweder ein Jugendwerk Bachs darstellt oder gar nicht von ihm selbst stammt.

Weitere Toccaten sind die Toccata und Fuge in F-Dur (BWV 540), die häufig als „dorische“ Toccata und Fuge bezeichnete BWV 538 (die Tonart ist echtes d-Moll) und Toccata, Adagio und Fuge C-Dur (BWV 564), die im Aufbau der drei Sätze an ein Konzert anspielt.

Präludium und Fuge

Zu den meistgespielten zweisätzigen Stücken zählen das Präludium und Fuge D-Dur (BWV 532), die Fantasie und Fuge c-Moll (BWV 537), und das Präludium und Fuge C-Dur (BWV 547). Bemerkenswert ist auch die harmonisch kühne Fantasie und Fuge g-Moll (BWV 542). Hermann Keller spricht dem h-Moll-Präludium (aus Präludium und Fuge BWV 544), einen „lyrisch-schmerzlichen Grundcharakter“ zu und bescheinigt der Fuge einen interessanten Entwicklungsgang. Unter BWV 572 findet sich die frühe Fantasie G-Dur (auch als „Pièce d'Orgue“ bezeichnet).

Bach selbst zeigte seine Wertschätzung von Präludium und Fuge Es-Dur (BWV 552), indem er es als Teil des Dritten Teils der Clavierübung drucken ließ.

Die Acht kleinen Präludien und Fugen (BWV 553–560) werden heute von der Musikforschung einem von Bachs Schülern zugeschrieben, etwa Johann Tobias Krebs oder dessen Sohn Johann Ludwig Krebs.

Passacaglia und Fuge

Wohl das ambitionierteste zweisätzige Werk Bachs ist die Passacaglia c-Moll (BWV 582). Das achttaktige Bassthema ist Basis von zwanzig Variationen; die Fuge verwendet die Themenhälften als Thema und ersten Kontrapunkt und fügt noch ein zweites Kontrapunktthema hinzu.

Mehrere Sätze

Die Sechs Sonaten (BWV 525–530), die zunächst didaktische Absicht hatten (die musikalische Ausbildung seines ältesten Sohns Wilhelm Friedemann), gelten als ein Höhepunkt dreistimmigen Orgelsatzes und zählen wegen der vollen Integration und Gleichberechtigung des Pedals zu Bachs schwierigsten Werken. Die Kompositionen folgen nicht der viersätzigen Form der Sonata da Chiesa, sondern zeigen schon die modernere, am italienischen Concerto orientierten Folge von drei Sätzen.

Bei den Sechs Konzerten (BWV 592–597) handelt es sich um Bearbeitungen von Instrumentalkonzerten anderer Komponisten, die sich Bach zu Studienzwecken anfertigte.

Notenbeispiele

Literatur

  • Bach-Artikel in: Handbuch Orgelmusik. Bärenreiter/Metzler, 2002, ISBN 3-476-01877-6.
  • Karl Geiringer: Johann Sebastian Bach. Beck, München 1985, ISBN 9783406306570.
  • Sven Hiemke: J.S. Bach. Orgelbüchlein BWV 599-644. Faksimile. Laaber-Verlag, Laaber 2004, ISBN 978-3-89007-570-9.
  • Gunther Hoffmann: Das Orgelwerk Johann Sebastian Bachs. Reclam, Stuttgart 1989, ISBN 3-15-008540-3.
  • Hermann Keller: Die Orgelwerke Bachs. Peters, Leipzig 1948, ISBN 3-87626-039-6.

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