Ornament (Bildende Kunst)

Ornament (Bildende Kunst)
Ornament, sog. Eierstab, an einem Fries der Nikolaikirche Leipzig

Ein Ornament (von lat. ornare, 'schmücken, zieren') ist ein meist sich wiederholendes, oft abstraktes oder abstrahiertes Muster. Man findet Ornamente z. B. als Verzierung auf Stoffen, Bauwerken, Tapeten, etc. Ein Ornament weicht deutlich vom Hintergrundmuster ab und wird häufig farblich oder durch Erhebung abgegrenzt. Bereits in der Steinzeit finden sich Ton-Krüge, die mit Ornamenten verziert sind.

Ornamente können gegenständlich aus Blumen- oder Fantasiemustern gebildet werden. Blumen und Blätterornamente findet man z. B. häufig in Kirchen, Kathedralen, Kreuzgängen und anderen Bauwerken an Säulen oder Erkern, sowie an Decken (Stuck) oder Hauseingängen.

Ornamente können auch abstrakte Formen, etwa traditionelle Clanmuster oder Stammeszeichen beinhalten, um die Zugehörigkeit des Trägers zu verdeutlichen. Besonders häufig kommen sie z. B. in der islamischen Kunst (wegen des dortigen Bilderverbots) als Arabeske vor.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Riga

Ornamente grenzen sich von Bildern im klassischen Sinne dadurch ab, dass ihre narrative Funktion gegenüber der schmückenden Funktion in den Hintergrund tritt. Sie bauen weder zeitlich noch in der räumlichen Tiefe eine Illusion auf. Sie erzählen beispielsweise keine kontinuierliche Handlung und sind auf die Fläche beschränkt. Trotzdem können Ornamente durchaus naturalistisch und plastisch ausgeprägt sein. Es können auch einzelne Gegenstände, z. B. Vasen, ornamental verwendet werden, wenn sie als Hauptfunktion verzieren.

Sehr gegenständliche und plastische Ornamente stehen den abstrakten oder stilisierten gegenüber. Die Stilisierung kann einzelne Elemente oder Formen betreffen oder wie in der Arabeske die Bewegungsführung. Je abstrakter ein Ornament ist, desto stärker erscheint der Grund als eigenständiges Muster.

Neben ihrem Abstraktionsgrad unterscheidet man Ornamente in ihrem Verhältnis zum Träger. Ornamente können akzentuieren (Rosetten), gliedern (Bänder, Leisten in der Architektur), füllen und rahmen. Der Träger kann das Ornament bestimmen oder umgekehrt vom Ornament beherrscht werden. Intensität und Dichte entscheiden zudem über die Beziehung zum Träger.

Ornamente werden nicht nur als Kunstgattung untersucht, sondern auch in ihrer stilgeschichtlichen Entwicklung und v. a. im Rahmen der menschlichen Wahrnehmung. Letztere Herangehensweise versucht, dem Studium der Ornamentik Erkenntnisse der Psychologie zugrundezulegen. Die Faszination des Menschen an einfachen geometrischen Elementarformen wird erklärt mit der Notwendigkeit, aus der Vielzahl der chaotischen Bildreize auszuwählen. Um ästhetisch zu erscheinen müssen Ornamente nach diesem Ansatz außerdem eine gewisse Komplexität mitbringen. Ansonsten werden sie als erwartungskonform aussortiert.

Die Stilgeschichte des Ornaments beschäftigt sich mit der zeitlichen Entwicklung verzierender Motive und ihrer Ausgestaltung und wurde von Alois Riegl Ende des 19. Jh. begründet. Wenn eine andere Kultur ein Motiv übernimmt, so dass es seine ursprüngliche Bedeutung verliert oder verändert, oder wenn Trägermedium bzw. Fertigungstechnik wechseln, etwa für die massenhafte und automatisierte Produktion, entwickeln sich Motive weiter. Verschiedene Kulturen, aber auch örtliche Strömungen stehen dabei in einem Wechselspiel und beeinflussen sich gegenseitig. Manchmal sind bestimmte Ausprägungen eines Ornaments so typisch für eine Epoche, einen Ort oder sogar einen einzelnen Künstler, dass sie zur Bestimmung herangezogen werden.

Die Diskussion um Ornamente wurde immer wieder bestimmt durch das Prinzip des Decorum, das angewendet auf die Ornamentik aussagt, ob etwa der Ort oder die Ausgestaltung passen. Dazu gehört, ob ein Ornament als kitschig oder überladen aufgefasst wird. Was eine Gesellschaft als passend empfindet, hängt stark von ihren Normen ab. Da Verzierungen den vielleicht geringen Wert oder die Funktionalität ihres Trägers überdecken können, wurde in der Geschichte im Namen natürlicher Schönheit (Anmut) häufig eine nüchterne, sozusagen klassische Ornamentik gefordert.

Neben der Kunst tritt das Ornament in der Musik als evtl. frei improvisierte Verzierung auf oder in der Rhetorik, wo man darunter eine übertrieben bildhafte oder rhythmische Sprache versteht. Darüber hinaus tauchen ornamentale Elemente auch in der klassischen Malerei auf, etwa im rhythmischen Faltenwurf von Stoff oder in der gewundenen Darstellung von Figuren.

Epochenüberblick

Ornament aus dem 16. und 17 Jahrhundert

Altertum

Alter Orient

Im Nahen Osten reichen einfache geometrische Verzierungen bis zu 10.000 Jahre zurück, erhalten auf Werkzeugen, Tongefäßen oder Höhlenwänden. Palmette und Rosette, Spiral- und Linienmuster werden schon mehrere Jahrtausende v. Chr. zur Verzierung verwendet. Zwei in Altägypten weit verbreitete Pflanzenmotive sind der Lotus in seinen Ausprägungen als Blatt, Knospe oder als Blüte und der Papyrus als Blüte. Daneben umfasst die ornamentale Motivik in Altägypten u. a. Tiere (z. B. Bukranien), Menschen, Schriftzeichen und geometrische Muster. Die Motive werden gereiht, alterniert oder mit Linien (z. B. Spirallinien) verbunden. Zu weiteren Motiven, die schon vor der klassischen Antike Verbreitung finden, gehören Pinienzapfen und Granatapfel.

Klassische Antike

In der griechischen Antike entwickeln sich Rankengeschlinge und -füllung, sowie Akanthus und Palmette zu ihrer klassischen Form. Es entstehen Ausprägungen wie Halbpalmette und umschriebene Palmette, sowie als verbindendes Element die freie Wellenranke, die sich später auch räumlich entfaltet. Im Gegensatz zur altägyptischen Ornamentik ordnet man die Motive nicht nur streng rechtwinklig sondern durchaus diagonal an. Ornamente sieht man in ihrem Verhältnis zum Inhalt, z. B. als Rahmen für Darstellungen auf Vasen. Relativ früh kommt das Efeublatt, später das Akanthusblatt als Ornament auf, letzteres in Verbindung mit der korinthischen Ordnung (vgl. Säulenordnung und Kapitell).

Im Hellenismus und der römischen Antike zeigen sich v. a. im Westen räumlich-naturalistische Tendenzen in der Ornamentik; es häufen sich Menschen- und Tierdarstellungen (Putten, Phantasiewesen oder Vögel). Die Spätantike führt einerseits zu einer weiteren Naturalisierung und üppigen Flächenfüllung, was v. a. der Darstellung von Reichtum dienen soll. Jedoch werden die Motive oft relativ frei, fast stilisiert verwendet. Beispielsweise kommt das unfreie Akanthusblatt auf, dessen verbindende Ranke sich an seiner Spitze fortsetzt. Besonders im Osten entwickelt sich ein eher abstrakter Stil. Weitere für die römische Antike typische Motive sind Lorbeer, Weintrauben und -blätter. Die Säule verliert ihre ausschließlich lasttragende Funktion und wird ornamental eingesetzt.

Europa

Gotik

Die Schwarze Pforte des Basler Münsters mit Rosette

Der Kathedralen- und Dombau beeinflusst neben der Architektur auch die Ornamentik der Gotik. Die für den Stil wegweisende Kathedrale Notre-Dame de Paris zeigt mit ihren stirfeln Fensterrose ein typisches ornamentales Motiv der Epoche, die Rosette. Darüber hinaus prägt v. a. das Maßwerk die gotische Ornamentik. In der Spätgotik entwickelt sich dann der Flamboyant-Stil, der sich durch den Einsatz flammenförmiger Fischblasen auszeichnet, die oft zusammengesetzt verwendet werden (z. B. im Dreischneuß).

Renaissance

Für Leon Battista Alberti spielt das Ornament eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Definition des Begriffes Schönheit (pulcritudo). Die Schönheit, so Alberti, ist ein idealer Zustand, in dem dem Gebäude nichts entfernt oder hinzugefügt werden kann, ohne daß die Schönheit dadurch gemindert würde. Da dieser Zustand in der Wirklichkeit nicht erreicht wird, wird auf das Ornament von außen auf das Gebäude aufgebracht, um die Vorzüge des Gebäudes zu unterstreichen und die Mängel zu verbergen (Alberti: de re aedificatoria, Venedig 1485, Buch VI, Kap2).

Die wichtigste Anwendung dieses dualistischen Schemas von Schönheit und Ornament findet sich im Theaterwandmotiv, das in der Renaissance zum wichtigsten Gliederungsschema für Gebäudeaufrisse wurde.

Neuzeit

Ornamentik an der Pauluskirche in Bern

In der aktuellen Designentwicklung spielt das Ornament eine immer größere Rolle.

Als anthropologische Konstante ist es im Rahmen der Globalisierung von Kommunikationsprozessen als kulturübergreifend nutzbares, grafisches Element in die Moderne zurückgekehrt. Als Protagonisten einer Wiederbelebung des Ornaments im Kommunikationsdesign anfangs des 21 Jahrhunderts gilt u. a. die Pixel-Art -orientierte Welt von eboy, das in Hong Kong von Joathan NG gestaltete Magazin Idn, Webapplikationen von Yugo Nakamura, Tokyo, oder das Erscheinungsbild der Weltleitmesse Tendence Lifestyle / Messe Frankfurt von Heine/Lenz/Zizka (Frankfurt am Main).

Kritik am Ornament

In der Architektur und dem Produktdesign der Moderne entwickelte sich eine weitverbreitete Skepsis und Ablehnung gegenüber dem Ornament. Propagiert wurde statt dessen die Formel „Form follows Function“. Besonders populär wurde die Schrift von Adolf Loos „Ornament und Verbrechen“, in der er die Verwendung von Ornament und Dekor geißelte und als überflüssig darstellt.

Besondere Ornamente

Siehe auch

Literatur

  • G. Bandmann: Ikonologie des Ornaments und der Dekoration. In: Jahrbuch der Ästhetik und allgemeinen Kunstwissenschaft 4, 1958/59
  • Günter Irmscher: Kleine Kunstgeschichte des Europäischen Ornaments seit der Frühen Neuzeit (1400–1900). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984, ISBN 3-534-08819-0.
  • Franz Sales Meyer: Handbuch der Ornamentik. Seemann, Leipzig 1927, Nachdr. Seemann, Leipzig 1986.
  • A. Péquégnot: Ornamente im Laufe der Jahrhunderte. 150 Ornamentstiche von der Renaissance bis zum Biedermeier, Paris 1875, Nachdruck: Wuppertal 1976.
  • Karl Scheffler: Meditationen über das Ornament. In: Dekorative Kunst. Nr. 8, 1901, S. 397–407 (Webrepro). 
  • Claudia Weil, Thomas Weil: Ornament in Architektur, Kunst und Design. Callwey Verlag, München 2006, ISBN 3-7667-1619-0.
  • Zauber des Ornaments. Ausstellungs- u. Bestandskatalog des Kupferstichkabinetts des Staatl. Mus. zu Berlin, Berlin 1969.

Weblinks


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