Oscar Orth

Oscar Orth

Oscar Orth (* 15. Juni 1876 in Saarbrücken-Ensheim; † 19. August 1958 ebenda) war ein Chirurg und Leiter des Landeskrankenhauses in Homburg/Saar, dem späteren Universitätsklinikum des Saarlandes. Er geriet Jahre nach seinem Tod wegen einer möglichen Beteiligung an nationalsozialistischen Verbrechen (Zwangssterilisationen am Landeskrankenhaus Homburg/Saar) in die öffentliche Diskussion.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Orth studierte nach dem Abitur (1896) in München, Berlin und Heidelberg Medizin. 1901 legte er in Heidelberg Staatsexamen und Promotion ab. Nach der Assistenzarztzeit in Ludwigshafen und Heidelberg ließ er sich 1905 als praktischer Arzt in Ensheim nieder. Gleichzeitig übernahm er die Leitung des Betriebskrankenhauses einer örtlichen Fabrik, das auch für die Versorgung der Stadt Ensheim zuständig war. 1912 wurde er leitender Arzt des Krankenhauses Forbach/Lothringen. Während des 1. Weltkrieges war er dort als Stabsarzt im als Kriegslazarett umgewidmeten Krankenhaus tätig. 1918 bis 1920 arbeitete Orth wiederum als Assistenzarzt in Heidelberg und an der chirurgischen Universitätsklinik Halle an der Saale. Von 1920 bis 1922 leitete er als Chirurg das städtische Krankenhaus in Landau (Pfalz). 1922 wurde er zum Leiter des neu gegründeten Landeskrankenhauses in Homburg/Saar berufen und blieb dort bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1947. Bis zu seinem Tod lebte Oscar Orth in seiner Geburtsstadt.

Die Stadt Homburg/Saar stiftete 1980 einen nach Oscar Orth benannten mit 10.000 DM dotierten Wissenschaftspreis, der heute als „Wissenschaftspreis der Stadt Homburg“ mit 5.000 Euro dotiert ist.

NS-Zeit

Im Landeskrankenhaus Homburg wurden von Ende 1935 bis September 1939 Zwangssterilisationen an geistig behinderten Menschen durchgeführt. Im Zuge der Entnazifizierung wurde Orth am 15. August 1946 von seinem Lehrauftrag entbunden und am 1. Januar 1947 emeritiert.

1993 veröffentlichte der Historiker Christoph Braß eine Magisterarbeit zu den Zwangssterilisationsverfahren im Saarland. Er ging besonders auf die Verantwortung Orths (in seiner Funktion als leitender Arzt des Homburger Landeskrankenhauses) für dieses nationalsozialistische Verbrechen ein. Später befasste sich auch der saarländische Landtagssausschuss für Wissenschaft und Kultur mit diesem Problem. In der Saarbrücker Zeitung vom 5./6. März 1994 teilte der damalige Kultusminister Breitenbach mit, dass bei stichprobenartigen Auswertungen von 46 Patientenakten ein Fall nachgewiesen werden konnte, bei dem Oscar Orth selbst eine Zwangssterilisation durchgeführt habe. Oscar Orth war nach den hierzu in der Tageszeitung veröffentlichten Recherchen kein Mitglied der NSDAP.

Laut der Saarbrücker Zeitung vom 21. August 2001 hat eine Nachfrage beim Bundesarchiv ergeben, dass Orth seit dem 1. Juni 1936 Mitglied (Mitgliedsnummer 690 9753) der NSDAP gewesen ist und seit dem 26. November 1941 der Reichsärztekammer angehörte.[1]

Ehrungen und Diskussionen

Die Gemeinde Ensheim verlieh ihrem verdienten Arzt schon 1930 die Ehrenbürgerschaft. In einer Feierstunde am 15. Juni 1946 wurde ihm die Ehrenbürgerwürde offiziell verliehen. Am 19. April 1948 beschloss der Gemeinderat Ensheim einstimmig, eine Straße nach Orth zu benennen. 1957 wurde Oscar Orth das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.[2] Die Stadt Homburg benannte die Hauptstraße der Universitätsklinik und ihren Wissenschaftspreis nach dem ehemaligen ärztlichen Leiter der Klinik.

Nachdem das öffentliche Interesse an Orths Rolle bei den Zwangssterilisationen erwacht war, wurde auch über Orths Ehrungen diskutiert. 1993 änderte die Stadt Homburg den Namen des Oscar-Orth-Preises in „Wissenschaftspreis der Stadt Homburg“. 1997 wurde die Adresse der Universitätsklinik von „Oscar-Orth-Straße“ in „Kirrberger Straße“ geändert, 2001 wurde auch die Oscar-Orth-Straße in Ensheim zur „Alten Spitalstraße“ umbenannt. Orths Ehrenbürgerschaft ist mit seinem Tod erloschen.

Orths persönliche und ärztliche Haltung zur Zwangssterilisation lässt sich nicht rekonstruieren. Andererseits aber hat er seine geachtete Stellung nicht genutzt, um die ihm als Arzt anvertrauten Patienten vor einem verbrecherischen Eingriff zu schützen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Saarbrücker Zeitung zitiert nach ensheim-saar.de
  2. Die Debatte um die Oskar-Orth-Straße in Ensheim

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