Assassinen

Assassinen
Burg Masyaf, Burghof
Burg Masyaf, Gesamtansicht
Burg Masyaf, Supraporte

Die aus einem Streit um die Erbberechtigung zweier ismailitischer Prinzen hervorgegangenen Assassinen (über den umgangssprachlichen Plural ḥašīšiyyīn von arabisch haschisch / ‏حشيش‎ / ḥašīš /‚Kräuter, Gräser, Hanf‘ (Cannabis sativa)) waren eine legendenumwobene militante ismailitische Sekte des orientalischen Mittelalters, die durch Berichte von Kreuzfahrern und später durch Reisende wie Marco Polo in Europa bekannt wurde. Dieser schildert sie als Sekte, die Haschisch konsumiert, orgiastische Feste feiert und Dolch- und Giftmorde an hochgestellten Persönlichkeiten verübt. Polo hielt sich jedoch mit den Quellen vage und gab nach heutiger wissenschaftlicher Einschätzung überwiegend seinerseits gehörte Erzählungen wieder. Die Zeit des Wirkens der Assassinen wurde in der Folgezeit auf die Jahre zwischen 1080 und 1270 eingegrenzt.

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff Assassine

Der Name Assassine geht vermutlich auf den der Sekte zugeschriebenen, jedoch nicht nachgewiesenen, regelmäßigen Konsum von Haschisch nach Kreuzzügen zurück. Es ist aber auch möglich, dass das Wort ein in der damaligen Zeit in Syrien gebräuchlicher herabwürdigender Begriff war oder dass es als allgemeine Bezeichnung für „Entrückte“ stand. Ursprünglich wurden nur die in Syrien ansässigen Angehörigen der sufischen Sekte der Asasin ("Die Menschen der Grundfeste, die Fundamentalen") und erst später alle Angehörigen der Religionsgemeinschaft so genannt. Dschingis Khans Enkel Hülägü rottet in Feldzügen von 1255 bis 1258, mit denen er das gesamte iranische Hochland erobert, die Assassinen aus.

Marco Polo berichtet über Hasan-i Sabbah (auch "Großer Assassin" oder "Alter Mann vom Berg", vermutlich eine fehlerhafte Übersetzung seines usurpierten Titels Scheich al-Dschabal = Meister der Berge), der im elften Jahrhundert einen der Zweige der Asasin übernommen hatte, dass er junge Männer mit Opium betäubte und dann in eine an die Burg Alamut angeschlossene Gartenanlage brachte. Dort, bei guter Bewirtung und Betreuung durch Frauen, erging es ihnen wie im vom Propheten Mohammed versprochenen Paradies. Schließlich wurden sie wiederum betäubt und zum Burgherrn Sabbah gebracht, der sie zu Fida'i ausbilden ließ. Nur durch ihren heldenhaften Tod, so die Erzählung, sollten sie zurück ins Paradies kommen.

Das Englische und verschiedene romanische Sprachen haben das Verb für den Meuchelmord aus dem Vorgehen der Assassinen abgeleitet: englisch „to assassinate“, italienisch „assassinare“, französisch „assassiner“, spanisch „asesinar“, portugiesisch „assassinar“, katalanisch „assessinar".

Vorgehensweise und Opfer der Assassinen

Die Assassinen setzten als hauptsächliches Kampfmittel den politischen Mord an Herrschern ein. Tatwaffe war der Dolch. Die Attentäter sahen sich als Märtyrer und nahmen den eigenen Tod in Kauf. Für ihre Zeitgenossen war es unverständlich, dass sie nach dem Mord keinen Fluchtversuch unternahmen und sich der Rache von Anhängern des Ermordeten aussetzten.

Die Assassinen handelten gemäß einer starken ideologischen Überzeugung. Sie wollten den Gottesstaat wiederherstellen, also die islamische Grundordnung, wie sie der Prophet Mohammed hinterlassen hatte. Die derzeitige Ordnung war ihrer Ansicht nach von Tyrannen usurpiert worden. Ihre Hauptgegner waren die autokratischen seldschukischen Herrscher im 12. und 13. Jahrhundert.

Die meisten Opfer der Assassinen waren sunnitische Muslime, darunter prominente Persönlichkeiten wie Nizam al-Mulk. Auch Saladin war das Ziel mehrerer erfolgloser Anschläge. Christen blieben bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts weitgehend verschont, bis auf Konrad von Montferrat, König von Jerusalem, der möglicherweise auf Veranlassung von Richard Löwenherz ermordet wurde.

Hintergrund

Nach dem Tod des Propheten Mohammed 632, der weder einen Nachfolger benannt noch eine Prozedur zu dessen Bestimmung hinterlassen hatte, wurden seine Nachfolger willkürlich durch islamische Interessengruppen bestimmt und erhielten den Titel Kalif (Chalifa = Nachfolger). Der erste Kalif wurde Abu Bakr. Ein Teil der Gläubigen hielt allerdings den Schwiegersohn Mohammeds, Ali, für seinen rechtmäßigen Nachfolger. Aus dieser Gruppe, der Partei Alis (Schiatu Ali), entstanden die Schiiten, die bis heute existieren.

Die in viele verschiedene Sekten zersplitterten Schiiten kämpften für einen idealen Staat, in dem Staat und Religion eine Einheit bilden sollten. In den Kämpfen um die Herrschaft in den folgenden Jahrhunderten bestimmten zwei zentrale Figuren die schiitische Sekte:

  • Der Imam, der Führer und Lehrer, zudem direkter Vermittler zwischen Allah und der Gemeinde, durch göttliche Einwirkung vor Sündhaftigkeit und Irrtümern bewahrt. Nach schiitischer Auffassung ist es seine Bestimmung, die Tyrannen zu stürzen und einen gerechten Gottesstaat einzurichten. Einige Abspaltungen innerhalb der Schia setzten das verklärte Imamat der Wiederkehr des Mahdi, eines apokalyptischen Messias, gleich, der die Endzeit verkünden und die Armen und Unterdrückten erlösen werde.
  • Zum anderen der Dai, ein Propagandist, der die Botschaft des Imam verkündet, das unterdrückte Volk um diesen sammelt und die Bewegung organisiert.

Gründung

Die Rolle des Imams und dessen direkte Abstammung von Mohammed erlangten für die Schiiten immer größere Bedeutung. Als Ismail nach dem Tod seines Vaters, des 6. Imams, enterbt wurde, spalteten sich um 770 dessen Anhänger von den Schiiten ab und nannten sich fortan Ismailiten. Ihr radikalster Teil wurden die Assassinen.

Allmählich entstand so eine Sekte, die sich durch strenge Organisation und starken inneren Zusammenhalt auszeichnete. Geistiger Führer dieser Gemeinschaft war ein Imam. Die Ismailiten arbeiteten im Verborgenen, und sahen neben der wörtlichen Botschaft des Koran eine tiefere, verborgene Botschaft, die durch Gelehrte den einfachen Menschen offenbart werden sollte. So entstand gerade in den Anfängen der Glaubensgemeinschaft eine scholastische Verbindung von griechischer Philosophie und islamischer Mystik (Sufismus).

Zudem verbreiteten sich in ihr mit der Zeit einige charidschitische Elemente. Ein Großteil der Bewegung hielt jeden moralisch und religiös tadellosen Gläubigen, gleich welchen Standes, selbst einen Sklaven, für berechtigt, das Amt des Imams auszuüben. Sie glaubten, dass dieser demokratisch von allen Gläubigen bestimmt werden sollte. So rekrutierte sich die Sekte zum einen aus den gebildeten Schichten, zum anderen aus den städtischen Handwerkern und Arbeitern.

Je schwächer das Kalifat wurde, desto mehr erstarkten die Ismailiten. Dies führte schließlich zu der Entstehung eines ismailitischen Reiches in Nordafrika im 10. Jahrhundert, dem Fatimidenreich. Es hielt sich knapp 200 Jahre, bis 1171. Bereits um 1100 war der Kalif ohnehin nur noch eine Marionette der jeweiligen despotischen Herrscher geworden.

Die Ismailiten in Persien

Im ausgehenden 11. Jahrhundert begann Hasan-i Sabbah (* ca. 1034 in Qum, Persien; † 1124), ein herausragender Propagandist (da'i) in Nordpersien zu missionieren. Er reiste 1081 nach Isfahan und in die Hochgebirgsregion Dailam. Dort fielen seine religiösen Ansichten auf fruchtbaren Boden. Er konnte eine Vielzahl von Anhängern gewinnen und ein eigenes Territorium mit mehreren Burgen unter seine Herrschaft bringen. Die Burg Alamut wurde zu seinem Hauptsitz. Er geriet in Konflikt mit den seldschukischen Herrschern, 1092 wurde eine erste Militärexpedition gegen die Ismailiten in Bewegung gesetzt. Aus diesem Jahr ist der erste politische Mord durch die Ismailiten überliefert. Ein Fida'i (Geweihter) erdolchte am 17. Oktober den seldschukischen Wesir Nizam al-Mulk.

Die Herrschaft der Ismailiten in Persien wurde 1256 durch die Mongolen beendet. Hülägü Khan, ein Enkel von Dschingis Khan, verhandelte zunächst noch mit dem Oberhaupt der Sekte Rukn ad-Din Hursah, um seine Kräfte nicht bei der Belagerung der Assassinenburgen zu verschleißen. Die Burgen, unter anderen die Hauptburg Alamut wurden genommen und zerstört. Dabei verbrannte die umfangreiche Bibliothek mit naturwissenschaftlichen Schriften. Der Sekretär des Khans konnte jedoch drei Bücher mitnehmen, darunter die Biografie Hassan-i-Sabbahs, die er seinem Bericht über die Eroberungen des Khans anfügte. Aus diesen Quellen und den daraus resultierenden Erzählungen könnte Marco Polos Bericht über die Assassinen stammen.

Unter dem Vorwand, die wehrhaften Männer zu erfassen, ließ der mongolische Statthalter die Assassinen zusammenkommen und angeblich sehr viele von ihnen ermorden.

Die Assassinen in Syrien

Um 1100 begann von Persien aus die Missionierung Nordsyriens, wo ismailitische Sekten bereits gut etabliert waren. Die staatliche Zersplitterung und der Schock der Eroberung durch die Kreuzritter machten die Menschen empfänglich für eine messianische Ideologie. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es den Ismailiten, einige Burgen zu kaufen oder sich anzueignen, so dass sie im Gebirgszug des Dschebel Aansariye ein eigenes Herrschaftsgebiet aufbauen konnten. 1140 konnten die Assassinen ihren Hauptsitz, die Burg Masyaf, erobern.

Um 1150 wurde der berühmteste Assassine, der so genannte „Alte vom Berge“ Raschid al-Din (1133–1193), Machthaber in Masyaf. Er konnte durch eine erfolgreiche Schaukelpolitik zwischen Saladin und Kreuzfahrern die Stellung der Assassinen in Syrien weiter konsolidieren.

Um 1230 hatten die Assassinen als territoriale Herrscher allgemeine gesellschaftliche Anerkennung erreicht. Das zeigt sich unter anderem daran, dass sie offiziell Tribut an den Johanniterorden zahlten.

Die Machtübernahme durch den Mamlukensultan Baibars in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts änderte die Verhältnisse. Baibars wollte keine unabhängige Sekte, die sich eventuell gegen ihn wenden könnte, in seinem Reich dulden. Schon 1260 setzte er einen seiner Generäle als Lehnsherrn des Assassinengebietes ein. 1271 war seine Herrschaft so gefestigt, dass die Assassinenführer ihre Burgen übergeben mussten und gezwungen werden konnten, in Zukunft an Baibars Hof zu leben. Damit war die Assassinenherrschaft de facto beendet.

In den Medien

  • Das ZDF hat 2003 in der Terra-X-Reihe einen aufwendigen Dokumentarbeitrag über die Assassinen produziert.[1]
  • In dem von Piranha Bytes produziertem PC-Rollenspiel Gothic 3 gibt es ein Wüstenvolk mit dem Namen Assassinen.
  • Das Computerspiel Venetica handelt von einer Kriegerin, die gegen Assassinen kämpfen muss.
  • In Dan Browns Thriller Illuminati ist ein Assassine für die Morde an den vier Kardinälen verantwortlich.
  • Auch an die Thematik rund um die Assassinen angelehnt sind Kapitel des Buches Das Buch von Eden von Kai Meyer.
  • Die Gründung der Assassinen durch Hasan-i Sabbah ist Inhalt einiger Kapitel im Buch Samarkand von Amin Maalouf.
  • Der Roman Tigersöhne von Alexander Giese handelt vom Assassinen Omar Khayyám.
  • In Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen gibt es die Gilde der Assassinen, eine Handwerkergilde, die Berufsmörder ausbildet.
  • Das Computerspiel Baphomets Fluch handelt von einer von einem Assassinen durchgeführten Mordserie an Tempelrittern.
  • Die Romane des Autors Peter Berling behandeln mehrfach das Thema der Assassinen. Beispiele sind die fünf Bände des Grals-Zyklus und Das Paradies der Assassinen.
  • In der Verfilmung Prince of Persia: Der Sand der Zeit werden Assassinen ausgeschickt, um den Dolch der Zeit zu stehlen.
  • In vielen Online-Rollenspielen wie z. B. Guild Wars gibt es die Assassinen als eine Art hinterhältiger Schurken.
  • In den Büchern Die Templerin, Der Ring des Sarazenen und Die Rückkehr der Templerin von Wolfgang Hohlbein spielen die Assassinen eine wichtige Rolle.
  • Ernst Wilhelm Heine: Das Halsband der Taube. Albrecht Knaus 1994, ISBN 978-3-442-72000-2
  • In der US-Serie The Borgias trägt die zweite Folge der ersten Staffel den Titel The Assassin.
  • Der deutsche Rapper Azad veröffentlichte im Jahr 2009 ein Album mit dem Titel Assassin.
  • Das Computerspiel Assassin’s Creed handelt im Jahre 1191 von dem Assassinen Altaïr Ibn La-Ahad, welcher neun Tempelritter töten muss, um sich den Rang eines Assassinen zurückzuverdienen. Der Nachfolger Assassin’s Creed II handelt im Jahre 1476 von dem Assassinen Ezio Auditore da Firenze, einem italienischen Edelmann, der Rache an den Templern nimmt, welche seine Brüder und seinen Vater getötet haben. Desmond Miles, der in der Gegenwart lebt, ist ein Nachfahre von beiden. Dessen Ableger Assassin’s Creed Brotherhood handelt im Jahre 1500 ebenfalls von dem Assassinen Ezio Auditore da Firenze, welcher die Stadt Rom von der Herrschaft der Borgia-Familie befreien will.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Terra X: Todesboten aus Alamut – Der Geheimbund der Assassinen

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  • Assassinen —   [arabisch »Haschischraucher«], die wohl erst später üblich gewordene Bezeichnung eines im 11. Jahrhundert von den schiitischen Ismailiten abgespaltenen Geheimbundes, der nach zeitgenössischen Quellen 60 000 Anhänger (arabisch »fidaijun«) hatte; …   Universal-Lexikon

  • Assassinen — Assassinen, Bilsenkrautesser, ist ein aus Haschischim, Bilsenkraut, verstümmelter Name, und bezeichnet eigentlich eine muhamedanische Secte, welche 1090 in Syrien von Hassan Ben Sabbah gegründet wurde, und deren Glieder auf Meuchelmord ausgingen …   Damen Conversations Lexikon

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  • Assassinen — Assassīnen (ursprünglich Haschschâschîn, d.i. dem Haschisch Frönende), Name eines Zweigs der schiitischen polit. religiösen Sekte der Ismaïliten in Persien und Syrien, deren Stifter Hasan ibn Sabbah seit 1090 von seinen Anhängern in der Burg… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Assassinen — Assassinen, ein Zweig der Sekte der Ismaeliten (s. Ismaeliten) von Hassanben Sabbah el Homairi im Anfange des 11. Jahrh. gestiftet. Er hatte in seinem Vaterland Persien großen Anhang gefunden; 1108 überrumpelte er das Schloß Alamat in der Prov.… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Assassine — Burg Masyaf, Burghof Burg Masyaf, Gesamtansicht …   Deutsch Wikipedia

  • Haschischin — Burg Masyaf, Burghof Burg Masyaf, Gesamtansicht …   Deutsch Wikipedia

  • Hashishin — Burg Masyaf, Burghof Burg Masyaf, Gesamtansicht …   Deutsch Wikipedia

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