Otto Kumm

Otto Kumm
Otto Kumm (März 1943) in der Uniform eines SS-Obersturmbannführers. Propagandafoto von Friedrich Zschäckel[1]

Otto Kumm (* 1. Oktober 1909 in Hamburg; † 23. März 2004 in Offenburg)[2] war ein deutscher SS-Brigadeführer der Waffen-SS. Als solcher kommandierte er im Zweiten Weltkrieg SS-Einheiten an verschiedenen Kriegsschauplätzen Ost- und Südosteuropas. 1944-45 war er Kommandeur der an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligten 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“.[3] Kumm war einer der Gründer der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V. (HIAG) [4]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Otto Kumm wurde 1909 in Hamburg als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nach Abschluss der Oberrealschule machte er vom 1. April 1925 bis zum 31. März 1929 eine Lehre und arbeitete sodann fünf Jahre als Schriftsetzer.

Aufstieg bei der SS

Charkow (Februar-März 1943), Waffen-SS vor brennendem Haus. Propagandafoto von Friedrich Zschäckel

Otto Kumm trat am 1. Dezember 1931 mit der Mitgliedsnummer 421.230 in die NSDAP ein und wurde noch im selben Monat als SS-Mann in die SS aufgenommen. Am 1. April 1934 trat er im Range eines SS-Sturmführers als Freiwilliger in die im Aufbau befindliche SS-Verfügungstruppe ein und diente bei der I./SS-Standarte „Germania“ in Hamburg. Im August 1934 wurde er Führer der Politischen Bereitschaft Hamburg. Inzwischen SS-Obersturmführer, wurde er im Juli 1935 Chef der 4. (MG-)Kompanie der Standarte. Im September 1936 erfolgte die Ernennung zum SS-Hauptsturmführer. Ab Dezember 1936 diente er als Chef der 2. Kompanie der SS-Standarte „Deutschland“ in München.

Im März 1938 wurde Otto Kumm Kompaniechef in der in Klagenfurt liegenden SS-Standarte „Der Führer“ und nahm mit dieser 1939 am Polenfeldzug teil. Im April 1940 übernahm er eine schwere Kompanie der Standarte, mit der er im Westfeldzug in Holland einmarschierte. Während der Kämpfe wurde er zum Kommandeur des III. Bataillons ernannt. Am 1. Oktober 1940 wurde er zum SS-Sturmbannführer befördert. Im Frühjahr 1941 nahm Kumm mit seinem Bataillon als Teil der SS-Division „Reich“ (mot.) während des Balkanfeldzugs am Angriff auf Jugoslawien teil. Anfang Juni erfolgte die Bereitstellung für den Angriff auf die Sowjetunion im Raum Lublin. Am 12. Juli 1941 übernahm er von Georg Keppler die Führung des SS-Regiments „Der Führer“.

Das SS-Regiment "Der Führer" unter Obersturmbannführer Otto Kumm sollte ab Januar 1942 in der Schlacht von Rschew eine dünne Barriere, die eine Verbindung mit benachbarten Heeresverbänden sicherte, halten. Von den 2.000 Mann, die Kumm unterstellt waren, überlebten 35.[5]

v.l.n.r. Sylvester Stadler, Hans Weiß, Christian Tychsen, Otto Kumm, Vinzenz Kaiser und Karl-Heinz Worthmann in der Sowjetunion (April 1943); Propagandafoto von Friedrich Zschäckel

Zum nächsten Kampfeinsatz Kumms mit seinem Regiment kam es, als nach der Schlacht von Stalingrad Anfang 1943 der Zusammenbruch der südlichen Ostfront drohte. Die Division „Das Reich“ wurde als Teil des mittlerweile aufgestellten SS-Panzerkorps an den bedrohten Frontabschnitt verlegt und nahm an der Schlacht um Charkow teil. Noch im gleichen Monat gab er sein Kommando an Sylvester Stadler ab und kehrte nach Deutschland zurück.

Im Juli 1943 wurde Kumm zum Chef des Stabes des in Aufstellung befindlichen V. SS-Gebirgs-Korps unter Artur Phleps ernannt. In dieser Funktion war er ab Oktober 1943 im Krieg gegen die Tito-Partisanen in Bosnien tätig. Am 30. Januar 1944 erfolgte unter gleichzeitiger Beförderung zum SS-Oberführer die Ernennung zum Kommandeur der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“, die ebenfalls im besetzten Jugoslawien im Einsatz war.

Am 28. März 1944 brachte die SS-Division „Prinz Eugen“ im Raum Knin die Einwohnerschaft mehrerer Dörfer - darunter Otok bei Sinj - um. Der kroatische Außenminister Stijepo Perić protestierte in Berlin, die Bewohner seinen in den Häusern zusammengetrieben und durch die Fenster mit Maschinengewehren erschossen worden.[6] Beim 7. Nürnberger Prozess gegen die Kriegsverbrecher wurde die Zahl der Opfer vom 28. März 1944 mit 2.014 Toten in 22 Dörfern beziffert. Männer, Frauen und Kinder wurden hiernach regelrecht niedergemetzelt, die Dörfer geplündert.[7][8].

Am 9. November 1944 stieg Otto Kumm zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS auf. Mit der „Prinz Eugen“ war er schließlich dazu gezwungen, sich in Richtung Ungarn zurückzuziehen.

Vom 6. bis zum 16. März 1945 nahm Otto Kumm als Kommandeur der 1. SS-Panzer-Division Leibstandarte-SS Adolf Hitler (LSSAH) an der Operation Frühlingserwachen teil, der letzten größeren deutschen Offensive des Zweiten Weltkriegs im Bereich des Plattensees, welche u.a. die dortigen Ölquellen und Treibstoffreserven für die deutsche Kriegswirtschaft sichern sollte. Trotz anfänglicher Geländegewinne blieb die Operation erfolglos. Die 6. SS-Panzerarmee unter Sepp Dietrich und die LSSAH unter Otto Kumm mussten sich in Richtung Wien zurückziehen.

Nach 1945

Nach seiner Gefangennahme wurde Kumm laut eigenen Angaben in das Internierungslager Dachau der US-Armee überstellt und daraufhin über ein halbes Jahr hinweg in Nürnberg als Zeuge im Prozess Generäle in Südosteuropa verhört, dann aber nach Dachau zurückgeschickt. Der Auslieferung an Jugoslawien entzog er sich nach eigener Darstellung durch Flucht über die Mauer des Internierungslagers Dachau.[9]

Am 1. Januar 1949 wurde in Hamburg eine ca. 50 Personen starke „Kameradschaftsgruppe der Waffen-SS“ gegründet. Vermutlich ab September 1950 firmierte diese als „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit (HIAG)“, Kumm wurde ihr erster Vorsitzender.[10] Diese Bezeichnung wurde von anderen SS-Veteranengruppen aufgegriffen.[11] Zu Kumms Strategie gehörte es, die HIAG-Gruppen zunächst auf einem informellen Charakter zu belassen, um eine vollständige Integration in einen zukünftigen Soldatenverband zu ermöglichen.[12] Nach Scheitern dieser Strategie und Austritten aus der HIAG erfolgte die Gründung des Bundesverbandes 1959.[13]

Nach dem Krieg wurde Kumm Produktionsleiter in einer Druckerei.

Kumm verfasste zwei Bücher über die „Prinz Eugen“, die im Munin-Verlag erschienen. Dieser war im Dezember 1958 von Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS aus dem Umfeld der HIAG gegründet worden[14] und wurde im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht 2008 als rechtsextremistisch eingestuft.[15] In diesen Büchern werden die Kriegsverbrechen und Gräueltaten der Division unterschlagen.[16] Übergriffe auf die Zivilbevölkerung durch die 7. Gebirgs-Division „Prinz Eugen“ waren Kumm vor 1945 bekannt, wie seine Aktennotiz über ein Gespräch mit Heinrich Himmler am 28. Juni 1943 belegt.[17]

Kumms „Vorwärts, Prinz Eugen!“ wurde 2007 als Lizenzausgabe[18] neu aufgelegt im Winkelried Verlag, der unter anderem vom Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern als rechtsextremistisch eingestuft wird.[19][20][21] Walter Manoschek zählt in einer Publikation des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr Kumms Werke zu „Memoiren ehemaliger Militärs und sonstige[n] apologetische[n] Schriften, welche die Kriegsverbrechen der nationalsozialistischen Besatzer entweder überhaupt ausklammern oder verharmlosen“.[22]

Bevor Adalbert Lallier, ehemals SS-Mann bei „Prinz Eugen“, gegen seinen einstigen Kameraden, den SS-Unterscharführer Julius Viel, 1999[23] wegen Mord an sieben jüdischen KZ-Häftlingen aussagte, fragte er bei Kumm nach, ob das Schweigegebot noch immer gelte und ob „Kameradenverrat“ gerechtfertigt sei. Kumm habe ihm zurückgeschrieben, dass Kameradschaft aufhöre, wo Kriegsverbrechen beginne.[24]

Auszeichnungen

Schriften

  • Otto Kumm: Vorwärts Prinz Eugen! Geschichte der 7.SS-Freiwilligen Gebirgs Division „Prinz Eugen”. Munin-Verlag, Osnabrück 1978.
  • Otto Kumm: 7. SS-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“ im Bild. Munin-Verlag, Osnabrück 1983.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zschäckel ist Autor des Bildbandes Waffen-SS im Westen, der 1941 bei Eher, dem Zentralverlag der NSDAP, erschien und 2006 bei Winkelried neu verlegt wurde. [1]
  2. a b c d e f g Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945 Die Inhaber des Eisernen Kreuzes von Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine, Waffen-SS, Volkssturm sowie mit Deutschland verbündete Streitkräfte nach den Unterlagen des Bundesarchivs , Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.484
  3. Thomas Casagrande: Die volksdeutsche SS-Division "Prinz Eugen": die Banater Schwaben und die nationalsozialisten Kriegsverbrechen. Frankfurt am Main 2000. Kommandeur S. 1125, sonst zahlreiche weitere Fundstellen
  4. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen München 2000.
  5. Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. In: DER SPIEGEL 6/1967
  6. Klaus Schmider: Der jugoslawische Kriegsschauplatz (Januar 1943 bis Mai 1945) in: Karl-Heinz Frieser (Hrsg.): Die Ostfront 1943/44 - Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. 917.
  7. Schmider aaO. S.1030
  8. Martin Seckendorf; Günter Keber; u.a.; Bundesarchiv (Hrsg.): Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941–1945) Hüthig, Berlin 1992; Decker/ Müller, Heidelberg 2000. Reihe: Europa unterm Hakenkreuz Band 6, ISBN 3-8226-1892-6, S. 59, 320f.
  9. Am Ende seines Werkes „Vorwärts Prinz Eugen“ schreibt er: „[D]ie Amerikaner [sandten] den Verfasser zurück nach Dachau mit dem Vermerk: "Auslieferung Jugoslawien"! Durch die Flucht über die Mauer des KZ Dachau konnte sich der Verfasser diesem Vorhaben entziehen und wieder einmal dem sicheren Tode von der Schippe springen.“
  10. Karsten Wilke: Organisierte Veteranen der Waffen-SS zwischen Systemopposition und Integration. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Heft 2 2005, S. 154
  11. Wilke 2005, S. 154
  12. Wilke 2005, S. 156
  13. Wilke 2005, S. 157
  14. Antwort der Landesregierung RLP auf eine Anfrage der SPD zu Rechtsextremismus als Gefahr für Demokratie und Gesellschaft – Ideologie, Struktur und Strategien rechtsextremer Parteien und Organisationen vom 1. Oktober 2009
  15. Verfassungsschutzbericht NRW [2] 2008, S. 84
  16. Menachem Shelah: Kroatische Juden zwischen Deutschland und Italien. Die Rolle der italienischen Armee am Beispiel des Generals Giuseppe Amico 1941-1943 In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1993, Heft 2, S. 194]
  17. Höhne S. 436 Fußnote 232, Fußnotentext S.572
  18. Bibliographische Angaben der Deutschen Bibliothek
  19. taz vom 10. November 2010, die taz gibt Eckpunkte zur politischen Biographie des Verlegers Eric Kaden an.
  20. Beurteilung der Ausrichtung von Kadens Verlegertätigkeit durch den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern: "NPD-Fraktionsmitarbeiter legt Biographie des NS-Dichters Kurt EGGERS vor" [3]
  21. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte 2009 zehn Schriften/Bücher, eines davon ist Kaders: "Kurt Eggers – Vom Freikorps zur Waffen-SS". Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Petra Pau (DIE LINKE)[4]
  22. Walter Manoschek: "Serbien ist judenfrei": militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42[5]. München 1995, 2. Aufl. S. 12f (mit Fußnote 7)
  23. Neue Beweise zum Mord in Litomerice: SS-Mann Julius Viel inhaftiert! (hagalil 10/1999)
  24. Schwäbische Zeitung vom 14. Dezember 2000 nach VVN-BdA Baden-Württemberg

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