Overstolzen

Overstolzen
Haus der Overstolzen (1230)

Die Overstolzen waren eine Familien-Dynastie im mittelalterlichen Köln. Sie zählte zu den Patriziern, die neben dem Rat wichtige Ämter der städtischen Verwaltung bekleideten.

Inhaltsverzeichnis

Definition des Namens

Der Name ist hergeleitet von „Überstolz“, „überaus“ und „stolz“ (hochgemut, von hoher Gesinnung, voller Selbstwertgefühl). Im Mittelniederdeutschen heißt es „stolt", im Mittelniederländischen „stout".

Der Name des alten Kölner Großkaufmannsgeschlechtes ist nach einer Sage auch unter den fünfzehn Familien zu finden, die von Rom in die damalige Colonia Claudia Ara Agrippinensium übergesiedelt sein sollen und sich dort dauerhaft niederließen.[1]

Ursprung und Overstolzen im Mittelalter

„Godescalsus Ovirstoth“ wird 1197 als ältestes Kölner Familienmitglied bezeugt (* 1145 Köln; † 1212 Köln). Von diesem wohlhabenden Kaufmann und seinen acht verheirateten Kindern stammt praktisch das gesamte Kölner Patriziat ab. Er gehörte sehr wahrscheinlich zur „Bruderschaft unter den Gaddemen“, war also Gewandschneider und bewohnte das alte Overstolzsche Haus in der Vorstadt Airsbach, das sich von Lyskirchen bis in die Kölner Witschgasse erstreckte. Seinen Reichtum verdankte er zum Teil der Mitgift seiner Frau Sophia de San Laurentio. Von 1197 bis 1210 erwarb er mit seiner Frau zahlreiche Grundstücke und Häuser vorwiegend in der Pfarre St. Martin, daneben auch in den Pfarren St. Brigida und St. Aposteln, jedoch lag der Hauptbesitz der Familie in Airsbach. Er wohnte 1197 bis zum Tode mit seiner Frau in Oversburg vor Lyskirchen und legte sich den Namen Overstolz zu. Nach seinem Tod hinterließ er 20 Häuser und großes weiteres Vermögen.[2] Um 1200 wandelt sich der Name zu „Ouerstoltz“, und heißt danach „de Oversburch". Oversburch oder auch Airsbach war der Stammsitz des Geschlechtes, er befand sich in der südlichen Vorstadt Kölns, vor der mittelalterlichen Stadtmauer. Ein weiteres romanisches Patrizierhaus wurde zwischen 1220 und 1225 von Blithildis Overstolz innerhalb der Kölner Stadtmauer errichtet, einer Tochter des Stammvaters Gottschalk Overstolz (siehe Artikel Overstolzenhaus). 1264 erwähnt man einen „Overstolzenhof“, eine sogenannte „curia Overstolzorum“ im Bereich der heutigen „Ulrichgasse“, damals „Ulregazzen“ genannt. Weitere, spätere Formen des Namens des Geschlechtes kommen bei „Geradus Oyverstoiltz“ und „Johannes, dictus Ouerstolz“ vor.

Kampf um die Vorherrschaft

Den Overstolzen war es gelungen, genügend andere Familien auf ihre Seite zu ziehen, um gegen die bisher vorherrschende Familie von der Mühlengasse, genannt die "Weisen", vorzugehen. Den Weisen war es seit Beginn des 13.Jahrhunderts gelungen, immer mehr Sitze in Schöffenkollegium und Richerzeche zu besetzen. Im Jahre 1259 stellte dieses Geschlecht bereits sieben Schöffen und bis zu diesem Jahr mindestens drei der nachweisbaren Bürgermeister, wodurch es in beiden Kollegien einen starken Einfluss besaß. Einen schlechten Ruf machten sich die Weisen, als sie sich Mitte des 13. Jahrhunderts auf die erzbischöfliche Seite schlugen und sich damit innerhalb der Geschlechter isolierten. Die Machtfrage wurde in diesem Fall dadurch gelöst, dass die Familie der Weisen nach ihrer Niederlage gegen die Overstolzen im Jahre 1268 (siehe nächsten Abschnitt) die Stadt verlassen musste.[3] Damit entstand eine neue Epoche der Geschlechterherrschaft, da nun die Overstolzen mit ihren Parteifreunden in das Machtvakuum vorstießen.

Ansehen, Macht und Reichtum

Denkmal zur Schlacht an der Ulrepforte auf der Kölner Stadtmauer am Sachsenring

Die Patrizier Kölns scheuten keine kriegerischen Auseinandersetzungen. Am 28. November 1263 siegten sie mit ihrer Streitmacht über die Verbündeten des Erzbischofs Engelbert II. von Falkenburg, der mit Gewalt das Stadtregiment erringen wollte. Die Rivalität der Geschlechterverbände zwischen der - bisher führenden - Kaufmannsfamilie Weise und den Overstolzen wurde in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1268 (Nacht der "heiligen Mohren") entschieden. Hier versuchten die Männer des Erzbischofs an der Ulrepforte in die Stadt einzudringen. Unter der Führung der Familie Overstolz konnten die Kölner die Eindringlinge in einer blutigen Schlacht zurückschlagen. Der Kreis der politisch präsenten Familien erweiterte sich nunmehr, zugleich bildete sich eine wirtschaftlich und politisch homogene Führungsschicht zwischen 15 und 30 Familien mit Zutritt zu Schöffenkollegium, Richerzeche und Rat heraus. Als Sieger der Schlacht an der Ulrepforte vermehrte das Kölner Patriziergeschlecht der Overstolzen seinen Einfluss in der Stadt, und stellte mit Daniel Overstolz 1271 einen von vielen Bürgermeistern. Während der Schlacht von Worringen starb der als Panzerreiter gerüstete Gerhard Overstolz, als er von seinem Pferd gestiegen war und sich zu Fuß an die Spitze des Fußvolks gestellt hatte. Er brach später vor Erschöpfung zusammen und starb am 5. Juni 1288 ohne Kampfeinwirkung.

Patrizier wie die „Overstolzen“, gleichermaßen wie die anderen "edlen Geschlechter" der „Hardevust“, die „Gyr“ auch „Gir“ oder die „Unmaze“, „Cleingedank“, „von Horn“, „Aducht“, „Spiegel“, „Jude“, „Lyskirchen“, „Gryne“ (oder „Grin)“, „Birkelin“, „Quatermart“, „Hirzelin“ und „Scherfgin“ sowie andere einflussreiche Familien waren allzeit bestrebt, Reichtum zu erlangen und ihren Besitz zu vermehren, um so Macht und Ansehen zu stärken. Alle Familienoberhäupter amtierten auch als Bürgermeister der Stadt, einige davon wiederholt oder in der nächsten Generation bis über das Ende des 14. Jahrhunderts hinaus. Gleichzeitig besetzten sie die Richerzechen, das Schöffenkolleg und den Rat, wodurch sie die Stadtpolitik entscheidend mitgestalten konnten.

Die „Overstolzen“ gehörten zu den Großgrundbesitzern, waren mit solchen verwandt und spalteten sich mit der Zeit in mehrere Linien auf. In diesen Verzweigungen kam es durchaus auch zu nicht standesgemäßen Ehen. Auch blieben sie bei all ihren ehrgeizigen Bestrebungen der Arbeit ihrer Vorfahren, der „Gewandschneiderei“ treu.

Gottschalk Overstolz (* um 1180 Köln; † 1246 Köln) kauft 1224 mit seinem Bruder Gerhard († 1302 Köln) Haus und Hof "Cederwald" und baut nachfolgend auf dem sich lang hinstreckenden Wall 16 Häuser. 1233 teilen die Brüder diesen Besitz anlässlich des Todes Gottschalks erster Frau ("Ida Salzgasse"), danach teilt er einen Teil seines Besitzes unter seinen Kindern aus erster Ehe auf. Die Straße wurde im Volksmund "Unter sechzehn Häusern" genannt, durch Umformung entstand der heutige Name der Bankenmeile "Unter Sachsenhausen", der offiziell seit 1258 besteht.[4] Hier, in der Haus-Nr. 47, entstand 1288 das sechstälteste Brauhaus Kölns ("Zum Bierbaum").

Noch im Jahre 1324 konnte Werner Overstolz, ein früher Bürgermeister, außerdem Schöffe und „Herr des engern Rats“, wie seine Ahnen 100 Jahre zuvor, persönlich „Gewand“ (auswärtige Tuche) feilbieten. Das innerpolitische Leben des reichsstädtischen Köln wurde durch die „Overstolzen“ beeinflusst. Als führendes Geschlecht innerhalb der Kölner Patrizierfamilien behauptete es sich nicht nur während der Zwistigkeiten im 13. Jahrhundert unter den „edlen Häusern“, sondern bis zum ausklingenden Mittelalter. Ein weiterer Werner Overstolz veröffentlichte um 1440 im Overstolzenbuch die Geschichte seiner Familie, die er stolz bis auf die Römer unter Trajan zurückführte, der in Köln zum Kaiser ausgerufen worden war. Damals galt diese Überlieferung, die auch in der Kölner Chronik Agrippina des Heinrich van Beeck von 1472 aufgeführt wird, noch als wahr.[5]

Heutige Zeit

Heute erinnert die zwischen dem Sachsenring und der Volksgartenstraße verlaufende Overstolzenstraße in der Kölner Neustadt-Süd an die Familie der Overstolzen.

Die Schreinsbücher (Grundbücher des Mittelalters) zeugen von mindestens 18 „Overstolz“ genannten Häusern in unterschiedlichen Stadtteilen. Ein einziges verbliebenes Overstolzenhaus in der Rheingasse 8–12, nahe dem Heumarkt zeugt noch von der vergangenen Pracht mittelalterlicher Bauwerke der Kölner Patrizier.

Das um 1320 entstandene Allerheiligenfenster des Kölner Doms besteht aus acht einzelnen Scheiben, den sog. Feldern. Das Fenster gehört zu den ungewöhnlichsten Schöpfungen der Kölner Glasmalerei des 14.Jahrhunderts. Es zeigt über einem bestirnten blauen Himmelssegment und zwei Wappen der Familie Overstolz in acht segmentbogigen Rängen Reihen von Heiligen, ein Abbild der himmlischen Hierarchie.[6]

Zudem hat die ehemalige Kölner Zigarettenfirma Haus Neuerburg ihre Marke Overstolz nach diesem Geschlecht benannt. Die Marke gibt es heute noch.

Der Kölner Autor Frank Schätzing schrieb 1995 mit Tod und Teufel einen historischen Köln-Krimi, in dem der tödliche Sturz des ersten Kölner Dombaumeisters Meister Gerhard Auftakt einer geheimen Verschwörung der Patrizierfamilie der Overstolzen bildet. Im Krimi kommt die Familie allerdings nicht so gut weg, denn im Hintergrund zieht Matthias Overstolz die Fäden und versucht, seine Macht mit kriminellen Mitteln zu erhalten. Das Buch gibt es mittlerweile auch als Hörbuch und Hörspiel.

In der Overstolzengesellschaft haben sich engagierte Kölner Bürger zusammengeschlossen, um das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) zu fördern.

Literatur/Quellen

Einzelnachweise

  1. Koehlhoffsche Chronica van der hilligen stat van Collen (1499)
  2. Detaillierte private Stammbaumforschung
  3. Herborn, W.: "Zur Rekonstruktion und Edition der Kölner Bürgermeisterliste bis zum Ende des Ancien Regime", in: RhVjBl 36 (1972), S. 156
  4. KBS Köln-Straßen
  5. Robert Meier: Kölner Geschichtsschreibung im 15. Jahrhundert, Vortrag der Kölnpreisträger, in Universität im Rathaus, Bd. 5, 1996/97, S. 81
  6. "Das Allerheiligenfenster im Kölner Dom", Lauer/Jägers/Berkenkopf; in: "Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung", 1988, ISSN: 0931-7198

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