Panthera tigris virgata

Panthera tigris virgata
Kaspischer Tiger
Kaspischer Tiger im Jahr 1899 im Zoologischen Garten Berlin

Kaspischer Tiger im Jahr 1899 im Zoologischen Garten Berlin

Systematik
Überfamilie: Katzenartige (Feloidea)
Familie: Katzen (Felidae)
Unterfamilie: Großkatzen (Pantherinae)
Gattung: Panthera
Art: Tiger (P. tigris)
Unterart: Kaspischer Tiger
Wissenschaftlicher Name
Panthera tigris virgata
(Illiger 1815)

Der Kaspische Tiger (Panthera tigris virgata) auch Turantiger oder Persischer Tiger, ist eine heute ausgestorbene Unterart des Tigers (Panthera tigris). Neuere molekularbiologische Untersuchungen weisen allerdings darauf hin, dass die Unterart mit dem Sibirischen Tiger (Panthera tigris altaica) identisch ist und das Verbreitungsgebiet der beiden Populationen möglicherweise erst durch den Menschen getrennt wurde[1].

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Körperbau

Der Kaspische Tiger war eine mittelgroße Unterart. Das männliche Tier hatte eine Gesamtkörperlänge von 270 bis 290 cm, das Weibchen eine von 240 bis 260 cm. Die Länge von Kopf und Rumpf betrug beim Männchen 178-197 cm, beim Weibchen 150-165 cm. Männliche Tiger dieser Unterart konnten 180-220 kg erreichen, Weibchen erreichten nur 85-135 kg. Der Schädel dieser Tiger war robust, das Gesicht flach.

Fell

Der Kaspische Tiger hatte im Verhältnis zum Indischen Tiger schmalere, längere und noch enger verteilte dunkle Streifen. Dabei waren diese Streifen heller als bei allen anderen Unterarten. Das Fell war lang und dicht, besonders das Bauchfell war sehr lang und hing wie ein Vorhang herab.

Verbreitung

Die Verbreitung des kaspischen Tigers war extrem großflächig. Über weite Teile West- und Zentralasiens war diese Spezies anzutreffen und kam von der Mongolei und Südrussland über Westchina (Xinjiang), die zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken, Kaukasien und Transkaukasien bis Kleinasien, Afghanistan, Persien und Mesopotamien vor. Im Mittelalter erreichte er möglicherweise sogar die Ukraine. Bis in die jüngere Vergangenheit (bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts) war die Art noch in Transkaukasien, den östlichen Teilen der Türkei, dem Nordiran, der Aral-Kaspi-Senke sowie in Afghanistan zu finden. Die Verbreitung bis in das heutige Staatsgebiet von Iran (vormals Persien) trug dazu bei, dass der Kaspische Tiger auch als Persischer Tiger bezeichnet wurde.

Aussterben

Gründe für das Aussterben

In Zentralasien wurde der Kaspische Tiger nicht explizit als Bedrohung für den Menschen angesehen, wie es etwa in Südostasien, Indien oder Bangladesch der Fall bei den entsprechenden Subspezies ist. Über lange Zeit herrschte eine friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Großkatze; es wird berichtet, dass Kaspische Tiger sogar in Nähe großer Siedlungen wie Taschkent zu finden waren. Natürlich wurde auch der Kaspische Tiger bejagt, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie man es etwa von den anderen Subspezies her kennt. Eine extremere Bejagung begann erst zu Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.

Die hauptsächlichen Gründe lagen in der starken Besiedlung des zentralasiatischen Verbreitungsgebiets. Speziell die russische Besiedlungspolitik zu Ende des 19. Jahrhunderts zerfaserte die Lebensräume des Kaspischen Tigers. Der Kaspische Tiger bevorzugte unter anderem Flussauen und Feuchtgebiete. Diese wurden durch die Besiedlung sehr schnell kultiviert und für die landwirtschaftliche Nutzung freigegeben. Ein ursprüngliches Habitat des Kaspischen Tigers ging so dauerhaft verloren. Auch Steppen und offene Flächen fern ab der Flussläufe wurden für die landwirtschaftliche Nutzung kultiviert (vornehmlich Baumwollanbau sowie Nutzung als Weidefläche). Dadurch wurden weitere wichtige Rückzugsräume des Kaspischen Tigers auseinander gerissen. Fehlende Naturschutzgebiete, keine Proklamation von jagdfreien Zonen, aber auch die die Zerfaserung der Lebensräume voneinander getrennter Habitate des Kaspischen Tigers in Zentralasien führten zur Ausrottung. Der Kaspische Tiger beanspruchte sehr große Jagdreviere. Geographisch bedingt hat der Kaspische Tiger somit die Problematik, dass einzelne Exemplare durch die Zerteilung der Habitate nicht mehr zueinander fanden und so der Nachwuchs nicht gesichert war. Auch der extensive Bedarf nach Wasser für Bevölkerung und Landwirtschaft waren Grund für die Ausrottung. Das empfindliche Ökosystem Zentralasiens wurde durch den hohen Wasserbedarf extrem geschädigt.[2] Ein erschreckendes Beispiel für die Zerstörung des Ökosystems in Zentralasien ist die drohende Austrocknung des Aralsees.

Mit zunehmender landwirtschaftlicher Nutzung begann auch die Bejagung. Hirten sahen den Kaspischen Tiger als Feind ihrer Herden und so wurde u.a. mit Hilfe vergifteter Kadaver und Eisenfallen massiv Jagd betrieben.

Datierung des Aussterbens

Der Niedergang des Kaspischen Tigers begann in den 1930er Jahren und heute wird allgemein davon ausgegangen, dass er sich in einigen schwerst zugänglichen Gebieten in der Türkei sowie der ehemaligen Sowjetunion und Afghanistans bis Anfang der 1970er in kleinen Populationen halten konnte. Eine eindeutige Datierung, wann der letzte Kaspische Tiger starb, ist nicht bekannt. Einigen Berichten zufolge soll der letzte im Jahr 1959 im Golestan-Nationalpark im Nordiran geschossen worden sein. Obwohl einige Quellen angeben, dass der Tiger bereits in den 1950er Jahren ausgestorben sei, so gilt heute unter Experten als gesichert, dass diese Subspezies bis mindestens in die 1970er Jahre überlebt hat. Gemäß dieser Quellen wurden 1972 frische Felle Kaspischer Tiger im (illegalen) Handel angeboten. Daraus ließ sich schließen, dass Anfang der 1970er Jahre noch einzelne Exemplare in der Ost-Türkei, Provinz Hakkari, im Grenzgebiet zu Iran und Irak zu finden waren. Der Biologe Vratislav Mazák schätzte im Jahre 1979, dass man, wenn überhaupt, einzelne Tiere lediglich in der Südosttürkei und an der sowjetisch-afghanischen Grenze finden könnte.

Unbestätigte Sichtungen

Das Aussterben gilt als gesichert, auch wenn es mitunter Meldungen über unbestätigte Sichtungen gibt. In Gefangenschaft haben keine Exemplare des Kaspischen Tigers überlebt, so dass nur wenige Fotografien, einige Felle und wenige präparierte Exemplare bleiben. Sehr optimistische Quellen geben an, dass noch 1997 ein Kaspischer Tiger in Nord-Afghanistan geschossen wurde. Weitere, ebenfalls unbestätigte Sichtungen datieren auf die Zeit der sowjetischen Invasion in Afghanistan zwischen 1989 und 1999. Diese Sichtungen wurden zumeist von sowjetischen Soldaten gemeldet, die in Nord-Afghanistan im Einsatz waren.

Im Golestan-Nationalpark in Iran soll noch in den 1980er Jahren eine kleine Population von Kaspischen Tigern heimisch gewesen sein. Doch auch diese Angaben sind nicht gesichert und beruhen auf mündlichen Aussagen dortiger Einwohner. Das Fehlen wissenschaftlich bestätigter Sichtungen und eindeutiger Beweise lassen allerdings kaum eine andere Deutung zu, als dass der Kaspische Tiger ausgestorben ist. Einige Experten der Iran Department of Environment (IDOE)[3], dem iranischen Umweltministerium, gehen offensichtlich davon aus, dass eine geringe Möglichkeit besteht, dass im Gebiert von Aliabad an der Grenze zu Turkmenistan und in der südöstlichen Küstennähe zum kaspischen Meer im Reservat Parvar kleine Populationen überlebt haben. Nach dem (IDOE) wurden im dort Fußabdrücke in der Größe von 12cm (Länge) mal 14,5cm (Breite) entdeckt. Eine solche Abdruckgröße überschreitet normalerweise die von dort ebenfalls heimischen Leoparden. Allerdings könnten sie von einem besonders großen Leoparden stammen. Leopardenspuren werden häufiger fälschlicherweise als Tigerspuren fehlgedeutet [4].

Für die Art wurde auf Grunde fehlender wissenschaftlicher Beweise die Klassifizierung EX (exinct) angesetzt [5].

Entstehung des Kaspischen Tigers

Man geht davon aus, dass der Tiger sich in Nordostasien entwickelt hat und dann nach Süden vorstieß. Möglicherweise erreichte er zunächst Indien und drang von dort aus nach Westasien vor, wo sich dann die kaspische Unterart herausbildete. Durch Wüstengebiete war sie geografisch von der indischen Unterart, dem Königstiger getrennt.

Eine andere Theorie geht davon aus, dass anders als der Königstiger, welcher südlich des Himalayas den indischen Subkontinent Richtung Westen eroberte, der Kaspische Tiger nördlich des Himalaya Richtung Westen wanderte. Somit kam es zu einer natürlichen Barriere (den zentralasiatischen Hochgebirgen) und es entwickelten sich zwei unterschiedliche Unterarten. Es wird auch vermutet, dass es nach der geographischen Trennung vereinzelt zu Begegnungen zwischen der indischen und der kaspischen Unterart im heutigen Pakistan gekommen sein könnte.

Lebensweise

Weite Teile seines ehemaligen Verbreitungsgebietes waren von Wüsten und Halbwüsten bedeckt. Der Kaspische Tiger bewohnte hier jedoch vorrangig die Feuchten Seeufer und Flußtäler, wie die des Amu Darja und des Syr Darja die jene Trockenzonen durchschnitten. Die Wälder, Sümpfe, Gras- und Buschländer dieser Täler waren ein geeigneter Lebensraum für die große Katze. Diese Abhängigkeit von Flußtälern war allerdings einer der Hauptgründe für den Rückgang der Art, da diese auch von den Menschen der Region als landwirtschaftliche Nutzflächen bevorzugt wurden. Mit der zunehmenden Urbarmachung und der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Flächen verlor der Kaspische Tiger große Teile seines Lebensraumes. Seine Hauptbeutetiere waren Wildschweine und Hirsche. Zwei Unterarten des Rothirsches kamen in der Neuzeit in seinen Jagdrevieren vor. Der Baktrianhirsch oder Bucharahirsch (Cervus elaphus bactrianus) in den Gebieten östlich des Kaspischen Meeres und der Maral (Cervus elaphus maral) in Kleinasien und Kaukasien.

Der Kaspische Tiger in den römischen Arenen

Der Kaspische Tiger war die Unterart des Tigers (zusammen mit dem Bengaltiger), die man in den römischen Arenen einsetzte. Für die Römer war diese Unterart am leichtesten zu beschaffen, da sie an der östlichen Grenze des Römischen Reiches vorkam. Der Kaspische Tiger wurde aus dem Kaukasus, Anatolien, Mesopotamien und Persien importiert. Der erste Tiger, der in Rom kämpfte, war das Geschenk eines indischen Botschafters an den römischen Kaiser Augustus im Jahre 19 v. Chr. In den römischen Arenen kämpften die Tiger gegen römische Gladiatoren und andere Tiere, wie den Auerochsen oder Berberlöwen.

Literatur

  • Vratislav Mazák: Der Tiger. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt, DDR, 1983

Einzelnachweise

  1. Carlos A. Driscoll1, Nobuyuki Yamaguchi1, Gila Kahila Bar-Gal, Alfred L. Roca, Shujin Luo, David W. Macdonald, Stephen J. O'Brien: Mitochondrial Phylogeography Illuminates the Origin of the Extinct Caspian Tiger and Its Relationship to the Amur Tiger. In: PLoS ONE. 4, Nr. 1, 2009, S. e4125 (http://www.plosone.org/article/info:doi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0004125). 
  2. The Caspian Tiger - a Lesson From History auf Safe The Tiger Fund
  3. Iran Department of Environment (eng.)
  4. The Tiger Foundation (or use sitemap to Caspian Tiger) (eng.)
  5. ICUN 2008 Red List - Panthera tigris virgata

Weblinks


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