Paul Grimm

Paul Grimm

Paul Grimm (* 18. August 1907 in Torgau; † 19. November 1993 in Berlin) war ein deutscher Prähistoriker, der auch Wegbereiter einer Archäologie des Mittelalters, vor allem der Wüstungs- und Burgenforschung, war. Grimm arbeitete vor allem in Mitteldeutschland über verschiedene Perioden, so stammen von ihm die Bezeichnungen Baalberger Kultur und Salzmünder Kultur für zwei wichtige Fundgruppen des Neolithikums. Seine flächendeckenden Grabungen in Hohenrode und Tilleda sind richtungweisende Meilensteine in der Geschichte der deutschen Archäologie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Grimm, Sohn eines Zahlmeisters, studierte nach dem Abitur 1925 in Aschersleben seit 1925 an der Universität Halle, wo er bis 1929 Vorgeschichte, Geschichte, Klassische Archäologie, Germanistik, Geographie und Geologie belegte. 1927 beteiligte er sich erstmals an Grabungen unter Hans Hahne. Seit 1929 war er wissenschaftlicher Assistent an der Landesanstalt für Vorgeschichte. 1929 wurde er mit einer Dissertationsschrift über Die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung des Unterharzes und seines Vorlandes auf Grund der Bodenfunde zum Dr. phil. promoviert. Gutachter war neben Hahne Georg Karo.

Grimm gehörte zunächst der Jugendbewegung an, war seit 1926 im völkischen Jugendbund Adler und Falke [1] und bereits vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten Mitglied der Mannus-Gesellschaft für „arische Vorgeschichte“ und der Fachgruppe für Vorgeschichte im Kampfbund für deutsche Kultur. [2] Im Februar 1933 trat Grimm der NSDAP bei, wurde unter der Parteinummer 1.447.316 registriert und war von 1933 bis 1934 Blockwart. [1] 1935 wurde Grimm Kustos und Stellvertretender Direktor der Landesanstalt für Vorgeschichte, sowie Schriftleiter der Zeitschrift Mitteldeutsche Volksheit – Hefte für Vorgeschichte, Rassenkunde und Volkskunde. [1]

Nach seiner Habilitation über die Salzmünder Kultur war er von 1939 bis 1945 als Dozent und Direktor der Landesanstalt für Volkheitskunde in Halle (Saale) tätig. Am 22. Oktober 1940 wurde Paul Grimm zum Wehrdienst einberufen. Am 15. Januar 1942 wurde er UK gestellt, nach Kiew beordert, leitete dort bis Ende November 1942 das Landesamt für Vor- und Frühgeschichte und baute ein "Museum für Alte Geschichte" auf, in dem örtliche vorhandene Sammlungen zusammengetragen wurden.[3] Die Art und Wertung seiner Tätigkeit in der Ukraine und seine innere Haltung dazu sind umstritten. Grimm war „Mitglied des Sonderstabs Vorgeschichte im Einsatzstab Rosenberg zur »Sicherstellung« von Kulturgütern in der Ukraine.“ [4] Grimm war daher Mitwisser und Beteiligter am Kulturraub in der Ukraine, insoweit er als Direktor die Zusammenführung von Kulturgütern in das von ihm geleitete Museum in Kiew organisiert und diese Bestände im Frühjahr 1945 im Schloss Höchstädt verwaltet hat.[5] Während der Zeit des Abtransports der Kulturgüter aus Kiew, zunächst nach Krakau und später dann nach Schloss Höchstädt, war er nicht mehr Museumsdirektor, sondern Unteroffizier in der Wehrmacht; er hat sich wiederholt gegen das Verbringen der Kulturgüter nach Deutschland ausgesprochen.[6] Grimms Laudatio aus dem Jahr 1989 betont die positive Rolle Grimms: „Seine Aufgabe bestand darin, in Kiew auf der Basis des einheimischen Materials ein Museum für Alte Geschichte zu gründen.“[7] Ebenso spielte Grimm durch seine menschliche Haltung gegenüber seinen ukrainischen Mitarbeitern und durch seine Verantwortung für die Kulturgüter des von ihm geleiteten Museums in Kiew eine positive Rolle, wie sich aus ihren schriftlichen Bekundungen ergibt. [7] [8] Im November 1942 wurde seine UK-Stellung aufgehoben und er musste seinen Wehrdienst fortsetzen, aus dem er am 5. Dezember 1944 aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde. Paul Grimm kam am 10. Januar 1945 nach Höchstädt an der Donau. Dort war er als Verantwortlicher für die sichere Unterbringung und Dokumentierung der eingelagerten Kulturgüter eingesetzt, die im Spätherbst 1943 aus Kiew über Krakau ins Reich abtransportiert worden waren.[9]

Nach Kriegsende wurde Grimm als Dozent entlassen [1] und wurde vom 26. Februar 1946 bis zum 3. Februar 1950 im sowjetischen Speziallager Buchenwald interniert. 1951 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ostberliner Akademie der Wissenschaften und arbeitete in der Kommission für Vor- und Frühgeschichte mit. Nach verschiedenen Lehraufträgen wurde er 1955 Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin und innerhalb der Akademie der Wissenschaften seit 1957 Stellvertreter des Direktor des Instituts für Vor- und Frühgeschichte. 1955 wurde er auch Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts.

Von 1956 bis 1972 war er verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift „Ausgrabungen und Funde, Nachrichtenblatt für Vor- und Frühgeschichte“. Mitglied des Redaktionsbeirates war er bei den Zeitschriften: „Natur und Heimat” 1953 bis 1962 und „Zeitschrift für Archäologie” seit Bd. 1, 1967 – 1973 [10]. Populärwissenschaftlich wirksam war Paul Grimm durch Artikel, Broschüren und Führungen auf seinen Grabungsstätten sowie durch seine Mitarbeit im Kulturbund der DDR, die er u.a. zu zahlreichen Vorträgen über die Ausgrabung in Tilleda nutzte.[11].

Insbesondere durch die für die Wüstungsforschung richtungweisenden Grabungen in der mittelalterlichen Wüstung Hohenrode und der Pfalz Tilleda, der ersten gänzlich ausgegrabenen Königspfalz, zeichnete Grimm für Meilensteine in der Geschichte der deutschen Archäologie verantwortlich. Von ihm stammen die Bezeichnungen Baalberger Kultur und Salzmünder Kultur für zwei wichtige Fundgruppen des Neolithikums. Diese Untersuchungen sowie eher theoretische Überlegungen machten Grimm zu einem Wegbereiter der Mittelalterarchäologie. Er betonte zwar eine prinzipielle Gleichwertigkeit von archäologischen und schriftlichen Quellen, sah aber dennoch eine enge Bindung der Archäologie an die historischen Daten.

Publikationen (Auswahl)

  • Hohenrode, eine mittelalterliche Siedlung im Südharz. Veröff. Landesanst. Volksheitskde. Halle 11 (Halle 1939)
  • Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg. Handb. vor- u. frühgesch. Wall- und Wehranlagen 1. Dt. Akad. Wiss. Berlin Schr. Sekt. Vor- u. Frühgesch. 6 (1958)
  • Der Beitrag der Archäologie für die Erforschung des Mittelalters. In: H. Knorr (Hrsg.), Probleme des frühen Mittelalters in archäologischer und historischer Sicht (Berlin 1966) 39-74
  • Tilleda; eine Königspfalz am Kyffhäuser Teil 1. Die Hauptburg. Dt. Akad. Wiss. Berlin Schr. Sekt. Vor- u. Frühgesch. 24 (Berlin 1968)
  • Tilleda; eine Königspfalz am Kyffhäuser Teil 2. Die Vorburg und Zusammenfassung. Dt. Akad. Wiss. Berlin Schr. Sekt. Vor- u. Frühgesch. 40 (Berlin 1990)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d http://www.catalogus-professorum-halensis.de/grimmpaul.html.
  2. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 198.
  3. Nachrichten des Einsatzstabes 1943, S.11-12
  4. Zitat Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2007, S. 198 mit Bezug auf Hrsg. Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth und Rüdiger Stutz: Kämpferische Wissenschaft. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Köln 2003, ISBN 3-412-04102-5.
  5. Siehe beispielsweise Thomas Widera: Werner Coblenz und die prähistorische Archäologie, in: Judith Schachtmann, Michael Strobel undThomas Widera (Hg): Politik und Wissenschaft in der prähistorischen Archäologie V&R Unipress 2009, S. 210–211.
  6. "Die jetzigen Museumsverhältnisse unter der deutschen Zivilverwaltung", Juli 1942
  7. a b http://www.paul-grimm-berlin.de/museum.html
  8. Dies besagt auch Referenz 160 in: (Hrsg.) Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth, Rüdiger Stutz: Kämpferische Wissenschaft. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2003, S. 909: [dass] „diese in einzelnen Fällen auch eine positive Rolle spielen konnten, belegt das Beispiel von Paul Grimm“.
  9. Reinhardt Seitz, Das fürstliche Renaissanceschloß zu Höchstädt a. d. Donau – seine Baugeschichte und seine osteuropäischen Bezüge; Konrad Verlag 2009.
  10. Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte, Band 62, 1978, S. 25
  11. Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift, Heft 14, 1973, Seite 154-156

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