Paul Leverkuehn

Paul Leverkuehn
Paul Leverkuehn, 1915 in Erzurum

Paul Leverkuehn (* 31. Juli 1893 in Lübeck; † 1. März 1960 in Hamburg) war ein deutscher Rechtsanwalt und Politiker der CDU.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Beruf

Leverkuehn, der evangelischen Glaubens war, studierte nach dem Abitur auf dem Katharineum zu Lübeck an den Universitäten von Edinburgh, Freiburg im Breisgau, München, Berlin, Königsberg und Göttingen Rechtswissenschaften. Im Ersten Weltkrieg arbeitete er 1915/16 im Auftrag des Auswärtigen Amtes als Mitglied der Geheimdelegation unter Max Erwin von Scheubner-Richter im türkisch-persischen Grenzgebiet, um anschließend sein Studium fortzusetzen.

Nach Kriegsende absolvierte er den Referendardienst in seiner Heimatstadt Lübeck und wurde 1922 in Göttingen mit einer Dissertation über Trusts und Kartelle im Rechtsleben Englands, Amerikas und Deutschlands zum Dr. der Rechte promoviert. Anschließend war er zunächst für ein Jahr Referent beim deutsch-englischen Schiedsgericht und bei der „Amerikastelle“ des Auswärtigen Amtes. Von 1923 bis 1925 war er in Washington D.C. Referent der deutsch-amerikanischen gemischten Kommission, ehe er bis 1928 in New York City als Bankier tätig war. 1928 wechselte er zur deutschen Botschaft in Washington, wo er sich als Reichskommissar um die Freigabe beschlagnahmten deutschen Vermögens kümmerte. 1930 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich als Rechtsanwalt in Berlin nieder. 1933 trennte er sich von seinem jüdischen Sozius Simon Wolf. 1934/35 verbrachte Adam von Trott zu Solz einen Teil seiner Referendarzeit in seiner Kanzlei, 1938/39 arbeitete Helmuth James von Moltke bei ihm. Ab 1938 vertrat er für über 20 Jahre als Anwalt zusammen mit Kurt Vermehren Anna Anderson bei ihren letztlich vergeblichen Versuchen, ihren Anspruch, die Zarentochter Anastasia zu sein, gerichtlich durchzusetzen.[1] Noch vor dem 2. Weltkrieg erfolgte der Eintritt in die NSDAP.[2]

1939 wurde er kurzzeitig zur Wehrmacht einberufen, aber schon ein Jahr später vom Auswärtigen Amt als Konsul in Täbris (Persien) eingesetzt. Von 1941 bis 1944 war Leverkuehn, der über den deutschen Abwehrchef Wilhelm Canaris Kontakte zum Widerstand hatte, dann Chef der deutschen Abwehr in Istanbul. Als er Anfang 1944 vom gegnerischen MI 6 wegen Verhaftungen von deutschen V-Leuten[3] bloßgestellt und damit praktisch der ganze deutsche Nachrichtendienst in der Türkei zerschlagen war, wurde ohne sein Wissen Herbert Rittlinger sein Nachfolger. Leverkuehn blieb aber offiziell noch Chef der deutschen Abwehr, um die Tarnung seines Nachfolgers Rittlinger nicht zu gefährden. Angeblich soll Leverkuehn davon nie gewusst haben.[4] Nachdem er 1944 abberufen wurde, war er bis Kriegsende Vorstandsbevollmächtigter der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Leverkuehn als Rechtsanwalt in Hamburg, wechselte aber bereits 1946 für ein Jahr zur Reichsbankleitstelle Hamburg. 1948/49 war er Strafverteidiger von Walter Warlimont im OKW-Prozess,[5] dem zwölften der Nürnberger Nachfolgeprozesse. Auch am Manstein-Prozess in der britischen Zone war er als Verteidiger beteiligt. 1951 bis 1953 gehörte er der deutschen Delegation der Londoner Schuldenkonferenz an. Anfang Mai 1954 wurde er trotz der Gegenkandidatur von Franz Josef Strauß zum Präsidenten der Europa-Union Deutschland gewählt, trat allerdings bereits im September wieder vom Amt zurück, nachdem er einen schweren Autounfall erlitten hatte.[6] Von 1957 bis zu seinem Tode war er als Präsident des Instituts für Asienkunde in Hamburg tätig.

Abgeordneter

Leverkuehn gehörte dem Deutschen Bundestag von 1953 bis zu seinem Tode an. Gleichzeitig war er auch stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages sowie Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates. Bei den Haushaltsberatungen für 1956 gelang es ihm im Bundestag, gemeinsam mit dem SPD-Abgeordneten Hellmut Kalbitzer, den Haushaltsansatz zur „Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Länder“ von 3,5 auf 50 Millionen DM zu erhöhen.

Vom 27. Februar 1958 bis zum 4. November 1959 war er auch Mitglied des Europaparlaments. Er war dort 1959 Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses.

Ehrenämter

Von 1949 bis 1954 war Leverkuehn Landesvorsitzender der Europa-Union in Hamburg. Ebenfalls 1949 wurde er bis zu seinem Tode Vorsitzender der „Studiengesellschaft für privatrechtliche Auslandsinteressen“.

Veröffentlichungen

  • Posten auf Ewiger Wache. Aus dem abenteuerlichen Leben des Max von Scheubner-Richter, Essen, 1938 (Redaktion Erik Reger).
  • Der geheime Nachrichtendienst der deutschen Wehrmacht im Kriege, Frankfurt am Main, 1947.
  • Geschichte der Vereinigten Staaten, 1948.
  • Wirtschaftliche Bestimmungen in Friedensverträgen, 1948.
  • Kommentar zum Militärgesetz, 1952.
  • Deutscher Heeresnachrichtendienst, London / New York, 1954.

Literatur

  • Burkhard Jähnicke: Rechtsanwalt, Politiker, Geheimdienstoffizier: Paul Leverkuehn in der Türkei, 1915-16 und 1941-44. in: Journal of Intelligence History, Nr. 2, 2002

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ANASTASIA. Die gute, fette Milchkuh, Artikel in Der Spiegel vom 9. Mai 1956, abgerufen am 13. November 2010. Leverkuehn & Vermehren waren durch Andersons amerikanischen Anwalt Edward Huntington Fallows (1865-1940) mit ihrer Vertretung vor deutschen Gerichten betraut worden; siehe Fallows Papers in der Harvard University Library
  2. "M.d.B. Die Volksvertretung 1946–1972: Leverkuehn, Paul, Dr." Martin Schumacher, Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 2006, abgerufen am 28. April 2010.
  3. siehe Erich Vermehren
  4. Herbert Rittlinger, Geheimdienst mbH, Stuttgart, 1973.
  5. Records of the United States Nuremberg War Crimes Trials, Vol. 10, US Government Printing Office, District of Columbia 1950, S. 9. (Band 10 der „Green Series“)
  6. Wilfried Loth: Das Europa der Verbände: Die Europa-Union im europäischen Integrationsprozess (1949-1969). In: Jürgen Mittag/Wolfgang Wessels (Hg.): "Der Kölsche Europäer" - Friedrich Carl von Oppenheim und die Europäische Einigung. Aschendorff Verlag Münster 2005.

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