Pentatonisch

Pentatonisch

Die Pentatonik (Fünftonmusik, von griechisch penta = fünf) bezeichnet in der Musik die Verwendung einer Tonleiter (Skala), die im Gegensatz zur Heptatonik nicht sieben, sondern nur fünf Töne umfasst. Eine solche Tonleiter wird auch „Fünftonleiter“ genannt. Historisch und ethnisch gibt es verschiedene Fünftonskalen, z. B. ist das javanische Slendro eine Leiter mit fünf annähernd gleichen Intervallen in der Oktave. Im folgenden wird die abendländische oder westliche Pentatonik beschrieben, die vermutlich einen Vorläufer der Heptatonik darstellt.

Inhaltsverzeichnis

Ganztonpentatonik

Eine pentatonische Skala kann recht einfach durch eine Schichtung von fünf Tönen im Abstand einer reinen Quinte gebildet werden:
Bild:PentaVertikal.PNG
Diese Anordnung entspricht der Anordnung der Töne im Quintenzirkel.

Schreibt man diese fünf Töne in den gleichen Oktavraum, ergibt sich die eigentliche Skala:
Bild:PentaHorizontal.PNG Anmerkung hierzu: Obwohl hier von Ganztonpentatonik die Rede ist, beträgt der Abstand von einem Ton zum andern nicht immer einen Ganzton, sondern einmal (im Beispiel zwischen e und g) eineinhalb Töne, also drei Halbtöne.


Der Ganztonpentatonik fehlt die Leittoneigenschaft, d. h. sie besitzt keine Halbtonschritte (anhemitonisch). Aus der C-Dur-Tonleiter kann durch Weglassen der Leittöne F (Halbton F-E) und H (Halbton H-C) eine pentatonische Skala C-D-E-G-A konstruiert werden. Andere Konstruktionsvorschriften führen zu weiteren möglichen pentatonischen Tonleitern.

Diese Skala kann man, ebenso wie einen Dreiklang, umkehren. Das heißt, man benutzt dieselben Töne, macht aber einen anderen von ihnen zum Grundton. Dadurch entstehen fünf verschiedene Modi (ähnlich wie bei Kirchentonarten):

Bild:PentaModi.PNG

Da lediglich der erste, dritte und fünfte Modus eine Terz in Bezug auf den Grundton besitzt, lassen sich nur diesen drei Dur und Moll zuordnen. Der erste Modus ist demnach die Dur-Pentatonik (große Terz), der dritte und fünfte dagegen vertritt die Moll-Pentatonik (kleine Terz). Aus diesem Grund werden die übrigen Modi in der abendländischen tonalen Musik eher selten benutzt.

Wenn die Leiter aus reinen Quinten gebildet wurde („rein“ im Sinne von „nicht temperiert“), sind die Terzen allerdings pythagoreisch, das heißt, sie sind sowohl von reinen wie von temperierten Terzen verschieden (und nicht eben wohlklingend). Wollte man nur reine Quinten und Terzen gelten lassen, so wäre die Pentatonik „terzfrei“.

Bildliche Darstellung

Die folgenden Grafiken stellen die Dur- und Moll-Pentatonik bildlich dar. Das Diagramm der Moll-Pentatonik entspricht dabei dem oben dargestellten 5. Modus. Hier ist das Schema der Grafiken erläutert.


Dur-Pentatonik

Moll-Pentatonik

Anwendung

Klaviatur von Tasteninstrumenten

Eine einfache Art, Fünftonmusik zu spielen, ist, auf einer Klaviatur (z. B. eines Klaviers) nur die schwarzen Tasten (cis-dis-fis-gis-ais) zu benutzen. Von jedem Ton aus kann eine Fünftonleiter gespielt werden.

Die Pentatonik ist charakteristisch für ostasiatische Musik, sie ist auch in ganz Asien verbreitet, von Indien bis nach Japan. Vermutlich geht das auf einen gemeinsamen Ursprung zurück, der sich aber kaum noch nachweisen lassen wird. Sie ist aber ebenso im Blues und in der modernen Rockmusik stark vertreten. Aufgrund der einfachen Spielbarkeit auf einer Gitarre ist sie meist die erste Tonleiter, die ein Anfänger erlernt. Zudem bildet die Mollpentatonik die Grundlage der Bluestonleiter.

Viele einfache Kinderlieder basieren auf der Pentatonik (zum Beispiel „Backe, backe, Kuchen“ oder die Spottmelodie "Nee nee nee nee nee nee"), aber auch geistliche Lieder wie „Swing Low, Sweet Chariot“. Auch die Werbung verwendet gerne die Pentatonik für kurze Melodien, z. B. „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“.

Die Pentatonik ist auch in der Volksmusik der Pyrenäen, der Bretagne und Frankreichs sowie des Balkans und Osteuropas stark verbreitet.

In der klassischen Musik trifft man pentatonische Themen, so bei Komponisten der nationalen Schule der Romantik, die ihre musikalischen Themen aus dem volksmusikalischen Schaffen herleiteten. Sehr bekannte Stücke sind hier z. B. das Thema der Morgenstimmung aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg, oder auch das Thema des Largo-Satzes aus der Sinfonie Nr. 9 (Aus der Neuen Welt) von Antonín Dvořák. Später tritt die Pentatonik mehrmals bei Franz Liszt auf, z. B. in Au bord d´une source. Claude Debussy, der im Alter von 19 Jahren Liszt gehört hatte, verwendet die Pentatonik noch mehr, z. B. im ersten Arabesque. Sie stellt wahrscheinlich eine Vorstufe der Heptatonik dar, die auf vormittelalterliche Quellen zurückgeht.

In den erweiterten Akkorden des Jazz bevorzugt man oft eine Pentatonik, die die Erweiterungen hervorhebt. Man spielt z. B. in Cmaj9 eine pentatone G-Dur-Tonleiter statt einer pentatonen C-Dur-Tonleiter. Dadurch werden die große Septime (das H) und die None (das D) deutlich hervorgehoben.

In der Improvisationspraxis begrenzt man sich im Tonvorrat oft auf die Pentatonik. Dabei verwendet man entweder die Pentatonik der gerade verwendeten Dur- bzw. Molltonleiter oder aber die Pentatonik des gerade verwendeten Akkordes. (Ausgehend vom Grundton einer Tonleiter oder eines Akkordes wird in Dur jeweils die Quarte und die Septime weggelassen, in Moll wird die Sekunde und die Sexte gemieden. Dabei ist es gleich, ob das entsprechende Intervall rein, groß, klein, vermindert oder übermäßig ist.) Durch die Begrenzung auf die Pentatonik werden in einer freien Improvisation Leit- und Strebetöne vermieden, welche im falschen Zusammenhang gebraucht einen Missklang ergeben könnten.

Kinderlied und Pentatonik

Die Pentatonik ist die Keimzelle der meisten Kinderlieder; vermutlich ist sie sogar die Keimzelle der Musik überhaupt.

Jede beliebige Abfolge von Tönen dieser Tonleiter empfinden die meisten Menschen als harmonisch; auch alle fünf Töne gleichzeitig gespielt, ergeben eine schwebende, wohlklingende Mehrstimmigkeit.

Im folgenden wird die pentatonische Melodiebildung anhand der Tonreihe D-E-G-A-H dargestellt:

  • Die einfachsten (Kinder)-Melodien bestehen aus der „Urzelle“ der Pentatonik, der sogenannten Kuckucksterz (auch Rufterz genannt):
«Zweiton-Formel» G-E-G-G-E | Kuckuck, Eierschluck;
  • danach wird ein neuer Ton entdeckt, der Ton über dem G, das A:
«Dreiton-Formel» A-G-E-A-G-E | Laterne, Laterne;
  • danach kommen der tiefste und der höchste Ton der Reihe hinzuzu, das D und das H:
«Fünfton-Formel» G-G-D-D-E-E-D–H-H-A-A-G | Old Mac Donald had a farm, E-I, E-i, O!

Pentatonische Melodien können mit jedem Ton der Reihe beginnen. Es müssen auch nicht immer alle Töne vorkommen („unechte Pentatonik“).

Hemitonische Pentatonik

Neben der beschriebenen Ganztonpentatonik gibt es auch die hemitonische (auch als ditonisch bezeichnete) Pentatonik, in welcher Halbtonschritte als wesentliches Merkmal vorkommen. Ein hervorragendes Beispiel für eine hemitonische Pentatonik mit den Tönen E, F, A, H und C sind die isländischen Zwiegesänge. Auch in der traditionellen japanischen Musik werden derartige Tonleitern verwendet (s. den Artikel Japanische Tonleitern).

Siehe auch


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