Performance-Künstler

Performance-Künstler

Performance wird eine situationsbezogene, handlungsbetonte und vergängliche (ephemere) künstlerische Darbietung eines Performers oder einer Performancegruppe genannt. Die Kunstform hinterfragt die Trennbarkeit von Künstler und Werk sowie die Warenform traditioneller Kunstwerke.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Performance, abgeleitet vom englischen Begriff „performance art” ist ein Konzept, in dem Widerspruch und Meinungsverschiedenheit bereits enthalten sind. Es kann keine allgemeinverbindliche Definition des Wesens von Performance geben. Die Widersprüchlichkeit rivalisierender Deutungen und Bedeutungen sind (wie beim Konzept ”Demokratie“) einer der wesentlichen Bestandteile des Begriffs Performance[1]. Die der Kunstrichtung Performance innewohnende Überwindung jeglicher Regelästhetik ist demnach folgerichtig. Es gibt semantische Überschneidungen zum Begriff Aktionskunst.

Theoretiker und Künstler unterscheiden Performance, die sich aus Konzepten der visuell gestaltenden Künste (Bildende Kunst) entwickelt hat, von Formen der darstellenden Künste (englisch: Performing Arts) wie Theaterperformance, Musikperformance, Literaturperformance.[2] Der Begriff Performance hatte ursprünglich nur die in den Darstellenden Künsten übliche Bedeutung von Auftritt, Aufführung oder Darbietung. Er wurde im englischen Sprachraum als „Performance Art” Anfang der 1970er Jahre für eine besondere Art der Arbeit bildender Künstler üblich und ins Deutsche als „Performance” übernommen. Im deutschen Sprachraum wird dem Unterschied zwischen Bildender Kunst und darstellenden Künsten für Performance eine größere Bedeutung beigemessen als im englischen oder angloamerikanischen.

Eine Performance ist kein Drama und nicht wie eine Aufführung vorstrukturiert. Performance im Sinne bildender Kunst ist ein offener künstlerischer Prozess in eigener Zeit, der als unmittelbare körperliche Handlung und Präsenz abläuft, und dessen Medium der Performance-Künstler selbst ist. Es wird nichts vorgespielt, sondern es wird etwas künstlerisch durchlebt oder durcharbeitet. In den darstellenden Künsten dagegen tritt der Mime hinter der Rolle zurück, die er in einem Stück vorspielt, so wie im klassischen Ballett der Tänzer hinter der Figur zurücktritt, die er in einer Choreografie vortanzt.

Musikperformance, Tanzperformance, Theaterperformance, Literaturperformance (und andere darstellende Performances) werden in diesem Artikel vorläufig nur ergänzend behandelt.

Performance als Bildende Kunst überwindet Auffassungen, nach denen nur dauerhafte, werthaltige, beliebig verschiebbare und verkäufliche Objekte, wie Gemälde und Skulpturen relevante bildende Kunst sind. Performances können anderen Strömungen, Kunstrichtungen, Bewegungen und Kunsttheorien im Bereich bildender Kunst zugeordnet sein, wie Body-Art und Fluxus-Performance.

Die Wiener Aktionisten und die Neo-Dadaisten, bevorzugen zur Beschreibung ihrer Aktivitäten Begriffe wie Live Art, Action Art, Intervention oder auch Manoeuvre, selbst wenn manche dieser Werke eine enge Definition von „Performance” erfüllen würden.

Beschreibung

Performance ist häufig ortsgebunden, kann jedoch überall, zu jeder Zeit und ohne zeitliche Begrenzung stattfinden. Dabei kommen vier Grundelemente ins Spiel: Zeit, Raum, der Körper des Künstlers und eine Beziehung zwischen dem Künstler und dem Zuschauer. Es gibt zwar Performances, deren Ablauf oder Konzept einer präzisen Dramaturgie folgen, die soziologische und philosophische Kontingenz der Entwicklung im Ablauf einer Performance ist jedoch ein wesentliches Element. Nicht selten sind Performances offene künstlerische Versuchsanordnungen ohne Ablaufkonzept.

Marina Abramovic: Seven Easy Pieces, 9. November 2005

Manche Zuschauer glauben, Elemente Darstellender Kunst, des Zirkus, des Entertainments oder experimenteller Musik in einer Performance zu erkennen, obwohl die Inspiration aus dem audiovisuellen Kontext der Bildenden Kunst, aus einer Beziehung zu Propaganda und Agitation (Dada und Neoismus) oder aus performance-eigenen Konzepten kam. Andere Performances sind tatsächlich Darstellende Kunst oder Musik, beispielsweise die Musikperformances in Tradition von John Cage[3]. Die treffende kunsthistorische Interpretation einer bedeutenden Performance kann daher so komplex sein wie die Interpretation großer Werke in anderen Kunstsparten.

Da eine Performance, wenn sie einmaliger Ausdruck einer künstlerischen Lebenssituation war, als gespielte Rolle wiederholt, eine Art Fälschung wäre, legen die meisten bekannten Performer und Performance-Gruppen Wert auf mediale Dokumentation und Rezeption ihrer Performances im Kunstbetrieb. Dokumentationen in Videotechnik oder Performances direkt als Videokunst oder Film, sowie Performance-Fotografie, werden in Ausstellungen gezeigt und auf dem Kunstmarkt gehandelt, manchmal ironisch oder provokativ als Reliquie oder Souvenir. Ebenso wird Performance meist durch angekündigte Veranstaltungen, Beschreibungen und Kritiken im Kunstbetrieb eingebettet.

In der digitalisierten Mediengesellschaft stellen einige Performer die Frage, ob Performance als flüchtiges künstlerisches Medium nicht stärker auf Wiederholbarkeit ausgerichtet werden müsste, damit das seit Beginn der Geschichte der Kunstform in Performances kodierte kulturelle Wissen nicht verloren geht und nicht verfälscht und missbraucht werden kann (Siehe dazu Marina Abramovic, „Seven Easy Pieces“[4]).

Geschichte

Performance in der bildenden Kunst und Performance in der darstellenden Kunst sind unterschiedliche Konzepte, die sich in einem produktiven Spannungsverhältnis befinden.[5]. Die Konzepte von Performance als Bildender Kunst und von Performance in den darstellenden Künsten haben in diesen Kunstgattungen ihre jeweils eigene Entwicklung und Geschichte. Performance in der Darstellenden Kunst (Musikperformance, Tanzperformance, Theaterperformance, Literaturperformance) wird in diesem Artikel vorläufig nur ergänzend behandelt.

Im europäischen Kunstkontext nehmen Bewegungen der künstlerischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts wie Futurismus und Dadaismus Elemente von Performance vorweg. Vorläufer von Performance in den 1950er Jahren sind unter künstlerischen Arbeiten im Neo-Dada oder bei Gutai, einer japanischen Kunstrichtung, zu finden.[6].

Wie Elisabeth Jappe in „Performance, Ritual, Prozess” schreibt, ist Performance einerseits Prozesskunst, die sich aus Action Painting und Happening entwickelte. Andererseits steht die Kunstform in Beziehung zum Ritual als einem grundlegenden Element menschlicher Kultur. Die künstlerische Auseinandersetzung mit Ritualen von Ethnien mit spätem Kontakt zu westlicher Zivilisation und von schamanistischeer Art, aber auch mit Ritualen europäisch oder anders geprägter Gesellschaften, ist untrennbar mit der Entstehung der Kunstform verbunden. Während Rituale jedoch durch möglichst unveränderte Wiederholung gekennzeichnet sind, ist eins der prozessorientierten Elemente von Performance, dass sie nie wieder so ausgeführt wird wie zuvor.

1960er Jahre

In den 1960er Jahren entstehen aus einer kritischen Haltung gegenüber der Verwertung von Kunst im Kunstbetrieb und in der Gesellschaft vermehrt performanceartige Arbeiten, meist jedoch als Teil von Happenings, Musiktheater und Fluxusstücken. Unter dem Einfluss der 68er-Bewegung wurden einige Happenings und performance-ähnliche Aktionen als politische Manifestationen gestaltet. Vor den 1970er Jahren hatte der Begriff Performance künstlerisch jedoch nur im Englischen in der darstellenden Kunst eine Bedeutung.

Als Vorläufer und Wegbereiter von Performance als eigener Richtung bildender Kunst (oder in „Visual Art”) können genannt werden: Allan Kaprow, Carolee Schneemann, Joseph Beuys, Bazon Brock, Wolf Vostell, Nam June Paik, Piero Manzoni, Valie Export, Yayoi Kusama, Al Hansen, Yoko Ono und Yves Klein.

Alan Kaprow hatte mit Happening eine Kunstform entwickelt, die das Publikum zum Teilnehmer und Akteur eines Ereignisses machte. Prozessorientiertes Happening hatte großen Einfluss auf die spätere, teils konventioneller erscheinende Kunstform Performance, die vor Publikum im Wesentlichen ohne dessen Beteiligung ablief.

Josef Beuys repräsentiert die für spätere Performer weiterhin bedeutende schamanistische Herangehensweise.

Mit einem offenen Karton vor die nackte Brust geschnallt, der mit einem Vorhang versehen ist, geht Valie Export 1968 in München auf die Straße. Eine Videokamera hält fest, wie vor allem Männer die Gelegenheit nutzen, um hineinzugreifen. Der Strassenaktion folgt 1969 eine Performance im Stadtkino München, die Formen von Performances der 1970er Jahre vorwegnimmt: „Aktionshose Genitalpanik”.

Events und Happenings von Yayoi Kusama können im Nachhinein teils als „Fotoperformance” oder „Straßenperformance” interpretiert werden.

Yoko Onos Concept-Art Stück „Wall piece for orchestra“ aus dem Jahr 1962, in dem sie begleitet von einem konventionellen Orchester kontinuierlich ihren Kopf auf den Bühnenboden schlug, würde heute als Performance gelten.

„Der Sprung in die Leere" (Le Saut Dans le Vide) von Yves Klein in der Rue Gentil-Bernard, Fontenay-aux-Roses, Oktober 1960 war ein Vorläufer der späteren Foto- und Medienperformances (Foto Harry Shunk). Die fotografische Dokumentation spielt mit der Vorstellung, der Sprung habe tatsächlich so stattgefunden. Das Foto blendet jedoch umfangreiche Vorkehrungen aus, die Yves Klein und der Fotograf für diesen Eindruck benötigten. Der Sprung könnte als Performance gelten, deren Bühne ein Foto ist.

In den 1960ern und 1970ern waren Happening- und Performance Künstler wie Robert Whitman[7], eher interessiert, Abgrenzungen zwischen Kunstsparten und zwischen Kunst und Wissenschaft zu überwinden, als sie festzuschreiben. Whitman verbindet Elemente aus Happening, Performance und Theater.

Wiener Aktionisten

In den 1960er Jahren entstanden aktionistische Arbeitsformen, in denen Anteile von Happening, Theater, Body Art und späterer Performance erkennbar wurden. Sie sollten nicht als Performances im engeren Sinne eingeordnet werden.

Die Materialaktionen Otto Muehls grenzt er selbst von Happening und von Kunst überhaupt ab. Obwohl Muehl oft als Performance Künstler bezeichnet wird, ist nicht belegt, dass seine Aktionen und seine eigenen Performances in der Zeit seines therapeutischen Aktionstheaters in den 1970er Jahren als Performancekunst im engeren Sinne gelten.

Als Performance fast ausschließlich für das Medium Fotografie können die sechs ästhetisch radikalen und einflussreichen Arbeiten des Wiener Aktionisten Rudolf Schwarzkogler zwischen Februar 1965 und Herbst 1966 beschrieben werden. Ähnlich wie Yves Klein beim „Sprung in die Leere” spielt Rudolf Schwarzkogler mit dem Eindruck der unmittelbaren Präsenz des Performers: Vermeintliche Selbstverletzungen und Selbstverstümmelungen in seinen Performances sind für das Medium Fotografie inszeniert. Oft ist er selbst nicht der Performer, sondern setzt jemand anders als Akteur oder vermeintlich Erleidenden ein.

Rudolf Schwarzkogler starb 1969 nach einem Sturz aus dem Fenster. Um ihn und sein Werk entstanden zahlreiche Mythen und Fehlinterpretationen, meist im Zusammenhang mit Themen wie Kastration, Selbstverstümmelung und Suizid.[8] Eine Kunstfigur, in der solche Mythen eine von Schwarzkogler abgekoppelte, unabhängige Existenz führen, ist der erfundene kanadische Performer John Fare.[9]

Günter Brus nimmt mit seinen Aktionen vom „Wiener Spaziergang“ am 5. Juli 1965 bis zur „Zerreißprobe” 1970 Charakteristika späterer Performances anderer Künstler vorweg. Seine körperbezogenen ästhetischen Grenzüberschreitungen sind ähnlich denen Schwarzkoglers prototypisch für „Body Art-Performance”.[10]

Die Aktionen und Performances von Wolfgang Flatz, erstmals 1974, dann bis in die 90er Jahre, sind keine direkten Weiterführungen des Wiener Aktionismus, setzen teils aber auf verwandter Basis autoagressive Inszenierungen fort, wobei konzeptionell Einflüsse aus Body Art und Pop Art festzustellen sind. Flatz bezieht oft den Voyeurismus und die körperliche Aggressivität des Publikums ein, dem er seinen Körper extrem ausliefert. Ebenso riskiert er in autoagressiven Performances ohne Möglichkeit des Publikumseingriffs bleibende Verletzungen.

Bei Aktionen der Wiener Aktionisten und bei Bodyperformances anderen Künstler bleibt oft die Frage, inwieweit es ein künstlerisches Mittel sein kann, die körperliche Unversehrtheit scheinbar oder tatsächlich aufzugeben und ob damit künstlerische Hintergründe transportiert werden.

1970er Jahre

Wird Performance eng als bildende Kunst definiert, die visuelle Innovationen der Malerei und Bildhauerei um Dimensionen wie Handlung und Zeit erweitert, sind Happenings und Fluxus-Aktionen, die performanceähnliche Elemente enthalten, nur als Vorläufer zu betrachten. Nach dieser Auffassung (vgl. Jappe) entsteht Performance als eigene Kunstform erst Anfang der 1970er Jahre. Während es im Happening nur Mitwirkende geben sollte[11], führen Performer dieser Richtung ihre Arbeit den von sonstiger Teilnahme eher ausgeschlossenenen Zuschauern unmittelbar oder über Medien vor.

Einige Künstler, die bereits gegen Ende der 1950er Jahre oder in den 1960er Jahren Happenings veranstalteten, gingen Anfang der 1970er Jahre dazu über, ihre künstlerische Arbeit als Performance zu präsentieren. Carolee Schneemann, die in den 1960er Jahren mit einer Gruppe von Künstlern eine eigene Form des Happenings, das „Kinetic Theater” entwickelt hatte, begann in den 1970er Jahren mit Soloperformances, die den weiblichen Körper radikal und innovativ als künstlerisches Medium zeigten und den Zuschauern Gelegenheit gaben, eigenes geschlechtsspezifisches Verhalten freudig zu reflektieren.[12]

Gilbert & George wurden bekannt als „The Singing Sculpture“ (1970): Sie standen mit Goldfarbe bemalt auf einem Tisch oder Sockel, ließen das Lied „Underneath the Arches“ ablaufen und posierten mimisch oft für Stunden dazu. Viele andere Arbeiten führten Gilbert & George mit absolut ausdruckslosem Gesicht und in zusammenpassenden Geschäftsanzügen aus. Es ist nicht bekannt, dass einer der beiden ohne den anderen gesehen wurde. Sie lehnen es ab, ihre Aktionskunst von ihrem alltäglichen Leben zu trennen und definieren ihre gesamte Aktivität und sich selbst als lebende Skulptur („living sculpture“).

Joan Jonas brachte zwischen 1972 und 1976 das Medium Video in Dialog mit Performance und erweiterte die formalästhetischen Grundlagen feministischer Video- und Performancekunst.[13]

Für Bruce Nauman sind „Handeln” und „Darstellen” wie im englischen „to act” eine Einheit. Er beschäftigte sich mit Routinen und Gewohnheiten, wie dem Auf- und Abgehen, oder einer Handbewegung, die durch Wiederholung zu Performance mit theatralischem Charakter werden. Direkt inszeniert für Video rücken seine Performances in die Nähe medial vermittelten Theaters.[14]

Andere Erweiterungen der Kunstrichtung gab es durch Marina Abramovic, Vito Acconci und Timm Ulrichs. Marina Abramovic bezieht in der Performance „Rhythm 10” von 1973 die Verletzung ihres Körpers konzeptuell ein.[15]

Stelarc setzte sich ab 1970 in Performances mit dem Verhältnis Mensch und Maschine auseinander. Mark Pauline’s Survival Research Lab begann 1978 damit, Maschinen selbst als Performer auftreten zu lassen.

Eine enge Verbindung zwischen Performance Kunst und Musikperformance entwickelte Laurie Anderson: „Laurie Anderson begann ihre Laufbahn als Performance-Künstlerin irgendwo zwischen Body Art und autobiographischer Kunst (...).” „Als klassisch ausgebildete Geigerin begann Anderson ihre Fähigkeiten 1974 in "Dusts on Ice" einzusetzen, einem Freiluftstück, (...), in dem ihr Spiel von Tonbandmusik begleitet wurde, während sie in Schlittschuhen auf einem schmelzenden Eisblock stand.”[16]

Ab 1975 wird das Kunstzentrum „De Appel”[17] in Amsterdam einer der wichtigen Orte für Performance in Europa.

1980er Jahre

Bis in die 1990er Jahre zunehmend, sind aus der darstellenden Kunst beeinflusste Performer nicht mehr Träger existenzieller Versuchsanordnungen, sondern bewahren sich gegenüber Versuchsanordnungen ihrer Performance eine spielerische Distanz. Für diesen Stil beispielhaft: Paul McCarthy (siehe „Painter”[18]), Pat Oleszko und Forced Entertainment. [19]

Aus Impulsen des Punk entstehen in Europa gleichzeitig Formen der Performance, die in der Maske einer „Musikband” wie Die Tödliche Doris, Etant Donné oder minus delta t sichtbar werden.[20]

Gegenwart

Während Performance-Kunst im öffentlichen Raum in den USA rückläufig ist, erlebt sie in Osteuropa und Asien eine neue Blüte. Im Zusammenhang mit Neuen Medien haben sich weitere Möglichkeiten entwickelt, etwa Aktionen im Internet.

Im deutschen Sprachraum

Kunstszenen

Performer Adam Read 2005 in Berlin

Für Performance bedeutende Kunstszenen gibt es in Berlin, Wien, Hamburg, Basel und Köln. In Köln gab es bereits in den 1960er Jahren performanceähnliche Aktionen international bekannter Künstler, beispielsweise von Nam June Paik 1961[21]. Seit 1981 bot die Moltkerei Werkstatt[22][23] einen ständigen Ort für Performances. Al Hansen, bekannt durch die Performance Yoko One Piano Drop, gründete 1987 die Ultimate Akademie[24] in Köln, in deren Lehrprogramm Performance zum Standard gehörte. 1990 begann der ASA European e.V. mit der Realisation der von Boris Nieslony eingeführten Idee der Performance Konferenzen[25]. 15 Konferenzen fanden bis 2007 an folgenden Orten statt (Stand 2007): Köln, Frankfurt, Hamburg, Berlin, Essen, Glarus (Schweiz), Bangkok (Thailand), Ho Chi Minh City (Vietnam) und Bedulu (Bali). Anhand der dokumentierten Konferenzen lässt sich ein Zweig der international und mit asiatischen Ländern vernetzten Performance-Szene im deutschen Sprachraum verfolgen.

Performancegruppen

Zu den Performancegruppen mit Beziehung zum deutschen Sprachraum zählt Black Market International, eine internationale Gruppe von Performancekünstlern, die ab 1985 zusammenarbeitete und bis mindestens 2005 in wechselnder Besetzung auftrat.[26] Die Anarchistische GummiZelle (AGZ), eine Performancegruppe, die vorwiegend in den 1980er Jahren aktiv war tritt seit 2002 wieder auf.

Der Performancekünstler Wolfgang Müller ließ 1998 Text und Musik der LP No.1 (1981) seiner Gruppe „Die Tödliche Doris” (s. o.), durch zwei Gebärdensprachdolmetschern in Gebärden, Gesten und Körperinteraktionen umwandeln (im Prater der Volksbühne Berlin)[27]. Das Resultat, Gehörlose Musik[28], wurde 2007 in einem Berliner Gehörlosenzentrum und einer britischen Galerie vorgestellt.[29]

Ab Mitte der 1990er-Jahre gründeten sich mehrere Gruppen, die den Performance-Begriff in das traditionelle Theater einbrachten. Bekannt im deutschsprachigen Raum sind unter anderem Showcase Beat Le Mot, Gob Squad, She She Pop, Rimini Protokoll. Das zeitgenössische Tanztheater übernahm Anregungen durch „bildende“ Performance-Künstler.

Performance Künstler

Zu den international bekannten Performern mit besonderer Beziehung zum deutschen Sprachraum zählen Al Hansen, Nan Hoover und Nam June Paik.

Nam June Paik arbeitete von 1958 bis 1961 im kölner Studio für elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks (WDR) mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen zusammen. Paik gehört zu den ersten Künstlern, die in Deutschland performanceähnliche Auftritte hatten und war ab 1979 bis Mitte der 1990er Jahre Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, lebte hauptsächlich aber in den USA.

Nan Hoover ist wie Nam June Paik ein Videopionier. Sie zeigte ihre erste Lichtperformance 1976 in Berlin und lebte und arbeitete danach verstärkt in Deutschland.[30] In ihrem Werk sind Video und Performance teils untrennbar verbunden. Charakteristisch für die strengen und kontemplativen Performances sind Linien als Umriss eines Körpers und die konzentrierte und langsame Bewegung der Performerin vor einem Video oder in einer minimalistischen Licht/Schatten Projektion.[31]

Als deutschsprachige Künstler, die Performance als Kunstrichtung prägten, können genannt werden: Josef Beuys, Valie Export, Ulrike Rosenbach, Christoph Schlingensief, Helmut Schober.

In Christoph Schlingensiefs Aktionen und Auftritten in eigenen Theaterproduktionen, bei öffentlichen Anlässen und in Fernsehsendungen seit 1998 haben Ansätze und Methoden des Mediums Performance die möglicherweise breiteste Wirkung im deutschsprachigen Raum seit Joseph Beuys erfahren. Bei Schlingensiefs Aktionen soll die überspitzte Selbstdarstellung das Epizentrum eines aus dem Theater ausbrechenden gesellschaftlichen Prozesses sein (vergleiche: Ausländer raus! Schlingensiefs Container, Church of Fear). Demgegenüber entwickelten Jonathan Meese und John Bock ihre Bild- und Text bezogenen Performances als theaterähnliche Auftritte: z. B. Bocks „Medusa“ (2006 im Magazin der Staatsoper Unter den Linden, Berlin) oder Meeses Beteiligung als Performer und Bühnenbildner für Frank Castorfs Inszenierung von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg (2006).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. vgl. Marvin Carlson „Performance“, S.1,2
  2. vgl. Marvin Carlson „Performance“, S. 103,2-105,1
  3. John Cage performing Water Walk on game show in 1960. In: Artforum. Artforum. Abgerufen am 14.12.2008. (englisch)
  4. MARINA ABRAMOVIC SEVEN EASY PIECES. Abgerufen am 22.11.08. (englisch)
  5. vgl. Marvin Carlson „Performance“, S. 105,2ff
  6. Tate. In: Tate Collection. Tate Britain. Abgerufen am 13.10.2008. (englisch)
  7. Media Art Net. In: Medien Kunst Netz. Abgerufen am 12.10.08.
  8. Philip Wincolmlee Barnes: The Mind Museum: Rudolf Schwarzkogler and the Vienna Actionists. In: reconstruction.eserver.org. reconstruction:studies in contemporary culture. Abgerufen am 08.11.08. (englisch)
  9. Daniel Krčál: Der konstruierte Auto-Dekonstrukteur. In: evolver.at. E.VOLVER.: „The story of John Fare which has managed to persist for almost twenty years now, has no factual basis.“. Abgerufen am 08.11.08.
  10. E. Znaymer: Das Denken ist ein Unfall. In: Datum 05/05 Seiten der Zeit. Datum. Abgerufen am 6.11.08.
  11. virtuelles museum moderne nrw. In: museums plattform nrw. NRW KULTURsekretariat, S. 1,3.: „Er will keine Zuschauer, sondern Beteiligte.“. Abgerufen am 17.10.08.
  12. Edith Almhofer: Performance Art: Die Kunst zu leben. Verlag Böhlau, Wien; Köln; Graz; Böhlau 1986, ISBN 3-205-07290-1, S. 9,2. 
  13. Video Data Bank: Joan Jonas. In: Video Data Bank. The School of the Art Institute of Chicago. Abgerufen am 22.10.2008. (englisch)
  14. Bruce Nauman: Theaters of Experience. In: Guggenheim Foundation. Deutsche Guggenheim, S. vgl. 1,1-1,3. Abgerufen am 14.12.2008.
  15. Medien Kunst Netz. Goethe-Institut und ZKM Karlsruhe. Abgerufen am 15.10.2008.
  16. Peter Frank: Nachkriegs-Performance: Das Vermischen von Kunstformen und. In: Ars Electronica Archiv. Ars Electronica Archiv, S. 17,2. Abgerufen am 20.02.2009.
  17. De Appel. Abgerufen am 14.12.2008. (englisch)
  18. Paul McCarthy: Painter (preview). In: YouTube. 31. März 2007. Abgerufen am 04 Februar 2009. (Video)
  19. Forced_Entertainment. Wikipedia.: „Im Gegensatz zu klassischen Langzeit-Performances wie I like America and America likes me (Joseph Beuys, 1974) oder Relation in Time (Marina Abramovic und Ulay, 1977) werden bei diesen wie auch den zeitlich auf einen überschaubaren Rahmen begrenzten Aufführungen die Performer weniger zu Trägern existenzieller Versuchsanordnungen, sondern bewahren sich gegenüber den Versuchsanordnungen der jeweiligen Performance stets eine von Humor und Überlegenheit geprägte spielerische Distanz.“. Abgerufen am 6.11.08.
  20. Diese Bands treten im "Performance-Block" von Kuratorin Elisabeth Jappe auf der documenta 8 (1987) auf und sind so etwas wie das Gegenstück zur protestantischen Heiterkeit der sonst in den Kunstinstutitionen dominierenden Performancekunst, mit ihrer sakral anmutenden Betonung des Körpers.
  21. Paik, Nam June : Performance im Hause Ramsbott. Medien Kunst Netz. Abgerufen am 10.10.2008.
  22. Moltkerei Werkstatt, Projekte 1981-1994. Verlag & Buchhandlung Constantin Post of Cologne, Köln 1995, ISBN 3-923167-14-8. 
  23. Die Moltkerei. : „The Moltkerei is the only exhibition/performance space of its kind in Germany.“. Abgerufen am 10.10.2008. (englisch)
  24. Chronik der Ultimate Akademie 1987-1997. Abgerufen am 10.10.08. (Onlineversion des Printkatalogs von 1997)
  25. Boris Nieslony: Performance Conferences. ASA-European e. V.. Abgerufen am 10.10.08.
  26. Black Market International - Performance Meeting. IAPAO, 13.06.2005.: „Black Market International, founded in 1985, has got its 20th anniversary this year.“. Abgerufen am 10.10.08. (englisch)
  27. Die Tödliche Doris hat das konventionelle Urheberrecht ignoriert, wo es möglich war. Für die Umwandlung von urheberrechtlich geschützter Musik und Texten in Gebärden und Gesten einer Performance besteht laut GEMA keine Anmeldepflicht.
  28. DVD und Buch
  29. Die tödliche Doris: Soundless Music. Kunstaspekte. Abgerufen am 16.03.2009. (englisch - deutsch, alt.gallery, Newcastle Upon Tyne, 28.11.07 - 09.02.08)
  30. Petra Bosetti/dpa: Licht wird Dunkel, Dunkel wird Licht. In: art-magazin.de. 16.06.2008. Abgerufen am 09.12.2008.
  31. hoover: 10 Werke / 2 Biografien / 2 Quellentexte. In: Medien Kunst Netz. Goethe-Institut und ZKM Karlsruhe. Abgerufen am 10.12.08.

Literatur

  • Marvin Carlson: „Performance: A Critical Introduction. London and New York: Routledge, 1996. ISBN 0-4151-3703-9, 9780415137034
  • Thomas Dreher: Performance Art nach 1945. Aktionstheater und Intermedia. München: Wilhelm Fink 2001. ISBN 3-7705-3452-2 (mit umfangreicher Bibliographie)
  • Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen. Frankfurt: edition suhrkamp 2004. ISBN 3-518-12373-4
  • RoseLee Goldberg: Performance Art from Futurism to the Present. London: Penguin 1988. ISBN 0-500-20214-1 (Erweiterte Neuauflage von „Performance: Live Art to the Present“, London 1979)
  • Elisabeth Jappe: Performance. Ritual. Prozeß. Handbuch der Aktionskunst in Europa München-New York: Prestel 1993
  • Paul Schimmel: Out of actions. Aktionismus, Body Art & Performance 1949-1979, deutsche Ausgabe, Ostfildern: Cantz Verlag 1998, ISBN 3-89322-956-6 (umfangreicher Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Los Angeles und im Museum für Angewandte Kunst, Wien)
  • Gabriele Klein, Wolfgang Sting (Hrsg.): Performance: Positionen zur zeitgenössischen szenischen Kunst. Bielefeld: transkript 2005. ISBN 3-89942-379-8
  • Christian Janecke (Hg.): Performance und Bild. Performance als Bild, PHILO & PhiloFineArts, Hamburg 2004 (FUNDUS Band 160), ISBN 978-3-86572-621-6

Weblinks


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