Atommülltransport

Atommülltransport

Als Atommülltransporte werden häufig die Transporte radioaktiver Abfälle beispielsweise mit Castor-Transportbehältern bezeichnet. Dazu gehören insbesondere

Darüber hinaus finden regelmäßig – und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – Transporte mit schwach- und mittelaktiven Abfällen zu Konditionierungseinrichtungen und Zwischenlagern statt.

Inhaltsverzeichnis

Widerstand gegen Atommülltransporte

Räumung der von Demonstranten errichteten Blockaden gegen den Castor-Atommülltransport auf der Straße nach Gorleben (1996)

In Deutschland gibt es großen Widerstand der Anti-Atomkraft-Bewegung gegen den Transport von radioaktiven Abfällen, die von der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich nach Deutschland zurückgebracht werden. In Zukunft sollen mit solchen Transporten auch Abfälle aus Sellafield, Großbritannien, zurückgeführt werden.

Die Kritik der Gegner richtet sich allerdings nicht gegen den generellen Rücktransport des deutschen Atommülls nach Deutschland. Die Proteste wenden sich vor allem gegen die fortgesetzte Produktion von weiterem Atommüll und speziell gegen den Endlagerstandort Gorleben, der als ungeeignet angesehen wird. Aufgrund der vor Ort verankerten Protesttradition und des Symbolcharakters gibt es bei den Transporten zum Zwischenlager Gorleben stärkere Proteste als bei Transporten von Deutschland ins Ausland, die bis Mitte 2005 durchgeführt wurden.

Neben diesen Protesten kam es über die Jahre auch immer wieder zu Sabotageakten, die sich direkt oder indirekt gegen Atommülltransporte richteten. Dabei wurden beispielsweise Stellwerke, Eisenbahnfahrleitungen (mittels Hakenkrallen) und Achszähler sabotiert.

Ereignisse und Unfälle

Castor-Transporte nach Gorleben

Transportbehälter auf dem Weg nach Gorleben (9. November 2008)

Im April 1995 wurde der erste Castor-Transport in das Zwischenlager Gorleben durchgeführt. Bei diesem, wie bei allen weiteren, transportierte man die Castor-Behälter per Bahn bis zur Verladestation Dannenberg. Dort verlud man sie auf LkWs, um sie über die Straße in das Zwischenlager Gorleben zu fahren. Der Transport wurde auf dem letzten Abschnitt im Landkreis Lüchow-Dannenberg von 4.000 Demonstranten begleitet, den Schutz nahmen 7.600 Polizisten vor. Der dritte Castor-Transport im Mai 1997 wurde von 30.000 Polizisten geschützt.

Im Frühjahr 1998 wurde bekannt, dass an mehreren Transportbehältern (keine Castor-Behälter) über Jahre hinweg aufgrund äußerer Kontamination Strahlung weit über den zulässigen Grenzwerten gemessen wurde. Daraufhin stoppte die damals amtierende Umweltministerin Angela Merkel im Mai 1998 die Transporte vorläufig.[1] In den darauffolgenden Wochen wurde veröffentlicht, dass man im Umweltministerium und der zuständigen Abteilung für Strahlenschutz unter Leitung von Gerald Hennenhöfer, seit Jahren von den erhöhten Strahlenwerten wusste. Dieser als Kontaminationsskandal bezeichnete Umgang der Atommüllfracht wurde weit über die Anti-Atomenergie-Bewegung hinaus kritisiert, so sprach etwa die Gewerkschaft der Polizei von menschenverachtendem Verhalten.[2] Im Januar 2000 wurden die Castortransporte unter dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin wieder aufgenommen.

Beim achten Castor-Transport von La Hague ins Zwischenlager Gorleben kam es bei einem Blockadeversuch am 7. November 2004 zu einem Unfall mit Todesopfer. In der Nähe von Avricourt (Lothringen), kurz vor der deutschen Grenze, wurde der 22-jährige Sébastien Briat vom Sog des nicht bremsenden Zugs auf die Gleisanlage geschleudert, bei dem ihm beide Beine abgetrennt wurden. Der Lokführer konnte die Protestgruppe nicht rechtzeitig sehen, da die Aktion in einer Kurve stattfand. Noch vor Ort erlag Sébastien Briat seinen Verletzungen.[3] Der Zug fuhr ohne Luftüberwachung, weil der einzige dafür eingesetzte Helikopter gerade nachtankte.[4]

Im November 2008 führte man den elften Atommülltransport von La Hague nach Gorleben durch. Aufgrund der fehlenden Genehmigung der weiterentwickelten deutschen Bauart HAW28M wurde dieser Transport aus elf Behältern der französischen Bauart TN 85 gebildet.[5].

Aufgrund der Genehmigungsprobleme für die neue Castor-Bauart HAW28M verschob die Bundesregierung den nächsten geplanten Castor-Transport vom November 2009 auf den November 2010.[5]

Der zwölfte Transport bestand erstmals aus zehn Castor-Behälter der weiterentwickelten Bauart HAW28M, die am 29. Januar 2010 die Genehmigung vom Bundesamt für Strahlenschutz erhalten hatte[6], und einem Behälter des Typs TN 85[5]. Dieser Transport fand zwischen dem 5. November und dem 9. November 2010 statt, gut eine Woche nachdem der Bundestag am 28. Oktober 2010 die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke beschlossen hatte. Er wurde von starken Protesten begleitet und ist bis zu diesem Datum der Transport, der von La Hague bis zum Zwischenlager Gorleben die längste Zeit benötigte.[7]

Die Bespannung des Castor-Zuges übernehmen in Deutschland in der Regel Diesellokomotiven der Baureihe 232. Acht von diesen wurden in Details, wie der Möglichkeit Schutzgittern vor den Fenstern anzubringen, für diese Einsätze vorbereitet. Diese können so auch unter abgeschalteter Oberleitung fahren und sind vor Wurfgeschossen geschützt. Hinter der Lokomotive bzw. den Lokomotiven folgen Personenwagen, in denen Polizisten der Bundespolizei den Zug begleiten. Anschließend folgen die Behälter mit dem atomaren Abfall auf Güterwagen. Zwischen die Waggons mit den Atommüllbehältern werden häufig leere Güterwaggons eingereiht. Dahinter folgen weitere Personenwagen, sowie eine bzw. zwei weitere Lokomotiven. In dieser Formation kann der Zug sowohl vorwärts als auch rückwärts fahren, ohne größeren Rangieraufwand zu benötigen[8]. Die Transporte werden von der NCS Nuclear Cargo+Service GmbH, einer Tochter der französischen Daher S.A. organisiert.

Nummer Ursprung der Castor-Behälter Ankunft in Gorleben Bemerkungen
1 Kernkraftwerk Philippsburg 25. April 1995[9]
2 Wiederaufarbeitungsanlage La Hague 8. Mai 1996[9]
3 Kernkraftwerk Neckarwestheim,
Kernkraftwerk Gundremmingen,
La Hague
5. März 1997[9]
4 La Hague 29. März 2001[10]
5 La Hague 14. November 2001[11]
6 La Hague 14. November 2002[12]
7 La Hague 12. November 2003[13]
8 La Hague 9. November 2004[14]
9 La Hague 19. November 2005[15]
10 La Hague 13. November 2006[16] Transportdauer 58 Stunden
11 La Hague 11. November 2008[17] Transportdauer 80 Stunden
12 La Hague 9. November 2010[18] Transportdauer 92 Stunden

Transporte in das Zwischenlager Nord

In das in Mecklenburg-Vorpommern bei Greifswald gelegene Zwischenlager Nord, das ursprünglich nur die radioaktiven Abfälle der stillgelegten Kernkraftwerke Greifswald-Lubmin und Rheinsberg aufnehmen sollte, wird seit Ende 2010 auch radioaktiver Abfall aus den alten Bundesländern eingelagert. Der erste Transportzug mit vier Castorbehältern aus dem südfranzösischen Kernforschungszentrum Cadarache, wo 2.500 Brennstäbe aus einem stillgelegten Forschungsreaktor in Karlsruhe sowie aus dem ehemals atomgetriebenen Forschungsschiff Otto Hahn aufbewahrt wurden, startete am 14. Dezember 2010 und erreichte Lubmin am 16. Dezember 2010.[19] Der zweite Transport mit fünf Behältern, die 56 Tonnen Atommüll in Glaskokillen enthielten, hatte in der ehemaligen Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe am 17. Februar 2011 seinen Ausgangspunkt und erreichte sein Ziel nach 28 Stunden, wobei er unterwegs mehrfach blockiert wurde. Gemäß Innenminister Lorenz Caffier sind keine weiteren Atommülltransporte in das Zwischenlager Nord geplant.[20]

Weitere Atommülltransporte

Am 4. Februar 1997 entgleiste ein Zug mit abgebrannten Brennelementen aus dem Kernkraftwerk Emsland im französischen Grenzort Apach.[21]

Im September 2005 wurde an fünf Behältern mit schwachradioaktiven Abfällen aus dem Kernkraftwerk Krümmel bei der Eingangskontrolle im Abfalllager Gorleben eine erhöhte Strahlung durch äußere Kontamination festgestellt. Die Werte überschritten den zulässigen Grenzwert von vier Becquerel pro Quadratzentimeter teilweise um das Fünffache. Eine Gefährdung von Bevölkerung und Personal bestand laut dem zuständigen niedersächsischen Umweltministerium zu keiner Zeit, da der Transport in geschlossenen Transportcontainern stattfindet.

Einzelnachweise

  1. Zeit online: Der Castor-Skandal zeigt: Selbstkontrolle der Atomindustrie ist nicht genug
  2. Gewerkschaft der Polizei:"Atomindustrie handelt menschenverachtend"
  3. Spiegel Online 13. November 2004:"Castor-Gegner war bei Unfall nicht mehr angekettet"
  4. Greenpeace Magazin 2.05, abgerufen am 9. November 2010
  5. a b c Elbe-Jeetzel-Zeitung Castor-Transport: Erstmals wird der neue HAW 28 M eingelagert
  6. GNS:Lagergenehmigung für den CASTOR® HAW28M erteilt
  7. Greenpeace:"Aktivisten fixieren LKW auf Castorstrecke"
  8. ContraAtom.de:"Gorleben: Castor-Zug ins Wendland"
  9. a b c Spiegel Online 9. November 2001:"Die bisherigen Transporte"
  10. Spiegel Online 29. März 2001:"Alles rund um den Castor"
  11. Spiegel Online 14. November 2001:"Atommüll in Gorleben angekommen"
  12. Spiegel Online 14. November 2002:"Atommüll am Ziel"
  13. Spiegel Online 12. November 2003:"Castor-Transport in Gorleben angekommen"
  14. Spiegel Online 9. November 2004:"Castor-Transport erreicht Gorleben"
  15. Spiegel Online 22. November 2005:"Castortransport erreicht Gorleben"
  16. Spiegel Online 13. November 2006:"Polizei räumt Weg für Castor frei"
  17. Spiegel Online 11. November 2008:"Castor-Transport erreicht Endlager nach heftigen Protesten"
  18. Spiegel Online 9. November 2010:"Der Castor gelangt ans Ziel"
  19. Neuer Atomtransport gestartet - Der Castor rollt Richtung Deutschland. tagesschau.de, 14. Dezember 2010, abgerufen am 16. Dezember 2010.
  20. Castor-Transport nach Blockaden im Zwischenlager. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Februar 2011, abgerufen am 18. Februar 2011.
  21. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 'Sicherheit von Atomtransporten' - Drucksache 13/6949 -

Weblinks


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