Pezzl

Pezzl

Johann Pezzl (* 30. November 1756 in Mallersdorf, südlich von Straubing; † 9. Juni 1823 in Wien) war ein Schriftsteller und Bibliothekar.

Leben

Johann Pezzl gilt als radikaler, antiklerikaler Aufklärer, der zu seiner Zeit mit Voltaire verglichen wurde. Er wurde 1775 Novize der Benediktiner vom Kloster Oberalteich, verließ den Orden aber schon nach einem Jahr wieder. Ab 1776 studierte er in Salzburg Rechtswissenschaft. Dort lernte er Johann Kaspar Riesbeck kennen, der ihn mit weiteren Aufklärungsschriften bekannt machte und ihn in bayerische Freimaurer- und Illuminaten-Kreise einführte. Zwischen 1780 und 1783 erschienen seine Briefe aus dem Noviziat, in denen er dem weltabgewandten Mönchstum ein aufgeklärtes, weltoffenes Bürgertum entgegenstellte. Es wurde in Kurbayern sofort verboten. Als 1780 auch in Salzburg eine Untersuchungskommission gegen ihn ermittelte, ging er nach Zürich und veröffentlichte 1783 seinen Roman Faustin oder das philosophische Jahrhundert, „der geradezu als Illuminatenroman bezeichnet werden kann“ (Helmut Perl). Seit 1784 lebte er in Wien, wo er anfangs die Bibliothek des Wenzel Anton Graf Kaunitz betreute. In diesem Jahr erschien auch sein heute bekanntestes Buch Reise durch den Baierischen Kreis. 1785 trat er in die Freimaurerloge „Zum Palmbaum“ ein und gehörte auch zum Kreis um die Freimaurerloge „Zur wahren Eintracht“ des Wiener Illuminaten Ignaz von Born. 1791 wurde er Beamter in der Hofchiffrierkanzlei. Pezzls spätere Schriften und Bücher behandeln vor allem Wien und Österreich. Er gilt als „bedeutender Wiener Aufklärer“, Topograf und Sittenschilderer, der auch zur Entstehung des österreichischen Nationalbewußtseins beigetragen habe. Seine bissige Sozialkritik überschritt jedoch gelegentlich jedes vernünftige Maß, z. B. wenn er die polnischen Juden als gesellschaftlich auf der Stufe von Orang Utans stehend bezeichnete.

Werke

  • Briefe aus dem Noviziat (1780-83, 4 Bände)
  • Reise durch das Gebiet von Zürich (1783)
  • Faustin oder das philosophische Jahrhundert (1783, Neuauflage 1982)
  • Reise nach Ostindien und China, auf Befehl des Königs unternommen vom Jahr 1774 bis 1781. (1783, Verfasser Pierre Sonnerat, aus dem Französischen übersetzt von Johann Pezzl, 2 Bände)
  • Reise durch den Baierischen Kreis (1784, Neuauflage 1982; Audio-CD "Mit Johann Pezzl durch Bayern, 1784", 2000)
  • Marokkanische Briefe (1784) (Dazu Gegenschrift des Altöttinger Kuratpriesters Josef Aloys Schmid: Wider die heutigen Neuerer im politischen und Religionssysteme, 1786)
  • Faustin ou le siecle philosophique (1784, französische Übersetzung)
  • Reisen eines Philosophen oder Bemerkungen über die Sitten von Afrika, Asien und Amerika (nach Poivre aus dem Französischen übersetzt)
  • Merkwürdige Schriften zum Andenken des philosophischen Jahrhunderts (1785)
  • La princesse de Babylon (1785, Übersetzung von Voltaires Erzählung)
  • Schilderung des ottomanischen Reiches (1785, Verfasser Monradgea d'Ohsson, aus dem Englischen übersetzt)
  • Reise durch Polen, Russland, Schweden, und Dänemark. Mit historischen Nachrichten, und politischen Bemerkungen begleitet (1785-1792, Verfasser W. Coxe, aus dem Englischen übersetzt von Johann Pezzl, 3 Bände)
  • Skizze von Wien (1786-90, 6 Hefte)
  • Schatten und Licht, Epilog zu den Wiener Maurerschriften (1786)
  • Biographisches Denkmal Riesbecks (1786)
  • Vertraute Briefe über Katholiken und Protestanten (1787), Digitalisat (PDF)
  • Abdul Erzerum's neue persönliche Briefe (1787)
  • Sinzerus, der Reformator (1787, anonym, evtl. Johann Pezzl)
  • Denkmal auf M. Stoll (1788)
  • Charakteristik Josephs II. (1790)
  • Österreichische Biographien (1790-92, 4 Bände)
  • Loudon's Lebensgeschichte (1791)
  • Lebensbeschreibungen des Fürsten Raimund Montekukuli, des Fürsten Wenzel Lichtenstein, des Hofraths Ignatz von Born samt einem Portraite (1792)
  • Geschichte Papst Pius des Sechsten, seligen Gedächtniß (1800)
  • Ulrich von Unkenbach und seine Steckenpferde (1800-1802, 2 Bände)
  • Neue Skizze von Wien (1805)
  • Beschreibung von Wien (1806)
  • Die Umgebungen Wiens (1807)
  • Gabriel oder die Stiefmutter Natur (1810, Roman)
  • Description et plan de la ville de Vienne (1812)
  • Les environs de Vienne (1812)
  • Beschreibung der Haupt- und Residenz-Stadt Wien (1816)
  • Wien mit Umgebung und dessen Merkwürdigkeiten (1821)
  • Chronik von Wien (1824)

Leben


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pezzl — Pezzl, Johann, geb. 1756 in Mollersdorf in Österreich unter der Enns; privatisirte zuerst in Salzburg u. Zürich, wurde 1785 Secretär u. Bibliothekar beim Fürsten von Kaunitz in Wien u. 1791 bei der Chifferkanzlei daselbst angestellt; er schr.:… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Johann Pezzl — (* 30. November 1756 in Mallersdorf, südlich von Straubing; † 9. Juni 1823 in Wien) war ein Schriftsteller und Bibliothekar. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Dungau — Der Gäuboden Der Gäuboden oder Dungau ist eine Region Niederbayerns mit nicht fest umrissenen geographischen und kulturellen Grenzen, die sich in einer Breite von etwa 15 Kilometern südlich der Donau und des Bayerischen Walds hinzieht,… …   Deutsch Wikipedia

  • Ignaz Edler von Born — Ignaz von Born Ignaz Edler von Born (* 26. Dezember 1742 in Karlsburg, Siebenbürgen; † 24. Juli 1791 in Wien) war ein Mineraloge, Geologe und führender Kopf der Wiener Illuminaten …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Pet–Pez — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Straßennamen von Wien/Hernals — Straßen in Wien I. Innere Stadt | II. Leopoldstadt | III. Landstraße | IV. Wieden | V. Margareten | VI. Mariahilf | VII.  …   Deutsch Wikipedia

  • Weihenstephan (Stadtteil) — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Baptist Vanhal — (Jan Křtitel Vaňhal) [ He himself spelt his name Johann Baptist Wanhal; his Viennese contemporaries and most scholars until World War II used the spelling Wanhal, but later in the 20th century a modern Czech form, Jan Křtitel Vaňhal, was… …   Wikipedia

  • Austrian literature — is the literature written in Austria, which is mostly, but not exclusively, written in the German language. Some scholars speak about Austrian literature in a strict sense from the year 1803 on when Francis II disbanded the Holy Roman Empire and… …   Wikipedia

  • Coelestin II. Steiglehner — Cölestin Steiglehner Coelestin II. Steiglehner (* 17. August 1738 in Sündersbühl bei Nürnberg als Georg Christoph Ferdinand; † 21. Februar 1819 in Regensburg) war letzter Fürstabt von Kl …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”