Philostorgios

Philostorgios

Philostorgios (griech.: Φιλοστόργιος; * um 368 in Borissos, Kappadokien; † nach 433) war ein spätantiker Kirchenhistoriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Philostorgios wurde als Sohn des Karterios und der Eulampios (oder Eulampia) um 368 in Kappadokien geboren. Seine Eltern neigten religiös der homousianischen Richtung zu (siehe Arianismus). Philostorgios selbst bekannte sich später jedoch zur „radikalarianischen“ (eunomianischen) Richtung, die unter Kaiser Theodosius I. geächtet wurde. Der offenbar gebildete Philostorgios ging in jungen Jahren (wohl um 388) nach Konstantinopel, wo er nach 425 seine Kirchengeschichte in griechischer Sprache verfasste.

Philostorgios stellt insofern eine Besonderheit unter den spätantiken Kirchenhistorikern dar, als dass er nicht vom (letztendlich siegreichen) „orthodoxen Standpunkt“ aus schrieb, sondern im Gegenteil als eunomianischer Kirchenhistoriker ganz andere Akzente setzte. Die Kirchengeschichte des Philostorgios behandelte in 12 Büchern die Zeit vom Beginn des Arianischen Streits bis wenigstens 425. Das Werk wurde aufgrund der inhaltlichen Tendenz bald verboten und ist uns daher nicht erhalten, doch erlauben einige Zusammenfassungen, vor allem die des Photios,[1] aber auch in einer anonymen Vita Konstantins des Großen (Bibliotheca Hagiographica Graeca 365), in der Suda sowie in der Artemii Passio,[2] wenigstens eine ungefähre Vorstellung vom Aufbau und Inhalt. In der neueren Forschung konnte allerdings nachgewiesen werden, dass Photios den Originaltext nicht immer genau wiedergibt.

Es ging Philostorgios vor allem um die Rechtfertigung seines eunomianischen Standpunkts. Wiederholt unterscheiden sich seine Schilderungen von den erhaltenen christlichen „orthodoxen“ Quellen: Er führt die Ursache des arianischen Streits mehr auf persönliche Differenzen als auf abweichende Lehrmeinungen zurück. Abweichend ist auch seine Beurteilung Kaiser Konstantins, den er in den ersten beiden Büchern der Kirchengeschichte behandelte. Philostorgios griff dabei teilweise auf Material paganer (heidnischer) Autoren zurück und stilisierte Konstantin anachronistisch zum Vorkämpfer der eigenen, radikalarianischen Sache.[3] Ebenso räumte Philostorgios hier auch Episoden breiten Raum ein, die etwa Eskapaden am Kaiserhof betrafen. Philostorgios lobte auch die Kirchengeschichte des Eusebios von Kaisareia, dessen dogmatischen Standpunkt im arianischen Streit er aber nicht teilte.

Obwohl Philostorgios die paganen Kulte verabscheute, bekannte er sich doch zu dem klassischen kulturellen Erbe. Sein Werk ist, ganz in der Tradition Herodots und der folgenden klassizistischen Geschichtsschreiber, mit gelehrten Exkursen zu Geographie oder Naturgeschichte angereichert. Auch stilistisch scheint sein Werk ansprechend gestaltet gewesen zu sein. Andererseits führte er aber Naturereignisse auf göttliches Einwirken zurück oder bezeichnete die Krankheit von Personen, denen er feindselig gesinnt war, als göttliches Werk. Philostorgios berücksichtigte relativ stark die Profangeschichte und enthält durchaus zahlreiche wichtige und zuverlässige Informationen; so beispielsweise zu Julian, wo er stellenweise als Korrektiv zur tendenziös-positiven Schilderung des Ammianus Marcellinus dienen kann. Philostorgios gab, ähnlich wie etwa Sozomenos, offizielle Dokumente nicht im Wortlaut wieder, sondern referierte stattdessen den Inhalt. Als Quellen dienten ihm mehrere, teilweise nicht erhaltene (wie eine verlorene Kirchengeschichte) und wohl auch pagane Werke. Außerdem scheint er auf Konzilsakten, Briefe von religiösen Würdenträgern und Kaisern sowie offenbar auch eigene Erfahrungen zurückgegriffen zu haben.

Das Werk hat seit einiger Zeit wieder das Interesse der Forschung geweckt, wie eine im Juni 2006 in Straßburg stattgefundene Konferenz belegt,[4] deren Ergebnisse nun auch in gedruckter Form vorliegen.[5]

Ausgaben und Übersetzungen

  • Joseph Bidez: Philostorgius. Kirchengeschichte. Mit dem Leben des Lucian von Antiochien und den Fragmenten eines arianischen Historiographen. 3. Auflage, bearb. von F. Winkelmann. Berlin 1981 (grundlegende Textausgabe mit ausführlicher Einleitung).
  • Philip R. Amidon (Hrsg.): Philostorgius. Church History. Society of Biblical Literature, Atlanta 2007 (aktuelle englische Übersetzung mit Einleitung und Kommentar).

Literatur

  • Bruno Bleckmann: Konstantin in der Kirchengeschichte Philostorgs. In: Millennium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. 1 (2004), S. 185–231.
  • Bruno Bleckmann: Die Vita BHG 365 und die Rekonstruktion der verlorenen Kirchengeschichte Philostorgs. Der Kampf zwischen Konstantin und Licinius. In: Jahrbuch für Antike und Christentum 46 (2003), S. 7–16.
  • Bruno Bleckmann: Apokalypse und kosmische Katastrophen: Das Bild der theodosianischen Dynastie beim Kirchenhistoriker Philostorg. In: Wolfram Brandes und Felicitas Schmieder (Hrsg.): Endzeit. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen (=Millennium-Studien. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. 16). Berlin-New York 2008, S. 13-40.
  • Hartmut Leppin: Heretical Historiography: Philostorgius. In: Studia Patristica 34 (2001), S. 111–124.
  • Gabriele Marasco: The Church Historians (II): Philostorgius and Gelasius of Cyzicus. In: Greek and Roman Historiography in Late Antiquity. Fourth to Sixth Century A. D. Hrsg. von Gabriele Marasco, Leiden und Boston 2003, S. 257–288.
  • Gabriele Marasco: Filostorgio: Cultura, fede e politica in uno storico ecclesiastico del V secolo. Rom 2005.
  • Doris Mayer (Hrsg.): Philostorge et l'historiographie de l'Antiquité tardive / Philostorg im Kontext der spätantiken Geschichtsschreibung. Steiner, Stuttgart 2011 (Besprechung bei H-Soz-u-Kult).

Weblinks

Anmerkungen

  1. Zuerst 1643 in Genf von J. Gothofredus gedruckt.
  2. Zusammengestellt in der Ausgabe von Bidez, vgl. nun auch die Übersetzung von Amidon.
  3. Vgl. Bleckmann, Konstantin in der Kirchengeschichte Philostorgs, zusammenfassend S. 231.
  4. Siehe Zusammenfassung bei H-Soz-u-Kult.
  5. Doris Mayer (Hrsg.): Philostorge et l'historiographie de l'Antiquité tardive / Philostorg im Kontext der spätantiken Geschichtsschreibung. Stuttgart 2011.

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