Phokis

Phokis
Lage von Phokis in Griechenland

Phokis (altgriechisch Φωκίς) ist eine Gebirgslandschaft in Mittelgriechenland. Sie hatte eine Fläche von ca. 1615 km². Da Phokis nicht reich an natürlichen Ressourcen war, rührte seine Bedeutung in der Antike vorwiegend von religiösen Faktoren her: dem Orakel von Delphi.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Phokis befindet sich in der Mitte des südlichen Festlands von Griechenland und wird im Süden vom Ostteil des Golf von Korinth begrenzt. Im Westen grenzte die Landschaften Lokris und Doris an, im Norden Lokris und im Osten Böotien.

Landschaftlich wird Phokis dominiert durch die hohen Gebirgszüge des Giona (Höhe bis zu 2.510 m über N.N.) und des Parnass (Parnassos; Höhe 2.455 m über N.N.). Das Parnassos-Massiv teilt Phokis in zwei Teile. Der Süden und Osten sind ohne Waldbewuchs und vorwiegend steinig und felsig im Charakter. Das Tal, welches vom Golf von Korinth und der Kleinstadt Itea nach Norden nach Amfissa zieht, ist dagegen durchgängig landwirtschaftlich genutzt. Grün- und Waldflächen finden sich in Phokis’ Westen, Norden und im zentralen Teil.

Geschichte

Amphitheater von Delphi
Apollo-Tempel in Delphi
Hafen von Galaxidi
Das Parnassos-Gebirge (rechts) und das Giona-Gebirge (links) von der Peloponnes aus gesehen

Die ältesten Einwohner der antiken Landschaft waren die Leleger. Ihnen folgten die Äolier nach. Im weiteren Verlauf der Geschichte wurden die Bewohner der antiken Landschaft Phokis als Phoker bezeichnet. Ihre erste Erwähnung als Stamm finden die Phoker bei Homer in dessen Schiffskatalog. Die Phoker bauten in ihrem Gebiet einige Städte. Die bedeutendsten waren: Delphi mit dem gleichnamigen Orakel von Delphi, Abai, Elateia, Amphissa, Antikyrrha, Krissa, Daulis, Lilaia, Hyampolis und andere. Die Städte schlossen sich am Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. zum Phokischen Bund zusammen.

Bereits zwischen 600 und 592 v. Chr. war Phokis Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Die phokische Stadt Krissa hatte Pilgerscharen des Orakels von Delphi widerrechtlich Wegezoll abverlangt und damit den Zugang zum Heiligtum erschwert, was Kleisthenes von Sikyon in Korinthia, thessalische Kämpfer sowie auch Athen zum Anlass nahmen den ersten Heiligen Krieg gegen die Krissa zu führen. Der Krieg endete mit der Zerstörung Krissas 592 v. Chr. Während der persischen Invasion Griechenlands 480 v. Chr. beteiligten sich die Bewohner von Phokis an der Verteidigung Griechenlands. Auf Anstiftung der Thessalier wurde die Landschaft zunächst durch die Perser unter Xerxes I. heimgesucht, was zu einem Bündnis der Phoker mit Athen führte. Ihr Verhalten bei der Schlacht am Thermopylen-Pass führte zu einer Auflösung des Bündnisses mit Athen. Bei der Schlacht von Platää waren die Phoker auf Seiten der Perser zu finden.

457 v. Chr. versuchten die Bewohner von Phokis ihren Machtbereich in das dorische Territorium am Oberlauf des Kephisos mit dessen Hauptstadt Theben (Böotien) auszudehnen. Theben bat daraufhin Sparta um militärischen Beistand gegen den phokischen Angriff. Diesem Aufruf folgte Sparta und fiel in Phokis ein, um das Kernland der Dorer zu verteidigen und das Orakel von Delphi zu schützen. Zunächst konnten die Spartaner unter ihrem Anführer Nikomedes die Phoker bezwingen. Die Allianz zwischen Theben und Sparta veranlasste allerdings Athen zum militärischen Eingreifen, so dass der Konflikt sich zum Ersten Peloponnesischen Krieg zwischen 457 und 445 v. Chr. auswuchs. Zunächst blockierte Athen die Rückzugsmöglichkeit der Spartaner über den Golf von Korinth, was Nikomedes mit einem Zug nach Böotien beantwortete. In Böotien unterlagen die Athener 457 v. Chr. zunächst den Spartanern bei der Schlacht von Tanagra. Lediglich zwei Monate später unterlag das böotische Heer Athen in der Schlacht von Oinophyta und wurde vorläufig von Athen kontrolliert. Der Konflikt mit Sparta schwelte jedoch weiter. Bei einer erneuten Expedition gelang den Spartanern 448 v. Chr. die Einnahme von Delphi. Kurze Zeit später konnten die Phoker nach dem Abzug des spartanisches Heeres Delphi besetzen, wobei sie die militärische Unterstützung Athens in Anspruch nahmen. Der unterdessen entstandene Böotische Bund forderte Athen heraus und schlug die Athener bei der Schlacht von Koroneia 447 v. Chr. Die Niederlage Athens bewirkte einen Allianzwechsel der Phoker von Athen zu Sparta.

Zum Zeitpunkt des Beginns des Zweiten Peloponnesischen Kriegs (431 bis 404 v. Chr.) waren die Phoker wieder auf der Seite Spartas zu finden. Die Kontrolle über Delphi verloren sie im gleichen Zeitraum.

Im 4. Jahrhundert v. Chr. wurde Phokis permanent durch den Nachbarn aus Böotien unter der Hegemonie Thebens bedroht. Nach dem die Phoker den Spartanern bei der Invasion Böotiens im Rahmen des Korinthischen Krieges 394 v. Chr. behilflich waren, gerieten die Phoker im weiteren Verlauf trotz ihrer Allianz mit Sparta und dessen Hilfestellung in die Defensive gegenüber der zunehmenden Macht Thebens und ordneten sich letztendlich dessen Hegemonie unter. Truppen aus Phokis nahmen an den militärischen Expeditionen der Thebaner unter Epaminondas auf die Peloponnes teil. Auch bei der Schlacht von Leuktra 371 v. Chr. kämpften die Phoker auf Seiten der Thebaner gegen Sparta und gewannen mit diesen. An der entscheidenden Schlacht von Mantineia 362 v. Chr. beteiligten sich die Phoker jedoch nicht. Die Thebaner warfen den Phokern 356 v. Chr. die widerrechtliche landwirtschaftliche Nutzung des Gebietes der im Ersten Heiligen Krieg zerstörten Stadt Krissa vor. Sie benutzten dabei die amphyktionische Liga zum Zwecke der Beseitigung des rivalisierenden und angrenzenden Phokischen Bundes, da neben der widerrechtlichen Nutzung des Gebietes der Stadt Krissa auch eine Grenzverletzung gegenüber dem Nachbarn Böotien diskutiert wurde. Die Thebaner erhielten das Einverständnis der amphyktonischen Liga zum Dritten Heiligen Krieg 356 v. Chr. gegen die Phoker. Die Phoker waren trotz der militären Macht Thebens nicht zu bezwingen und raubten zunächst den umfangreichen Tempelschatz von Delphi, bevor sie Delphi thebanischer Kontrolle überlassen mussten. Unter der Führung zweier fähiger Generäle (Philomelos von Ledon und Onomarchos) und einer Söldnertruppe eroberten die Phoker im weiteren Verlauf Delphi von den Thebanern zurück und trugen anschließend den Krieg sogar nach Böotien hinein. Auch Thessalien wurde von der Phokischen Liga überfallen; der Überfall wurde aber von Truppen des makedonischen Königs Philipp II. nach anfänglichen Niederlagen und zwischenzeitlichem Rückzug der makedonischen Truppen 352 v. Chr. bei der Schlacht auf dem Krokusfeld zurückgeschlagen. Die Phoker verloren in dieser Schlacht ihren Feldherren Onomarchos und erlitten eine schwere Niederlage. Dennoch konnten sie sich über insgesamt zehn weitere Jahre unabhängig halten und Widerstand gegen die Ausdehnung Makedoniens unter Philipp II. leisten. Nach Erschöpfung der finanziellen Reserven konnten sie der militärischen Expansion Philipps II. von Makedonien nichts mehr entgegensetzen und unterstellten sich 346 v. Chr. dessen Herrschaft (zugleich Ende des Zweiten Heiligen Krieges). Die Stadt Hyampolis wurde im Rahmen der Eroberung von Philipp II. zerstört. Dieser zwang die Phoker zur Wiederherstellung des Tempelschatzes von Delphi sowie zur Umsiedlung und Zerstreuung der Bevölkerung auf kleine Dörfer. Der Platz der Phoker in der Amphyktonischen Liga ging verloren, die Makedonen wurden anstelle der Phoker in diese aufgenommen.

Die von Philipp II. auferlegten Bedingungen, darunter auch die Zahlung von 10.000 Talenten an den Tempelschatz von Delphi, wurden nachfolgend schnell unterlaufen. 339 v. Chr. wurde Amphissa (Amfissa), die Hauptstadt der Phokis, der Verletzung des Tempelgebietes von Delphi beschuldigt; erneut wurde die widerrechtliche Nutzung des Gebietes der ehemaligen Stadt Krissa beklagt. Die amphyktonische Liga beauftrage Philipp II. von Makedonien darauf hin mit dem Vierten Heiligen Krieg. Nach der Einnahme von Elatea im Norden Phokis sahen Athen und Theben ihre Interessen durch Philipp II. bedroht und stellten sich an die Seite der Phoker gegen die Makedonier. Die Entscheidung in diesem Kampf um die Hegemonie in Griechenland fiel 338 v. Chr. bei der Schlacht von Chaironeia. Die Phoker kämpften auf Seiten der griechischen Stadtstaaten unter Athen und Theben und verloren die Schlacht. 338 v. Chr. endete der Vierte Heilige Krieg auf dem Gebiet von Phokis mit der Niederlage der Phoker. Amphissa und Naupaktos (heute: Nafpaktos) wurden zerstört, Phokis kam unter die Herrschaft des Königreich Makedoniens. 323 v. Chr. beteiligten sich die Phoker am Lamischen Krieg gegen den makedonischen Statthalter Antipater und verloren diesen mit den anderen griechischen Stadtstaaten. 313 v. Chr. eroberte Antigonos I. aus dem Diadochenreich Phygrien Phokis von Kassander im Rahmen der Diadochenkriege. Anschließend fiel Phokis an Kassander zurück, bis dieser 305 v. Chr. einem Bündnis von Athen und den Ätoliern bei Elateia unterlag.

Der 370 v. Chr. gegründete Aitolische Bund im Westen von Phokis expandierte ab Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. auch nach Osten in die Landschaft Phokis. 290 v. Chr. gewann die Ätolische Liga zeitweilig die Kontrolle über Delphi und Phoker. Diese vermochten die Herrschaft des Aitolischen Bundes im weiteren Verlauf abzuschütteln. Sie verteidigen sich 279 v. Chr. mit anderen Griechen beim Thermopylen-Pass gegen den Einfall der Kelten (Galater). Bei der nachfolgenden Schlacht bei Delphi beteiligten sich die Phoker auf Seiten der Griechen gegen die Kelten und gewannen die Auseinandersetzung. In Anerkennung ihres Beitrags wurden die Phoker in die amphyktionische Liga wiederaufgenommen.

198 v. Chr. eroberte Titus Quinctius Flamininus im Rahmen des Zweiten Makedonischen-Römischen Krieges die Stadt Hyampolis im Norden von Phokis. Nach der Schlacht von Kynoskephalai 197 v. Chr. mit der vernichtenden Niederlage der Makedonen unter Philipp V. gegen die Römer mit Unterstützung des Aitolischen Bundes zogen sich die Römer allerdings aus Griechenland und damit Phokis zurück. Dieses nutzte die Ätolische Liga und annektierte 196 v. Chr. das Gebiet von Phokis bzw. der Phokischen Liga. Erst nach Unterwerfung Griechenlands durch das Römische Imperium wurde unter Kaiser Augustus die Phokische Liga reaktiviert. Allerdings war Phokis Bestandteil der römischen Provinz Achaia. Der letzte Nachweis der Existenz der phokischen Liga datiert in die Herrschaftszeit des römischen Kaisers Trajan.

In der römischen Kaiserzeit ging die Zahl der Siedlungen stetig zurück, die Bevölkerungszahl nahm immer mehr ab, seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. beschleunigt durch Barbareneinfälle. Wie der Rest Griechenlands war Phokis seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. Teil des byzantinischen Reiches. Im 6. Jahrhundert ist nur Daulis als Bischofssitz bezeugt.

Wie das übrige Griechenland fiel Phokis in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter die Herrschaft des Osmanisches Reiches und blieb bis zum Ausbruch des griechischen Unabhängigkeitskampfes 1821 unter osmanischer Kontrolle.

Heutzutage bildet das Gebiet eine der 51 griechischen Präfekturen (neugr. Fokida).

Weblinks und Quellen

Literatur

  • John M. Fossey: The Ancient Topography of Eastern Phokis. J. C. Gieben, Amsterdam 1986, ISBN 90-70265-87-7.
  • Friedrich Schober: Phokis. In: RE Bd. 20,1 A, 1941, Sp. 474-496.
  • Giovanna.Daverio Rocchi: Phokis, Phokeis. In: Der Neue Pauly Bd. 9, 2000, Sp. 944-947. (mit Literatur)
  • Jeremy MacInerney: The Folds of Parnassos: land and ethnicity in ancient Phokis. Austin, Tex. 2000, ISBN 0-292-75229-6.
  • Mogens Herman Hansen, Thomas Heine Nielsen: An Inventory of Archaic and Classical Poleis. Oxford 2004, ISBN 0-19-814099-1.
  • Annamarie Felsch-Klotz: Frühe Reisende in Phokis und Lokris. Berichte aus Zentralgriechenland vom 12. bis 19. Jahrhundert. Göttingen, Göttinger Universitätsverlag 2009, ISBN 978-3-941875-00-5 (online).

Weblinks

 Commons: Phokis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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