Piramesse

Piramesse
Pi-Ramesse (Ägypten)
DMS
Pi-Ramesse
Pi-Ramesse
Pi-Ramesse in Ägypten

Pi-Ramesse („Haus des Ramses“) war die unter Ramses II. (1279–1213 v. Chr.) im östlichen Nildelta erbaute Hauptstadt des Alten Ägypten. Nach der traditionellen Auslegung einiger Passus der Bücher 2. und 4. Mose (Ex 1,11 EU; 12,37 EU; Num 33,3.5 EU) war diese Stadt einer der Orte, in denen die Ereignisse des Exodus stattfanden. Die nachmaligen Israeliten sollen bei dem Bau von (Pi-)Ramesse zum Frondienst gezwungen worden sein. Von dort ausgehend seien sie später aus Ägypten ausgezogen (siehe auch: Auszug aus Ägypten→Die Orte des Auszugs).

Inhaltsverzeichnis

Erste Planungen, Lage und Ausdehnung

Schon kurz nach dem Tod seines Vaters Sethos I. erklärte Ramses II. den bei der alten Hyksosstadt Avaris im östlichen Nildelta gelegenen Sommerpalast, der von seinem Vater erbaut wurde, zum Kern seiner neuen Hauptstadt. Er nannte sie Per-Ramessu-a'a-nachtu („Haus des Ramses, groß an Siegen“). Den neuzeitlichen Namen die Türkisfarbene erhielt die Stadt aufgrund der dort bei Ausgrabungen gefundenen türkisfarbenen Kacheln.

Pi-Ramesse befindet sich am östlichen Rand des Nildeltas. Es wurde zwischen dem pelusischen Nilarm und dem Entwässerungssystem des Bahr el-Baqar angelegt. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung umfasste das Stadtgebiet – inklusive Wasser- und landwirtschaftlich genutzter Flächen sowie sonstiger Wirtschaftsräume – bis zu 30 km².[1] Das Stadtzentrum befand sich im Bereich des modernen Ortes Qantir.

Die Stadt

Der Grundriss der Stadt ist bislang, bedingt durch die großen Zerstörungen, sowohl in antiker Zeit als auch in der Moderne, nur teilweise geklärt. Die altägyptischen Quellen zeigen, dass die Stadt offensichtlich den alten Hauptstädten Theben und Memphis an Pracht und Größe entsprechen sollte. Der Papyrus Anastasi II. legt davon Zeugnis ab:

"…Seine Majestät hat sich selbst eine Festung gebaut, deren Name "Groß an Siegen" ist. Es liegt zwischen Djahi und Ta-Meri. Es ist gemacht nach der Art des oberägyptischen Heliopolis und seine Dauer ist diejenige von He-qa-Ptah. Die Sonne geht innerhalb seiner Grenzen auf und unter. Jedermann hat seine Stadt verlassen und sich in ihrer Nähe niedergelassen. Ihr westlicher Teil ist der Tempel des Amun, ihr südlicher der Tempel des Seth. Astarte ist in ihrem Osten und Wadjet im Norden. Die Festung darin ist wie der Horizont des Himmels. "Ramses-Meriamun" ist in ihr als Gott, "Month in den Beiden Ländern" als Herold, "die Sonne der Herrscher" als Wesir und "Freude Ägyptens, geliebt von Atum" als Bürgermeister.[2] Das Land ist an seinen angemessenen Platz gekommen.[3]

Pi-Ramesse soll nicht nur eine schöne Stadt gewesen sein, sondern auch von militärischer Wichtigkeit, wie Funde von Werkstätten der Waffenschmiede, Pferdeställen und Kasernen nahelegen. Die Lage im östlichen Nil-Delta machte es dem ägyptischen Heer sehr einfach, über den sog. Horusweg schnell in die Levante zu gelangen. Zwischen dem pelusischen Nilarm und den Feuchtgebieten des Bahr el-Baqar gelegen war die Stadt selbst gut gegen Angriffe geschützt. Der pelusische Nilarm war darüber hinaus ein vorzüglicher Transportweg, sowohl zum Mittelmeer hin als auch nach Ägypten hinein.

Am Ende der 20. Dynastie wurde die Stadt langsam aufgegeben. Vermutlich war dies durch die Verlandung des pelusischen Nilarms bedingt. Seit der 21. Dynastie dienten die großen Gebäude der Stadt offensichtlich als Steinbruch. Besonders nach Tanis gelangte eine riesige Menge von Monumenten aus Pi-Ramesse, was dazu führte, dass aufgrund der zahlreichen Inschriften Ramses' II. zunächst diese Stadt mit der Ramses-Stadt identifiziert wurde. In der folgenden Zeit gerieten die Stadt und ihr Name allmählich in Vergessenheit.

Heutige Überreste und Ausgrabungen

Füße und Sockel einer Kolossalstatue Ramses' II. auf dem Tell Abu Shafei bei Qantir

Durch die umfangreiche Zerstörung der Stadt bereits in der Antike ist heute kaum noch etwas erhalten. Noch im 19. Jahrhundert waren Reste einiger Tells zu sehen, die mittlerweile fast verschwunden sind. Heute sind lediglich die Basis einer ursprünglich etwa 10 m hohen Sitzstatue Ramses’ II. und eine große Säulenbasis aus Granit vor Ort zu sehen. Im benachbarten Dorf Samana befindet sich ein Brunnen Ramses' II.

Seit dem späten 19. Jahrhundert wurden die antiken Hinterlassenschaften der Gegend um Qantir bemerkt und untersucht. Seit den Entdeckungen einer großen Menge von Fayencekacheln, die am ehesten denjenigen des Tempelpalastes von Medinet Habu entsprechen, war Qantir als Platz der ramessidischen Hauptstadt Pi-Ramesse im Gespräch.[4] Seit dem wegweisenden Artikel Labib Habachis aus dem Jahr 1954 begann sich diese Ansicht innerhalb der Fachwelt zu verbreiten, bis sie schließlich in den 1970er Jahren, den Arbeiten von Manfred Bietak folgend, zur allgemein anerkannten Lehrmeinung wurde. Somit wurde Tanis abgelöst, das zuvor häufig mit Pi-Ramesse in Verbindung gebracht worden war, besonders von dem französischen Archäologen Pierre Montet, der in Tanis ausgegraben hatte.

In Qantir graben seit 1980 die Archäologen des Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museums unter der Leitung von Edgar Pusch in Kooperation mit dem Team des Österreichischen Archäologischen Instituts, das unter der Leitung von Manfred Bietak im wenige Kilometer südlich gelegenen Tell el-Dab'a, dem antiken Avaris, der Hauptstadt der Hyksos, gräbt.

Eine besondere Pionierleistung war die Anwendung geomagnetischer Untersuchungsmethoden, bei der beeindruckende Bilder der unterirdischen Ruinen entstanden.

Literatur

  • Ricardo A. Caminos: Late-Egyptian Miscellanies. London 1954.
  • Labib Habachi: Features of the Deification of Ramesses II. Abhandlungen des Deutschen archäologischen instituts Kairo. Ägyptische Reihe. Bd 5. Glückstadt 1969.
  • Mahmud Hamza: Excavations of the Department of Antiquities at Qantîr (Faqûs District). In: Annales du Service des Antiquites de l'Egypte. Kairo 30.1930, S. 31-68.
  • Edgar B. Pusch: Piramesse-Qantir. in: Susanne Petschel, Martin von Falk (Hrsg.): Pharao siegt immer – Krieg und Frieden im Alten Ägypten. Katalog zur Ausstellung Gustav-Lübcke-Museum März – 31. Oktober 2004. Bönen 2004, S. 240-263. ISBN 3-937390-16-2

Ältere Grabungen

  • S. Adam: Recent Discoveries in the Eastern Delta (Dec. 1950 - May 1955). in: Annales du Service des Antiquités de l’Egypte (ASAE). Kairo 55.1957, S. 301-324. (besonders S. 318-324)
  • Labib Habachi: Khatâ'na – Qantîr: Importance. in: Annales du Service des Antiquités de l’Egypte (ASAE). Kairo 52.1954, S. 443-562.
  • Labib Habachi, E. M. Engel: Tell el-Dab´a. 1. Tell. el-Dab´a and Qantir. The Site and its Connection with Avaris and Piramesse. Wien 2001. ISBN 3-7001-2986-6

Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. E. B. Pusch: Piramesse-Qantir. in: S. Petschel, M. von Falk (Hrsg.): Pharao siegt immer, S. 240. Die durch geomagnetische Untersuchungen erfasste Fläche beträgt 2 km² (ebda).
  2. Dies sind vier Statuen, die auf vielen Stelen genannt sind und die offensichtlich Verehrung genossen. Die bekannteste Gruppe sind die sog. Horbeit-Stelen, die sich heute im Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim befinden. siehe auch: L. Habachi: Features of the Deification of Ramesses II.
  3. Übersetzung nach: Caminos: Late Egyptian Miscellanies, S. 37 f.
  4. M. Hamza: Excavations of the Department of Antiquities at Qantîr.

30.80527777777831.8386111111117Koordinaten: 30° 48′ 19″ N, 31° 50′ 19″ O


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