Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist der Vorspruch des deutschen Grundgesetzes (GG). Die Präambel betont die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in einem vereinten Europa. Im zweiten Abschnitt folgt die einzige Stelle des Grundgesetzes, an der die einzelnen Länder genannt werden. Der Schlusssatz zeigt die Vollendung des langen Zieles der Einheit und Freiheit Deutschlands, das 1990 verwirklicht wurde.

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.

Mit der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 wurde der Wortlaut der Präambel durch Grundgesetzänderung neu gefasst, denn das Ziel der Einheit Deutschlands – das die Präambel ursprünglich forderte – war nun erreicht. Außerdem wurden die neuen Länder der Präambel hinzugefügt.

Inhaltsverzeichnis

Stellung zum Grundgesetz

Umstritten ist, ob die Präambel des Grundgesetzes dessen integrierter Bestandteil ist, wofür allerdings der Wortlaut und die systematische Stellung sprechen. Den Materialien des Parlamentarischen Rates ist einzig zu entnehmen, dass übereinstimmend davon ausgegangen wurde, dass die Präambel ersichtlich machen solle, was das Grundgesetz bezwecke, diesem seine politische und juristische Qualifikation verleihe und „rechtlich erhebliche Feststellungen, Bewertungen, Rechtsverwahrungen und Ansprüche zugleich“ enthalte.

Nachdem in der Anfangszeit der Republik die ganz überwiegende Lehre der Präambel des Grundgesetzes lediglich Bedeutung als Auslegungshilfe beimaß, stellte das Bundesverfassungsgericht in seinem KPD-Urteil fest, dass darüber hinaus das Wiedervereinigungsgebot in der Präambel als unmittelbare Rechtsnorm zu gelten habe. Seitdem wird zutreffend, wenn auch überwiegend unspezifisch, nach der Art der in der Präambel getroffenen Aussagen differenziert, wie sie sich insbesondere aus ihren Sprachstrukturen ergibt; es stünden rechtlich verbindliche Staatsziele, Aussagen rein dokumentarischen Charakters und Mischformen nebeneinander. Übereinstimmend wird rein objektiv-rechtlicher Charakter angenommen.

Gottesbezug

Der Gottesbezug im Grundgesetz war durch seine widersprüchliche Haltung gegenüber der Trennung von Staat und Kirche immer wieder zum Teil heftiger Kritik ausgesetzt. So beantragte bereits der evangelische Theologe Wolfgang Ullmann vor der Bonner Verfassungskommission den Verzicht auf Gott in der Präambel.[1] Dennoch blieb sie erhalten. Auch von anderer evangelischer Seite wird der Gottesbezug kritisiert: So distanzierte sich Helmut Simon in einer vom Evangelischen Bund herausgegebenen Schrift von einer „Katholisierung des Rechtes“.[2] Die Kirche bzw. der Papst könne so ein außerordentliches Lehr- und Richteramt beanspruchen. Mehrfach wandten sich Abgeordnete des Bundestages gegen den Gottesbezug. So bezeichneten ihn Mitglieder der rot-grünen Koalition als „nicht angemessen und heuchlerisch“. Die Verfassung sei demnach für alle Bürger geschrieben worden – also auch für diejenigen Menschen in Deutschland, die nicht an einen Gott glauben. Sie verweisen darauf, dass die Sicherung der Menschen- und Grundrechte in Verantwortung vor den Menschen erfolgt und nicht vor übernatürlichen Mächten.[3] Fraglich sei insbesondere, ob angesicht einer Gottesgläubigkeit von nur 47 % in Deutschland (laut Eurostat)[4] der für eine Präambel häufig geforderte Minimalkonsens, der in einer Präambel zum Ausdruck kommen soll, wirklich getroffen ist. So sei sich ein nicht unerheblicher Teil des Volkes keiner „Verantwortung vor Gott bewusst“ wie es in der Präambel heißt.

Historisch gesehen ist der Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes ein Novum. Weder die Paulskirchenverfassung von 1849 noch die Weimarer Verfassung von 1919 enthielten in Präambel oder Text einen Gottesbezug.[5] Die Aufnahme der „Verantwortung des Volkes vor Gott“ – und somit vor einer weiteren Autorität als der, des eigenen Volkes allein – wird in der Regel durch die kurz zuvor erfolgten Wirren im Dritten Reich erklärt.

Orthografie

Gegenstand mehrerer Petitionen, die Bundesregierung und Deutscher Bundestag jahrelang beschäftigt haben, war die Frage, ob das Fugen-s in verfassungsgebenden Gewalt korrekt sei. Aufgrund gegensätzlicher Expertenmeinungen und der Tatsache, dass die Verwendung des Fugen-s in der deutschen Orthografie nicht eindeutig geregelt ist, sondern vielfach dem regional unterschiedlichen Sprachgefühl folgt, hat man davon abgesehen, allein deswegen das Grundgesetz zu ändern. Die im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Schreibweise mit Fugen-s ist also hinnehmbar, selbst wenn sie von einigen als falsch empfunden werden sollte. Die Schreibweisen verfassunggebenden Gewalt oder gar Verfassung gebenden Gewalt konnten sich bisher jedenfalls nicht durchsetzen.[6][7]

Historischer Wortlaut

Die alte Präambel vom 23. Mai 1949 hatte folgenden Wortlaut:

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volk
in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern,
um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben,
kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.
Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.
Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.

In dieser ursprünglichen Präambel von 1949 sind noch die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, die sich im Jahre 1952 zu Baden-Württemberg zusammenschlossen, aufgeführt. Außerdem fehlt das Saarland, das nach Volksabstimmung 1955 über das Saarstatut erst am 1. Januar 1957 der Bundesrepublik beigetreten ist.[8] Nicht erwähnt ist Berlin, das nach Artikel 23 GG a.F. dennoch zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehörte (siehe auch Berlin-Frage).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.ibka.org/artikel/miz93/gg.html
  2. http://www.ibka.org/artikel/miz93/gg.html
  3. http://www.bfg-bayern.de/DFW/presse/archiv/praeambel_gott.htm
  4. Eurostat poll on the social and religious beliefs of Europeans. Abgerufen am 3. April 2009 (PDF).
  5. http://www.ibka.org/artikel/miz93/gg.html
  6. Schwankendes Fugen-s. In: Der Spiegel. Nr. 41, 2004 (4. Oktober 2004, online).
  7. Fugen-s bleibt!, Blog des Gegenpetitionstellers vom 18. Dezember 2004.
  8. Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (1949) — Der Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der Fassung von 1949 ist ein inzwischen aufgehobener Grundgesetzartikel, der den Geltungsbereich des Grundgesetzes in der neu geschaffenen Bundesrepublik Deutschland… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — Der Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes garantiert die Unantastbarkeit der Menschenwürde sowie die Bindung der staatlichen Gewalt an die weiteren Grundrechte (Artikel 1 bis 19) der bundesdeutschen Verfassung. Ebenso wie Artikel 20 GG steht auch …   Deutsch Wikipedia

  • Präambel des Grundgesetzes — Die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist der Vorspruch des Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland. Die Präambel betont die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in einem vereinten Europa. Im zweiten… …   Deutsch Wikipedia

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland — Basisdaten Titel: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kurztitel: Grundgesetz Abkürzung: GG Art: Bundesverfassung Geltungsbereich: Bundes …   Deutsch Wikipedia

  • Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland — Basisdaten Titel: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kurztitel: Grundgesetz Abkürzung: GG Art: Bundesverfassung Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland …   Deutsch Wikipedia

  • Aufbau des Grundgesetzes — Diese Liste reiht die Abschnitte und Artikel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auf. Vor den Artikeln steht die Präambel. Inhaltsverzeichnis 1 Die Grundrechte 2 Der Bund und Länder 3 Der Bundestag 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Artikel des Grundgesetzes — Diese Liste reiht die Abschnitte und Artikel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland auf. Vor den Artikeln steht die Präambel. Die Artikel des Grundgesetzes sind bis Art. 146 GG durchnummeriert. Einschließlich aller Unterartikel… …   Deutsch Wikipedia

  • Geteiltes Deutschland — Als Deutsche Teilung wird hauptsächlich die Existenz zweier deutscher Staaten von 1949 bis zur Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 bezeichnet. Sie war wesentlich ein Ergebnis des Zweiten Weltkrieges sowie des anschließenden Kalten Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Exilregierung des Deutschen Reiches — Als Kommissarische Reichsregierung (KRR) oder Exilregierung des Deutschen Reiches bezeichnen sich Gruppen, die behaupten, das Deutsche Reich bestehe fort – aber entgegen der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft nicht in Form der… …   Deutsch Wikipedia

  • Interim Partei Deutschland — Als Kommissarische Reichsregierung (KRR) oder Exilregierung des Deutschen Reiches bezeichnen sich Gruppen, die behaupten, das Deutsche Reich bestehe fort – aber entgegen der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft nicht in Form der… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”