Pseudo-Dionysios

Pseudo-Dionysios

Dionysius Areopagita – richtiger: Pseudo-Dionysios Areopagita bzw. Dionysius Pseudo-Areopagita – ist das Pseudonym des unbekannten Autors einer Sammlung von Büchern, die wohl bald nach 500 (jedenfalls vor 532) entstanden sind, aber vorgeben, durch den Apg 17,34 ELB erwähnten, von Paulus angeblich durch seine Rede auf dem Athener Areopag bekehrten Dionysios verfasst zu sein, was über Jahrhunderte hinweg akzeptiert wurde.

Inhaltsverzeichnis

Rezeption

Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist unstrittig, dass der von Paulus bekehrte Dionysius vom Areopag nicht der Verfasser der ihm zugeschriebenen Schriften sein kann. Das unter seinem Namen überlieferte Werk weist vielmehr Zitate aus Autoren des späten 5. Jahrhunderts auf und muss demnach in der ausgehenden Spätantike, offenbar im frühen 6. Jahrhundert, entstanden sein. Des Verfassers wirkliche Identität ist unbekannt, man vermutet mitunter, er könne ein syrischer Mönch gewesen sein. Seine Werke zeigen starke neuplatonische Spuren (besonders Proklos) sowie den Einfluss des Clemens von Alexandria, der drei Kappadokier, des Origenes und anderer.

Die Echtheit der areopagitischen Schriften wurde zwar schon von Bischof Hypatios von Ephesos im Jahr 532 angezweifelt, dann aber kam man - vor allem im Westen des Mittelmeerraumes - schnell überein, die Echtheit anzuerkennen (so schon bei Gregor dem Großen [† 604]). Der erste bekannte Kommentar zu den Schriften stammt von Maximus Confessor († 662). In der folgenden Zeit galt das areopagitische Schrifttum wegen seiner angeblich frühchristlichen Herkunft nahezu als kanonisch und hatte auf die mittelalterliche Theologie sowohl der Ost- wie auch der Westkirche einen großen Einfluss.

Ab dem 9. Jahrhundert wurde der Areopagit durch Abt Hilduins Post Beatam ac Salutiferam, auch bekannt als Areopagitica, dann sogar mit dem frühchristlichen Pariser Märtyrer St. Dionysius gleichgesetzt, nach dem die Abtei St. Denis bei Paris benannt ist. So wurde der griechischsprachige Theologe frankisiert, und eine lateinische Fassung der Texte fand weite Verbreitung. Vermutlich war die Abtei für die Verschmelzung der drei Namensträger, also des in der Bibel erwähnten Dionysius, des Märtyrers und eben des Autors der areopagitischen Schriften, verantwortlich.

Die verschiedenen „Dionysie“ bemerkte bereits Petrus Abaelardus bei seinen nach der Rückkehr nach St. Denis um 1121 begonnenen Studien zur Geschichte des Patrons. Die Abtei besaß auch eine gute griechische Ausgabe der Werke des Pseudo-Dionysius, ein Geschenk Karls des Kahlen, die von Johannes Scotus Eriugena im 9. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt worden war. Diese Übersetzung machte sowohl den Neuplatonismus als auch die Engellehre des Pseudo-Dionysius weit bekannt. Für das gesamte Mittelalter sollte der Entwurf aus Platonismus, Mystik, kosmischer Emanationslehre und (gemäßigtem) Monophysitismus zu einem System einzigartiger Faszination werden, wie besonders in der negativen Theologie des bedeutendsten Mystikers Meister Eckhart und dessen Schüler Heinrich Seuse.

Nach einem Aufkommen von Kritik an der Echtheit der Schriften musste Petrus Abaelardus dann aber das Kloster verlassen, so dass sich die nächsten ernsten Zweifel erst wieder bei Laurentius Valla im 15. Jahrhundert fanden. Der Beleg der Unechtheit konnte aber erst durch philologische Forschungen im 19. Jahrhundert erbracht werden, so dass bis dahin die Authentizität strittig blieb.

Theologie (Überblick)

Bei Dionysius ist Gott Ursache, Anfang, Sein und Leben aller Dinge.[1] Gott ist das Eine und Vollkommene jenseits allen Seins (hyperousios), das nie erreicht wird,[2] sondern über-erkennbar (hyperagnostos) bleibt.[3] Die Erkenntnis Gottes führt auf dem Wege der Analogie zur Ursache von Allem,[4] ohne Gott jedoch seinem Wesen nach zu erkennen.[5] Gott Eigenschaften beizulegen (theologia positiva, kataphatike) muss von der biblischen Offenbarung Gottes ausgehen.[6] Gott Attribute abzusprechen (theologia negativa, apophatike) ist ein Versuch, die Unsagbarkeit Gottes kenntlich zu machen.[7] Über Reinigung (katharsis) und Erleuchtung (photismos) lässt sich eine Vollendung (teleiosis) erreichen in einer nicht im normalen Sinne erkennenden Erkenntnis.[8]

Werke

  • Peri mustikes theologias/De mystica theologia (Die Mystische Theologie) (MT)
  • Peri theion onomaton/De divinis nominibus (Die göttlichen Namen) (DN)
  • Peri tes ekklestiastikes hierarchias/De ecclesiastica hierarchia (Die kirchliche Hierarchie) (EH)
  • Peri tes ouranias hierarchias/De caelesti hierarchia (Die himmlische Hierarchie) (CH)
  • und 10 Briefe

Die Schriften wurden mehrfach übersetzt, und zwar von Hilduin, Johannes Scotus Eriugena, Johannes Sarracenus, Robert Grosseteste im 13. Jahrhundert und Ambrogio Traversari im 15. Jahrhundert. Wichtige Kommentare stammen beispielsweise von Maximus Confessor, Johannes Scotus Eriugena, Albertus Magnus und Thomas von Aquin.

Die lateinischen Texte sind übersichtlich zugänglich in: Dionysiaca: recueil donnant l'ensemble des traductions latines des ouvrages attribués au Denys de l'Aréopage et synopse marquant la valeur de citations presque innombrables allant seules depuis trop longtemps remises enfin dans leur contexte au moyen d'une nome, Desclée de Brouwer, Brügge 1937 (und Nachdrucke).

Literatur

siehe auch die bibliographischen Angaben in den Artikeln unter den Weblinks

Weblinks

Informationen zu Person und Werk
Werke

Einzelnachweise

  1. vgl. De divinis nominibus, kurz DN i, 3
  2. vgl. de mystica theologia, kurz MT i, 3
  3. vgl. MT i,1
  4. vgl. DN v, 9
  5. vgl. DN vii, 3
  6. vgl. MT iii
  7. vgl. z. B. MT iii; DN xiii
  8. vgl. de caelesti hierarchia, kurz CH, iii; MT ii



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