Publius Quinctilius Varus

Publius Quinctilius Varus

Publius Quinctilius Varus (* 47/46 v. Chr. in Cremona; † 9 n. Chr in Germanien) war ein Senator und Feldherr der augusteischen Zeit. Sein Name ist vor allem mit der römischen Niederlage in der nach ihm benannten Varusschlacht verbunden, bei der unter seiner Führung drei römische Legionen ihren Untergang fanden, als sie von Germanen unter dem Cheruskerfürsten Arminius angegriffen wurden. Varus selbst nahm sich noch auf dem Schlachtfeld das Leben.

Inhaltsverzeichnis

Leben bis zur Statthalterschaft in Germanien

Münze der Stadt Achulla in der Provinz Africa mit Porträt des Varus

Varus wurde als Sohn des Quästors Sextus Quinctilius Varus († 42 v. Chr.) geboren. Bereits um 22 v. Chr. war er quaestor Augusti und wurde in dieser Funktion auf Tenos öffentlich geehrt.[1] Eine weitere Ehrung erhielt er in Pergamon.[2] Varus begleitete anscheinend Augustus auf dessen Orientreise (22/19 v. Chr.). Einige Jahre später wird er die Prätur bekleidet haben. Vermutlich war er während der Eroberung des Alpenraums im Jahr 15 v. Chr. Legat der später in Germanien mit ihm untergegangenen Legio XIX, wie eine neue Lesung der Inschrift auf einer Bleischeibe zeigt, die im Legionslager Dangstetten gefunden wurde.[3]

Varus’ hohe Stellung in der römischen Oberschicht verdeutlicht sich in der Übernahme des Konsulats im Jahre 13 v. Chr. Dieses Amt übte er gemeinsam mit dem späteren Princeps (Kaiser) Tiberius aus. Varus war in zweiter Ehe mit Vipsania Marcella und in dritter Ehe mit Claudia Pulchra verheiratet, die beide Großnichten des Augustus waren. Varus’ Schwester Quinctilia heiratete Lucius Nonius Asprenas, der ein enger Freund des Kaisers war. Fünf Jahre nach dem Konsulat war Varus um 9-8 v. Chr. Statthalter (Prokonsul) der Provinz Africa.

Von 7/6 v. Chr. bis 5/4 v. Chr. war Varus Statthalter von Syrien (legatus Augusti pro praetore provinciae Syriae), wo er einen der stärksten Heeresverbände des Reiches mit drei Legionen befehligte. Er löste damit Gaius Sentius Saturninus ab. In Syrien[4] war Varus mit den besonderen Herausforderungen der vorderorientalischen Welt konfrontiert. Er war Richter, als Herodes seinen Sohn Antipatros wegen versuchten Vatermordes anklagte. Nach dem Tod des Herodes schlichtete Varus die Erbauseinandersetzung seiner drei Söhne, indem er alle drei nach Rom schickte, so dass Augustus persönlich die Entscheidung treffen konnte. Währenddessen untersagte er dem Prokurator Sabinus, den Staatsschatz des Herodes zu konfiszieren, solange die Rechtslage nicht geklärt war. Der von Velleius Paterculus erhobene Vorwurf, Varus habe sich in Syrien unrechtmäßig bereichert (Als armer Mann betrat er das reiche Syrien, als reicher Mann verließ er das arme Syrien),[5] wird daher von Ralf-Peter Märtin als unplausibel eingeschätzt. Als in Palästina ein allgemeiner Aufstand ausbrach, schlug Varus diesen durch energischen Militäreinsatz innerhalb eines halben Jahres nieder, wobei er 2000 Aufständische kreuzigen ließ.

Statthalter in Germanien

Von 7 bis 9 n. Chr. war Varus legatus Augusti pro praetore in Germanien. In dieser Rolle hatte er auch das Oberkommando über die fünf am Rhein stationierten Legionen. Er setzte den begonnenen Provinzialisierungsprozess beispielsweise durch die Errichtung von Kastellen fort, befriedete das Land, sprach Recht und ließ Steuern eintreiben. Es ist anzunehmen, dass insbesondere die römische Rechtsprechung sowie die Steuererhebung in Form von Naturalien bei den Germanen zunehmenden Widerstand auslöste.

Im Sommer des Jahres 9 n. Chr. zog Varus mit drei Legionen – etwa 20.000 Legionäre – von Vetera (Xanten) entlang der Lippe zur Weser in das Sommerlager, um weiter östlich römische Präsenz zu zeigen. Die beiden anderen Legionen blieben in Mogontiacum (Mainz). Für den Rückweg wählte Varus auf Veranlassung von Arminius und Segimer eine andere Route, nachdem Arminius ihm von einem Aufstand berichtet und ihn gebeten hatte, diesen niederzuschlagen. Segestes soll Varus zwar vor einem möglichen Verrat des Arminius gewarnt haben, Varus entschied sich aber dafür, der Bitte des Arminius zu folgen.

Auf dem Weg zum Rhein wurden die drei Legionen von germanischen Kämpfern unter der Führung von Arminius angegriffen. Die Schlacht endete nach drei- bis viertägigen Kämpfen mit der weitgehenden Vernichtung aller drei Legionen und wird in der modernen Geschichtswissenschaft als Varusschlacht bezeichnet. Varus selbst nahm sich am Ende mitsamt seiner nächsten Offiziere auf dem Schlachtfeld das Leben. Als Augustus am 6. Oktober von der Niederlage des Varus in Germanien erfuhr, soll er nach den Ausführungen des Biographen Sueton ausgerufen haben:

Quintili Vare, legiones redde! (auf Deutsch: „Quintilius Varus, gib die Legionen zurück!“)

Den Kopf des Varus schickte Arminius zwecks eines Bündnisangebotes gegen die Römer an Marbod, das der König der Markomannen allerdings ablehnte. Marbod sandte den Kopf des Varus weiter an Augustus. Der Princeps ließ das Haupt ehrenvoll in seinem eigenen Mausoleum bestatten.[6]

Urteil der Geschichtswissenschaft

Die moderne Geschichtswissenschaft diskutiert vor allem, in welcher Weise die römische Führung Varus als Alleinschuldigen ansieht. Die Mehrzahl der Forscher, die eine Sündenbockfunktion des Varus für die Niederlage vertritt, sieht dies vor allem in der römischen Tradition begründet. Dabei wird dem verantwortlichen Feldherrn die Schuld an der Niederlage gegeben, denn es war in Rom verpönt, den einfachen Soldaten die Schuld zuzuweisen. Das Heer hingegen wird als besonders tapfer und tüchtig dargestellt. Es wurde nur denjenigen Soldaten die Ehre abgesprochen, die kapitulierten. Der von Sueton übermittelte Ausspruch des Augustus „Quintili Vare, legiones redde!“ wird als direkte Schuldzuweisung an Varus gedeutet, während die Mindermeinung diesen von Sueton übermittelten Satz nicht als Schuldvorwurf, sondern mehr als verzweifelten und verbitterten Ausruf über den Verlust der Legionen interpretiert. Zusätzlich hat der Althistoriker Dieter Timpe argumentiert, dass sich das Bild des Varus in den Quellen im Laufe der Zeit noch verschlechterte. Weiter wurde argumentiert, dass die Witwe des Varus ihre hohe Stellung in der Gesellschaft vermutlich halten konnte.

Ferner werden die Vorwürfe von römischer Seite, nach denen Varus durch sein „arrogantes Verhalten“ die Germanen in den Aufstand getrieben haben soll, von Werner Eck als legitim angesehen, da Germanien zu dieser Zeit bereits provinzialisiertes Gebiet innerhalb des römischen Imperiums war.[7]

Zeugnisse

As der Serie Lugdunum I mit Gegenstempel des Varus („VAR“).

Als indirektes Zeugnis der Amtszeit des Varus als Legatus Augusti pro praetore der gallischen Provinzen sind 18 Münzen aus Haltern mit der Schlagmarke VAR zu werten: eine Münze der Nemausus-Serie I und 17 Asse der ersten Lyoner Altarserie. Bis in die 1980er Jahre waren zwischen Rhein und Elbe nur zwei weitere Münzen mit dem Gegenstempel VAR als Einzelfunde bekannt.

Seit 1987 wurden in Kalkriese etwa 360 Kupfermünzen ausgegraben, dabei zu 90 % der As-Typ „Altar I“ (RIC 230), geprägt zwischen 8 und 3 v. Chr. in Lugdunum. Es tragen etwa 90 % der Asse einen Gegenstempel mit den Aufschriften AVC, IMP mit Lituus, VAR (= P. Quinctilius Varus) und C.VAL (= C. Numonius Vala). Die Funde von Kalkriese werden vor Ort aufbewahrt.

In den gleichzeitigen Lagern am Rhein sind mit dem Stempel VAR kontermarkierte Münzen häufiger vertreten als an der Lippe (Lippia). Die mit einem Gegenstempel gekennzeichneten Münzen werden in der Regel als Geldgeschenke des Varus an die Legionäre gedeutet.

Aufgrund der Ausgrabungen von Kalkriese wird seit 1994 der Varus-Kurier herausgegeben.

Quellen

Literatur

Weblinks

 Commons: Varus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Hermann Dessau, Inscriptiones Latinae selectae, Nr. 8812 = Inscriptiones Graecae 12, 5, Nr. 940: ὁ δῆμος / Πόπ[λ]ιον Κοϊνκτίλιον / Οὐᾶρον τὸν ταμίαν τοῦ / Αὐτοκράτορος Καίσαρος / [θεοῦ Σεβα]στοῦ τὸν πάτ/[ρωνα καὶ εὐεργέτην] „das Volk [ehrt] Publius Quintilius Varus, den Quästor des Imperator Caesar Divi f. Augustus, den Patron [und Wohltäter]“.
  2. Athenische Mitteilungen. Band 29, 1904, S. 175, Nr. 18. Vgl. Neue Spur zu einer verschollenen Varus-Inschrift.
  3. Hans Ulrich Nuber: P. Quinctilius Varus siegte ... In: 2000 Jahre Varusschlacht: Imperium. Theiss, Stuttgart, 2009, ISBN 978-3-8062-2278-4, S. 106–113. Nuber vermutet, dass Varus im folgenden Jahr 14 v. Chr. vor der Übernahme des Konsulats prätorischer Statthalter einer Provinz war, möglicherweise des neu eroberten Rätien.
  4. Über die Tätigkeit des Varus vgl. den Bericht des Flavius Josephus, Jüdischer Krieg 1,617ff.; 2,1ff.; Jüdische Altertümer 17,89ff.
  5. Velleius 2,117,2.
  6. Velleius 2,119,5.
  7. Werner Eck, Augustus und seine Zeit, München 2003, S. 97.

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