Pāḷi

Pāḷi

Pali (पाऴि, Pāḷi) heißt eigentlich „der Text“ oder „die Zeile“. Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts europäische Sprachwissenschaftler die Urtexte des Buddhismus erschlossen, übernahmen sie die traditionelle Bezeichnung Pali für die Sprache dieser Texte. Pali ist eine mittelindische Sprache, die aus dem Vedischen hervorgegangen und somit ein enger Verwandter des klassischen Sanskrit ist. Ob Pali jemals eine gesprochene Sprache war, gilt als umstritten. Heute wird es eher als Literatursprache eingestuft. Pali gehört zu den Prakrit-Sprachen.

Inhaltsverzeichnis

Pali und Buddhismus

Pali steht in engem Zusammenhang mit dem Buddhismus. Während der ersten Phase des Buddhismus (ca. 500 v. Chr. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) bildete sich der Kern der buddhistischen Schriften des Theravada heraus. Während dieser Zeit wurden die heiligen Texte mündlich überliefert. Der Buddha hat vermutlich in Ardhamagadhi gelehrt; von den historischen Worten des Buddha ist jedoch nichts erhalten. Von dem, was der alte Kanon war, existieren nur Übersetzungen in anderen Sprachen, unter anderem Sanskrit und Pali. Vollständig liegt nur noch der Pali-Kanon vor, der im 1. Jahrhundert v. Chr. schriftlich aufgezeichnet wurde.

Pali ist auch heute noch im südostasiatischen Raum eine Sakralsprache und ähnelt in seiner Bedeutung dem Kirchenlatein Westeuropas. Auch heute noch verfassen gebildete Mönche religiöse Texte in Pali, um sie der internationalen Mönchsgemeinde (vor allem in Burma, Thailand und Sri Lanka) zugänglich zu machen.

Sanskrit und Pali

Sanskrit und Pali weisen im Vokabular viele Ähnlichkeiten auf. Bemerkenswert ist auch die ähnliche Grundstruktur in der Grammatik (drei Geschlechter, Funktion der Kasus, Tempora, Modi usw.).

Im Pali sind (wie im Sanskrit) alle acht Fälle der indoeuropäischen Ursprache erhalten geblieben: Nominativ, Vokativ, Akkusativ, Instrumentalis, Dativ, Ablativ, Genitiv und Lokativ. Den Dual des Sanskrit gibt es nicht.

Sanskrit und Pali sind phonetisch ähnlich. Die beiden sch-Laute des Sanskrit (ś, ṣ) kommen jedoch im Pali nicht vor, ebenso wenig vokalische r und l oder die Diphthonge ai und au. Zusätzlich verwendet Pali kurze e und o als Gegenstücke zu den langen ē und ō des Sanskrit.

Forschungsgeschichte

T. W. Rhys Davids vermutete, dass es sich bei Pali um die Sprache des Königreichs Kosala handele, zu dessen Bereich auch das Königreich Shakya gehörte, die Heimat des späteren Buddha Gotama. Westergaard und Kuhn sahen im Pali den Dialekt von Ujjayini, dem heutigen Ujjain (Madhya Pradesh), weil Pali der Sprache der Ashoka-Inschriften von Girnar (Gujarat) am nächsten stehe und weil Mahinda (273-236 v. Chr., Sohn des Ashoka), der um 250 v. Chr. den Buddhismus auf Sri Lanka verkündigte, als Muttersprache den Dialekt von Ujjayini gehabt habe.

Pali und Magadhi

Auf Sri Lanka und in den anderen Ländern des Theravada-Buddhismus nahm man an, dass Pali identisch mit Magadhi sei, der Sprache der Gegend, in der der Buddhismus entstand, d.h. der Gegend des heutigen Patna. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass es sich um zwei verschiedene Dialekte handelt (siehe Prakrit). Zusätzlich sind in das Pali auf Sri Lanka später eine Reihe singhalesischer Wörter eingedrungen, ebenso in den anderen Ländern des Theravada-Buddhismus Wörter der dortigen Landessprachen; diesen Effekt teilt Pali mit den meisten Sakralsprachen der Welt.

Schrift

Pali hat keine eigene Schrift, sondern wird je nach Land mit verschiedenen örtlichen Schriften geschrieben. In Sri Lanka wurde Pali überwiegend in Sinhala aufgezeichnet, in Burma mit der Birmanischen Schrift; beide Schriften stammen von der Brahmi-Schrift ab. Auch sind Pali-Texte in Siddham-Schrift überliefert. Im Westen und in der akademischen Welt überhaupt ist heute die lateinische Schrift üblich geworden (unter Benutzung der Romanisierung der Nationalen Bibliothek von Kalkutta).

Die Aussprache des Pali ist grundsätzlich geprägt durch die Anwendung der gewohnten Ausspracheregeln der verwendeten Schrift bzw. durch den Lautbestand der jeweiligen Muttersprache des/derjenigen, der/die Pali auswendig rezitiert oder liest.

Thailand

In Thailand wurden sakrale Texte lange Zeit in der Khom-Schrift (Khmer-Schrift) geschrieben. Prinz Vajirananavarorasa, ein Sohn König Mongkuts, entwickelte ein System, korrektes Pali mit der thailändischen Schrift zu schreiben. Die Konsonanten und Vokale unterscheiden sich dabei kaum von der gebräuchlichen thailändischen Schrift, jedoch gelten andere Regeln für die Lesart. Die Lesart orientiert sich wieder am Ursprung der thailändischen Schrift, der indischen Brahmi-Schrift. Mit einer kleinen Abwandlung wird dieses System auch heute noch im sakralen Bereich bzw. vor allem im Pali-Studium benutzt. In den Büchern für die Rezitation im Tempel wird der Pali-Text für die thailändischen Laien meist auf die für sie gewohnte Art und Weise geschrieben, also ohne Verwendung von Sonderzeichen und mit Ausschreiben des kurzen A, das nach der Brahmi-Lesart einem Konsonanten automatisch inhärent ist, wenn er nicht durch ein Sonderzeichen ausgeschaltet oder durch ein anderes Vokal-Diakritikum (Vokalzeichen) ersetzt wird.

Obwohl die thailändische Schrift auf der indischen Brahmi-Schrift basiert und alle Konsonantenzeichen aus dem Indischen bewahrt hat, haben der unterschiedliche Phonembestand des Thai sowie der Lautwandel dazu geführt, dass Pali aus thailändischem Mund anders klingt, als es Ausspracheregeln für indische Sprachen vermuten lassen.

Literarische Zeugnisse

Die Chroniken Sri Lankas

Mahāvaṃsa („Große Chronik“) und Dīpavaṃsa („Chronik der Insel“) sind die in Pali abgefassten historischen Chroniken der Singhalesen. Der Mahavamsa ist nicht nur eine historische Chronik, er ist auch eine epische Kunstdichtung (kāvya). Der Dipavamsa wurde vermutlich seit dem 4. Jhd. v. Chr. verfasst. Der buddhistische Mönch Mahānāma verfasste den Mahavamsa in der Zeit des Königs Mahāsēna (274–301). Die erste Fortsetzung des Mahavamsa wurde von einem Dichter namens Dhammakitti verfasst, der zur Zeit des Königs Parakrāmabāhu I (1153–1186) lebte. Eine zweite Fortsetzung reicht bis in die Zeit des Parākramabāhu IV (1302–1326), und der abschließende Teil behandelt die Geschichte der Insel bis zur Zeit des Königs Kīrti Srī Rājasiṃha (1747–1781). Der Indologe Wilhelm Geiger legte 1908 die maßgebliche, kritische Edition des Mahāvaṃsa und 1912 eine Übersetzung ins Englische vor.[1][2]

Literatur

Fahs, Achim, Grammatik des Pali, Leipzig (2. korr. Auflage) 1989.

Quellen

  1. [.http://lakdiva.org/mahavamsa/ ]
  2. http://www.payer.de/mahavamsa/chronik001.htm

Weblinks

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