Ragwurzen

Ragwurzen
Ragwurzen
Wespen-Ragwurz (Ophrys tenthredinifera)

Wespen-Ragwurz (Ophrys tenthredinifera)

Systematik
Ordnung: Spargelartige (Asparagales)
Familie: Orchideen (Orchidaceae)
Unterfamilie: Orchidoideae
Tribus: Orchideae
Untertribus: Orchidinae
Gattung: Ragwurzen
Wissenschaftlicher Name
Ophrys
L.
Balearen-Ragwurz
(Ophrys balearica)
Drohnen-Ragwurz
(Ophrys bombyliflora)
Schwarze Ragwurz
(Ophrys incubacea)
Schnepfen-Ragwurz
(Ophrys scolopax)
Spiegel-Ragwurz
(Ophrys speculum)

Die Ragwurzen (Ophrys), auch Kerfstendel genannt, bilden eine Gattung in der Familie der Orchideen (Orchidaceae). Es handelt sich um kleine, krautige Pflanzen. Sie kommen hauptsächlich rund ums Mittelmeer vor und überdauern den trockenen Sommer mit Hilfe einer unterirdischen Knolle. Zur Bestäubung locken die Blüten durch Produktion von Duftstoffen und insektenähnlichem Aussehen männliche Insekten an, die beim Versuch der Kopulation mit den Blüten Pollen übertragen. Die Gattung umfasst je nach Auffassung zwischen 10 und 260 Arten.

Der botanische Name leitet sich aus dem griechischen "ophrys" = Augenbrauen ab. Der „Begriff“ Ophrys wurde erstmals von Plinius dem Älteren in seinem Werk Naturalis historia erwähnt.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Ragwurzen sind ausdauernde, krautige Pflanzen. Sie erreichen meist Wuchshöhen zwischen 10 und 40 cm, es gibt aber auch blühende Exemplare, die nur 5 cm hoch sind, andere Arten erreichen bis zu 90 cm. Die Pflanzen besitzen eine unterirdische Knolle, mit der sie die ungünstige Jahreszeit überdauern. Während der Wachstumsperiode wird diese Knolle durch eine, selten zwei neu ersetzt. Die Knollen sind rundlich bis leicht oval und werden teils aus Wurzel-, teils aus Sprossgewebe gebildet. Sie enthalten lebende Zellen, die Stärke speichern sowie abgestorbene Zellen, die für die Wasserspeicherung sorgen. Oberhalb der Knollen entspringen die faserigen Wurzeln aus dem Spross.[1] Die Blätter stehen in einer grundständigen Rosette, zusätzlich können weitere kleinere Blätter am Stängel angeordnet sein; oder die Blattrosette ist locker mit am Stängel verteilt stehenden Blättern.[2]

Der endständige Blütenstand ist eine lockere, wenigblütige Traube. Der Fruchtknoten ist ungestielt, nicht behaart und nicht oder nur wenig verdreht. Die Blüten sind resupiniert, sie sind relativ groß, auffällig und ähneln einem Insekt. Die Blütenblätter sind nicht miteinander verwachsen. Die drei äußeren Blütenblätter (Sepalen) sind weiß, rosa oder grünlich, meistens unbehaart. Die seitlichen Petalen sind kleiner als die äußeren Blütenblätter und behaart. Die Lippe ist ganzrandig bis dreilappig, am Ende oft mit einem Anhängsel oder einer aufgesetzten Spitze. Meist ist die Lippe konvex gebogen, wobei die Spitze wieder in die Gegenrichtung aufwärts gebogen sein kann. Im Gegensatz zu verwandten Gattungen besitzt die Lippe der Ragwurzen keinen Sporn. An der Basis der Lippe befindet sich mittig eine auffällig gefärbte Fläche, seitlich davon sind oft zwei Erhebungen. Mittig auf der Lippe befindet sich eine glatte, häufig glänzende Fläche, zum Rand hin ist die Lippe behaart. Die Säule fasst die Narbe und das Staubblatt zusammen; zwischen beiden liegt das wenig ausgebildete Trenngewebe (Rostellum), das oft zwei kleine, farbige seitliche Auswüchse besitzt. Die zwei Pollinien sind über Stielchen mit je einer separaten Klebscheibe (Viscidium) verbunden.[2]

Bestäubungsbiologie

Orchideen der Gattung Ophrys sind bekannt für ihren besonderen Bestäubungsmechanismus. Die Lippe einer Blüte stellt bei diesen Pflanzen eine Nachahmung eines weiblichen Insekts dar. Männliche Insekten lassen sich täuschen und übertragen den Pollen während einer sogenannten Pseudokopulation. Dieses Phänomen wird Sexualtäuschung (englisch: sexual deception) genannt und ist eine Form von Mimikry (Lockmimikry). Die sensorischen Komponenten der Sexualtäuschung setzten sich aus olfaktorischen (Duft) visuellen (Farbe, Form) und taktilen (Behaarung) Stimuli zusammen. Der Duft der Blüten, bei vielen Arten ein für die menschliche Nase nicht wahrnehmbares Gemisch aus schwerflüchtigen Kohlenwasserstoffen, stellt den wichtigsten Stimulus zur spezifischen Anlockung der Bestäuber-Männchen dar. Er ist eine genaue Kopie der Sexual-Duftstoffe der Weiblichen Insekten, und löst daher das gleiche Such- und Kopulationsverhalten aus wie die entsprechenden Weibchendüfte. Eine besondere Bedeutung kommt den taktilen Stimuli zu. Je nach Ausrichtung der Behaarung erkennt ein männliches Insekt nämlich, wo "vorn" und "hinten" bei einem Weibchen ist. Die Ausrichtung der Behaarung bei Ophrys-Blüten entscheidet daher darüber, ob der Bestäuber "kopf-voran" (Sektion Euophrys) oder "schwanz-voran" (Sektion Pseudophrys) mit den Blüten zu kopulieren versucht. Die Pollinien werden dementsprechend mit dem Kopf oder dem Hinterkörper (Abdomen) entnommen und transportiert. Die Konsequenz des Sexualtäuschungsmechanismus ist eine hohe Spezifität in der Bestäubung, weil Anlockung über Sexualduftstoffe immer sehr spezifisch erfolgt. So werden manche Ophrys-Arten nur von einer Insektenart bestäubt, andere haben wenige verschiedene Bestäuber. Die Bestäuber sind in den meisten Fällen Solitärbienen, z.B. der Gattungen Andrena, Eucera, Anthophora, etc.. Wenige Ophrys-Arten werden von Grabwespen (O. insectifera), Dolchwespen (O. speculum), Käfern, Fliegen (O. fuciflora), oder Pflanzenwespen (O. subinsectifera) bestäubt. Aus der hohen Spezifität resultiert eine starke Abhängigkeit der Pflanzen von ihren jeweiligen Bestäubern. Der Schutz der Orchideen sollte daher immer auch den Schutz der entsprechenden Bestäuberinsekten im Auge haben.

Vorkommen

Das Verbreitungsgebiet umfasst hauptsächlich den Mittelmeerraum, aber auch Südeuropa, Nordafrika, Anatolien bis zum Kaukasus.

Systematik

Die Ragwurzen werden in zwei Sektionen unterteilt:

  • Die Sektion Euophrys enthält die Arten, bei denen die Pollen während der Pseudokopulation an den Kopf des Insekts geheftet werden.
  • Die Sektion Pseudophrys enthält die Arten, bei denen sie an das Hinterteil (Abdomen) geheftet werden.

Arten (Auswahl)

in Mitteleuropa vorkommende Arten:

in Südeuropa, Asien und Afrika vorkommende Arten:

Einzelnachweise

  1. Henrik Ærenlund Pedersen, Niels Faurholdt: Ophrys. The bee orchids of europe. Kew Publishing, 2007, ISBN 978-1-84246-152-5. 
  2. a b Alec M. Pridgeon, Phillip J. Cribb, Mark W. Chase, Finn N. Rasmussen (Hrsg.): Genera Orchidacearum: Volume 2. Orchidoideae (Part one). Oxford University Press, 2001, ISBN 0-19-850710-0, S. 327-333. 

Weblinks

 Commons: Ragwurzen (Ophrys) – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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