Rechtliche Stellung der deutschen Sprache in Südtirol

Rechtliche Stellung der deutschen Sprache in Südtirol
Zweisprachiger Ausweis

Die deutsche Sprache ist seit der Verabschiedung des Südtirol-Paketes in der gesamten Region Trentino-Südtirol der italienischen Sprache gleichgestellt. Der Artikel 99 des Sonderstatutes sieht genau das vor:

Die deutsche Sprache ist in der Region der italienischen Sprache, die die amtliche Staatssprache ist, gleichgestellt.[1]

De facto wird aber Deutsch nur in Südtirol als Amtssprache verwendet, da die entsprechenden Durchführungsbestimmungen nur für das Gebiet der autonomen Provinz Bozen gelten.

Weil Italienisch die amtliche Staatssprache ist, bleibt in den Gesetzen und immer dann, wenn das regionale Statut eine zweisprachige Fassung vorsieht, der italienische Wortlaut maßgebend.

Inhaltsverzeichnis

Sprachgebrauch im öffentlichen Dienst

Die deutschsprachigen Bürger haben das Recht, im Verkehr mit den Gerichtsämtern und mit den Organen und Ämtern der öffentlichen Verwaltung, die ihren Sitz im Gebiet der Provinz Bozen haben oder regionale Zuständigkeit besitzen (letztere also auch wenn sie im Trentino ihren Sitz haben), sowie mit den Konzessionsunternehmen, die in Südtirol öffentliche Dienste versehen, ihre Sprache zu gebrauchen.

Die Ämter, die Organe und Konzessionsunternehmen verwenden im schriftlichen und im mündlichen Verkehr die Sprache dessen, der sich an sie wendet, und antworten in der Sprache, in der der Vorgang von einem anderen Organ oder Amt eingeleitet worden ist; wird der Schriftverkehr von Amts wegen eröffnet, so wird er in der mutmaßlichen Sprache des Bürgers geführt, an den er gerichtet ist.

In den Sitzungen der Kollegialorgane der Region, der Provinz Bozen und der örtlichen Körperschaften kann die italienische oder die deutsche Sprache benutzt werden.

In den anderen Fällen wird der getrennte Gebrauch der italienischen oder der deutschen Sprache anerkannt.

Unberührt bleibt der alleinige Gebrauch der italienischen Sprache innerhalb der Einrichtungen des Militärs.

Verletzung des Rechts auf den Gebrauch der Muttersprache

Die Durchführungsbestimmungen über den Sprachgebrauch, enthalten im Dekret des Präsidenten der Republik vom 15. Juli 1988, Nr. 574, sehen die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts vor, wenn dieser nicht in der Muttersprache des Betroffenen verfasst ist.

Der Bürger kann innerhalb von zehn Tagen den Einwand der Nichtigkeit geltend machen. Es reicht ein Brief, in dem die betroffene Person deklariert, nicht in der Muttersprache behandelt worden zu sein, oder auch nur eine mündliche Beschwerde. Eingebracht wird der Einwand entweder bei der für den Akt zuständigen Behörde oder beim Gemeindeamt am Wohnsitz des Betroffenen. Der Einwand hat eine zeitweilige Unwirksamkeit des Verwaltungsakts zur Folge.

Die Behörde hat ihrerseits zehn Tage Zeit, um zu reagieren. Wenn sie den Einwand für begründet hält, erneuert sie den Akt in der jeweils anderen Sprache. Weist die Behörde den Rekurs ab, muss sie dies dem Betroffenen innerhalb von zehn Tagen mitteilen. Der Bürger kann dann das regionale Verwaltungsgericht anrufen. Lässt die Behörde die Zehntagesfrist ungenützt verstreichen, ist der vom Bürger beanstandete Verwaltungsakt endgültig unwirksam. [2]

Zugang zum öffentlichen Dienst

Die Anwärter für den öffentlichen Dienst müssen Kenntnisse in Deutsch und Italienisch nachweisen, das gilt auch bei Versetzungen aus rein italienischen Sprachgebieten.

Eine deutschsprachige Schule

Eine Ausnahme von dieser Regel stellen die Anwärter auf den Lehrberuf dar. Da die Schulen nach Muttersprachen getrennt geführt werden, müssen Lehrer z.B. deutscher Muttersprache in deutschen Schulen nicht notwendig über einen Zweisprachigkeitsnachweis verfügen. Verfügen sie über den Nachweis, kommt ihnen eine Gehaltssteigerung in Form einer Zweisprachigkeitszulage zugute.

Die Zweisprachigkeitsprüfung

Die Beherrschung der jeweils anderen Sprache muss in Form einer Zweisprachigkeitsprüfung nachgewiesen werden, die von den zuständigen Ämtern gemäß Dekret des Präsidenten der Republik Nr.752/1976 angeboten werden. Andere Möglichkeiten die Zweisprachigkeit nachzuweisen sind derzeit nicht geboten. Je nach angestrebter Laufbahn innerhalb des öffentlichen Dienstes gibt es vier verschiedene Prüfungsarten, A (für die höhere Laufbahn), B (für die gehobene), C (für die mittlere) und D (für die einfache Laufbahn).

Es ist möglich, sich unabhängig vom Bildungsgrad zur Prüfung einer beliebigen Laufbahn anzumelden. Dabei sind lediglich zwei Altersgrenzen zu berücksichtigen: 14 Jahre für die Prüfungsarten D und C, 17 Jahre für die Prüfungen B und A.

Die Zweisprachigkeitsprüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. In der Regel finden die zwei Teilprüfungen am selben Tag statt. Die schriftliche Teilprüfung besteht aus zwei kurzen Texten mit sechs entsprechenden Fragen, die jeweils in der anderen Sprache zu beantworten sind. Die mündlichen Teilprüfung soll die Kommunikationsfähigkeit des Kandidaten in alltäglichen und beruflichen Gesprächssituationen feststellen.

Die Prüfung hat, sofern sie bestanden wurde, unbegrenzte Gültigkeit.

Deutschsprachige Ortsnamen

Auf Straßenschildern an Staatsstraßen und Autobahnen stehen die italienischen vor den deutschen Ortsbezeichnungen.
Auf Straßenschildern an Landesstraßen stehen die deutschen vor den italienischen Ortsbezeichnungen

In Südtirol müssen sämtliche öffentlichen Verwaltungen gegenüber den deutschsprachigen Bürgern auch die deutschen Ortsnamen verwenden, wenn ein Landesgesetz ihr Vorhandensein festgestellt und die Bezeichnung genehmigt hat. So sieht es das Sonderstatut vor. Tatsächlich ist ein solches Gesetz noch nicht verabschiedet worden.

Die Südtiroler Ortsnamensgebung stellt nämlich einen wesentlichen Streitpunkt dar. Amtlich gültig sind nur die von Ettore Tolomei geschaffenen italienischen Orts- und Flurnamen, die 1923 unter Mussolinis faschistischem Regime für alle Südtiroler Ortschaften verbindlich wurden. In Ermangelung eines Toponomastikgesetzes finden die ursprünglichen deutschen (und ladinischen) Bezeichnungen zwar überall Verwendung, werden aber lediglich geduldet.

Sämtliche Ortstafeln und Verkehrsschilder sind demnach zweisprachig (in ladinschsprachigen Landesteilen sogar dreisprachig). Auf Autobahnen, Staatsstraßen und an fast allen Bahnhöfen steht der italienische Name an erster Stelle. Die Beschilderung der Landesstraßen weist den deutschen Namen als ersten (oder oben) aus. Bahnhöfe der landeseigenen Vinschgaubahn tragen zum Teil nur noch den deutschen Ortsnamen.

BahnhofMarling.jpg

Die Lösungsvorschläge für eine Überarbeitung der Südtiroler Ortsnamen sind verschieden.

  • Einige Politiker der deutschen Sprachgruppe fordern die komplette Abschaffung von Tolomeis Ortsnamen. Andere schlagen die Benennung der Ortschaften anhand ihrer größten Bevölkerungsgruppe vor, so dass Gemeinden mit verschwindend kleinem Anteil an italienischsprechender Bevölkerung - immerhin 93 von 116 [3] - einzig die angestammten deutschen, bzw. ladinischen, Ortsnamen erhalten sollen. Bei Flurnamen soll zudem generell auf die erdachten italianisierten Bezeichnungen verzichtet werden. [4]
  • Auf italienischer Seite möchte man alle Ortsnamen Tolomeis beibehalten, dafür sollen die deutschen Namen in Zukunft offiziell anerkannt werden (bis dato sind sie zwar weitestgehend vorhanden, aber nur geduldet).

Das Südtirol-Paket, das Verfassungsrang hat, sieht diesbezüglich vor, dass das Land die Gesetzgebungsbefugnis in Bezug auf die Ortsnamengebung hat, mit der Verpflichtung zur Zweisprachigkeit im Gebiet der Provinz Bozen (Art. 8 I Z 2 Sonderstatut).[5] Einige Beobachter heben hervor, dass Zweisprachigkeit aber nicht mit der Verpflichtung zur Zweinamigkeit gleichzusetzen sei.

Ein neuester Gesetzesvorschlag der Südtiroler Volkspartei sieht vor, dass die Namen aller Südtiroler Gemeinden sowie sämtlicher Fraktionen zwei- bzw. dreisprachig bleiben sollen. Für Weiler, Auen, Fluren und Berge soll eine Toponomastikkommission feststellen, welche Namen tatsächlich gebraucht werden.

Die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung

Um festzustellen, wie stark die deutsche Sprache in Südtirol vertreten ist, werden alle Bürger bei der alle 10 Jahre stattfindenden Volkszählung aufgerufen, ihre Sprachgruppenzugehörigkeit zu erklären. Dies ist rechtlich relevant, weil davon die Besetzung von Ämtern abhängt, sowie die Vergabe von Sozialwohnungen und andere fördernde Maßnahmen. Näheres hierzu im Artikel Ethnischer Proporz (Südtirol).

Einzelnachweise

  1. Sonderstatut für Trentino-Südtirol
  2. Die Regelungen zum Sprachgebrauch vor Gericht und Verwaltung
  3. http://www.provincia.bz.it/ASTAT/downloads/mit17_02.pdf
  4. http://www.schuetzen.com/file/broschueren/Ortsb_2.pdf
  5. Sonderstatut für Trentino-Südtirol

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