Rechtshängigkeit

Rechtshängigkeit

Die Rechtshängigkeit oder auch Litispendenz bezeichnet im Prozessrecht einen bestimmten prozessualen Zustand eines Rechtsverhältnisses. Der Beginn und die Folgen der Rechtshängigkeit unterscheiden sich in den verschiedenen Rechtsgebieten.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage in Deutschland

Strafrecht

Im Strafrecht beginnt die Rechtshängigkeit erst mit der Zulassung der Anklage durch den Eröffnungsbeschluss (§ 207 Abs. 1 StPO) bzw. bei anderen Verfahrensarten mit dem Ereignis, das der Zulassung der Anklage entspricht, nicht schon mit dem Einreichen der Anklageschrift, weil erst ab diesem Zeitpunkt die öffentliche Klage nicht mehr von der Staatsanwaltschaft zurückgenommen werden kann (§ 156 StPO).

Die Wirkung der Rechtshängigkeit ist, dass die Staatsanwaltschaft die Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand verliert. Es entsteht ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Tat (im Sinne des prozessualen Tatbegriffs) in einem anderen Verfahren.

Zivilrecht

Im Zivilprozessrecht beginnt die Rechtshängigkeit mit Zustellung der Klage an den Beklagten. Sie ist in § 261 ZPO geregelt. Die Rechtshängigkeit ist abzugrenzen von der Anhängigkeit, die schon mit Eingang der Klage bei Gericht eintritt.

Prozessual bewirkt die Rechtshängigkeit, dass der streitgegenständliche Anspruch bei keinem anderen Gericht mehr geltend gemacht werden kann und die einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts durch nachträgliche Veränderungen (zum Beispiel: Beklagter verlegt seinen Wohnsitz) nicht berührt wird (Grundsatz der perpetuatio fori). Die Rechtshängigkeit hat materiell-rechtlich Bedeutung für Nebenansprüche (insbesondere Zinsen) und die Verjährung bzw. Hemmung von Ansprüchen. Früher war die Rechtshängigkeit die einzige Möglichkeit, den Lauf der Verjährungsfrist zu unterbrechen.

Erst ab Rechtshängigkeit besteht zwischen den Parteien ein sogenanntes Prozessrechtsverhältnis; erst ab diesem Zeitpunkt kann überhaupt eine Entscheidung durch das Gericht ergehen.

Die Rechtshängigkeit endet mit der formell rechtskräftigen Entscheidung, bei Klagerücknahme (§ 269 ZPO) oder mit einer beiderseitigen Erledigungserklärung (§ 91a ZPO).

Verwaltungsrecht

Im Unterschied zur ZPO beginnt die Rechtshängigkeit im Verwaltungsprozess durch die Erhebung der Klage bei dem Gericht (§ 90 Abs. 1 VwGO). Anders als im Zivilprozess bedarf es einer Zustellung an den Beklagten zur "Erhebung" der Klage in diesem Sinne nicht.

Rechtslage in der Schweiz

In der Schweiz ist der Eintritt der Rechtshängigkeit in Art. 62 Zivilprozessordnung geregelt.

Weiter sieht etwa Art. 9 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG)[1] eine einheitliche Regelung vor.

Einzelnachweise

  1. (Schweiz) Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (IPRG; SR 291)
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rechtshängigkeit — (Litispendenz), der durch die Klageerhebung bewirkte Zustand einer streitigen Rechtssache. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 265 ff.) wie nach der österreichischen (§ 234) hat die R. nicht mehr, wie nach gemeinem Recht, die Wirkung, daß… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Rechtshängigkeit — Rechtshängigkeit, Litispendenz, Zustand einer Rechtssache, über welche ein Prozeßverfahren schwebt …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Rechtshängigkeit — Rẹchts|hän|gig|keit 〈f. 20; unz.〉 das Schweben einer Rechtssache * * * Rẹchts|hän|gig|keit, die; (Rechtsspr.): das Rechtshängigsein. * * * Rechtshängigkeit,   prozessualer Zustand in gerichtlichem Verfahren, besonders im Zivilprozess die… …   Universal-Lexikon

  • Rechtshängigkeit — Anhängigkeit eines Prozesses mit einem bestimmten Streitgegenstand bei einem Gericht. Eintritt der R. mit ⇡ Klageerhebung. Wirkungen: 1. Materielle Wirkungen: Unterbrechung der Verjährungsfrist (§ 212 I BGB), der Beklagte kommt i.d.R. spätestens… …   Lexikon der Economics

  • Litispendenz — Die Rechtshängigkeit oder auch Litispendenz bezeichnet im Prozessrecht einen bestimmten prozessualen Zustand eines Rechtsverhältnisses. Der Beginn und die Folgen der Rechtshängigkeit unterscheiden sich in den verschiedenen Rechtsgebieten.… …   Deutsch Wikipedia

  • Zivilprozessrecht (Deutschland) — Das Zivilprozessrecht der Bundesrepublik Deutschland umfasst als Rechtsgebiet alle gesetzlichen Bestimmungen, die den formalen Ablauf von Zivilverfahren (Zivilprozesse) regeln. Es wird daher als formelles Zivilrecht bezeichnet, während das… …   Deutsch Wikipedia

  • Anhängigkeit — bezeichnet im Prozessrecht den Zeitpunkt, in dem die Klage beim Gericht eingereicht wird. Die Anhängigkeit ist von der Rechtshängigkeit, also dem Zeitpunkt, in dem die Klage erhoben wird, zu unterscheiden. Grundsätzlich liegt die Anhängigkeit vor …   Deutsch Wikipedia

  • Erledigungserklärung — Als Erledigungserklärung wird im deutschen Prozessrecht eine Prozesserklärung bezeichnet, mit dem ein Streitbeteiligter den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Es wird zwischen beidseitiger (übereinstimmender) und einseitiger… …   Deutsch Wikipedia

  • Zugewinngemeinschaft — Die Zugewinngemeinschaft ist eine Unterart des Güterstandes der Gütertrennung im Bürgerlichen Gesetzbuch, bei der bei Scheidung ein Zugewinnausgleich stattfindet (§ 1363). Inhaltsverzeichnis 1 Regelungen 2 Populäre Rechtsirrtümer zur… …   Deutsch Wikipedia

  • Bereicherung — Das Bereicherungsrecht ist ein Teilgebiet des Zivilrechts. Es wird auch als Kondiktionsrecht oder Kondiktionenrecht bezeichnet. Das Bereicherungsrecht befasst sich mit der Rückabwicklung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen. Die condictio war …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”