Reichspartei des deutschen Mittelstandes

Reichspartei des deutschen Mittelstandes

Die Reichspartei des deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei, auch WP), die sich von 1920 bis 1925 als Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes bezeichnete, war eine deutsche Partei zur Zeit der Weimarer Republik.

Inhaltsverzeichnis

Gründung und Geschichte der Partei

Hervorgegangen ist die Partei aus mittelständischen Interessenlisten, die seit 1920 im Berliner Raum politische Erfolge auf Kosten vornehmlich der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) errangen. Dabei errang der Bäckermeister Hermann Drewitz einige Bekanntheit. Sammelbecken dieser Interessenlisten wurde im September 1920 die Reichspartei des deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei), bis 1925 noch Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes, in Charlottenburg von Vertretern verschiedener Mittelstandsorganisationen aus Berlin, Brandenburg, Schlesien, Mecklenburg und Pommern gegründet. Wichtig war die politische und finanzielle Zusammenarbeit mit dem Zentralverband deutscher Haus- und Grundbesitzervereine seit der preußischen Landtagswahl von 1921. Prominente Mitglieder wie Johann Viktor Bredt kandidierten auf der WP-Liste. So konnten vier Mandate gewonnen werden. Die WP beschränkte sich auf die Vertretung der Interessen von Haus- und Grundbesitzern, Handwerkern und kleinen Gewerbetreibenden und zeigte sich als eine reine Interessenpartei, die im bürgerlich-rechten Spektrum anzusiedeln ist.

Nachdem 1924 prominente Handwerkerfunktionäre wie Otto Colosser und Jacob Ludwig Mollath vom Bund der Handwerker in den Vorstand gelangt waren, folgte die politisch einflussreichste Phase der WP. Sie kam zu Wahlerfolgen in Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Schwerin; in Sachsen und Thüringen wurde sie an der Landesregierung beteiligt (siehe Walter Woldemar Wilhelm). 1928 profitierte sie von Verlusten der DNVP und wurde fast so stark wie die DDP. 1930 verlor die Partei zwar prozentual, konnte aber die Mandatszahl halten. Sie unterstützte die Regierung Heinrich Brüning, in der sie mit dem Justizminister Johann Viktor Bredt vertreten war, doch Ende 1930 schied sie gegen den Willen Bredts aus der Regierung aus, da sie Brünings Konsolidierungsprogramm nicht mittragen wollte und große Teile der Basis eine Annäherung an die „nationale Opposition“ forderten. Anschließend brach in der WP ein interner Macht- und Richtungskampf aus. Die Folge waren Abspaltungen und Übertritte prominenter WP-Politiker wie Otto Colosser zu anderen Parteien. Nachdem die Reichstagsfraktion Brüning im Oktober 1931 vor dem Sturz rettete, verließen viele Mitglieder und Anhänger die Partei und wechselten zur NSDAP.

1932 unterstützte die WP Paul von Hindenburg bei der Wahl zum Reichspräsidenten und tolerierte Reichskanzler Brüning - trotz aller internen Spannungen und der verheerenden Niederlage bei der Preußenwahl im April 1932, die ohne einen Mandatsgewinn ausging. Zur Reichstagswahl vom Juli 1932 ging sie eine Listenverbindung mit der BVP ein, was trotz gewaltiger Verluste der Partei zwei der bislang 23 Mandate rettete. Im November kam nur noch Johann Viktor Bredt durch die Listenverbindung mit der BVP in den Reichstag. Zur Reichstagswahl März 1933 trat sie nicht mehr an; bei der Preußischen Landtagswahl gewann die WP unter der Bezeichnung „Preußischer Mittelstand und Sparer“ und aufgrund eines Bündnisses mit der Zentrumspartei noch ein Mandat. Im April 1933 löste sich die WP-Organisation auf, zumal viele Landesverbände den Kurs der Parteiführung nicht mittrugen und zur Wahl der NSDAP oder DNVP aufgerufen hatten. Viele Parteiführer, unter anderem Mollath, traten der NSDAP bei.

Parteivorsitzende

Stellvertretende Vorsitzende

Generalsekretäre

  • 1921-1922 Fritz Borrmann
  • 1923-1929 Otto Dannenberg
  • 1929-1933 Dr. Wilhelm Baeumer

Mitglieder

Etwa 50.000-60.000

Reichstagswahlergebnisse

Jahr Stimmen Stimmen in % Mandate
Mai 1924 524.610 1,8 7
Dezember 1924 694.568 2,3 11
1928 1.397.129 4,5 23
1930 1.362.353 3,9 23
Juli 1932 146.875 0,4 2
November 1932 110.301 0,3 1


Regional und chronologisch unterschiedliche Benennungen

  • Anhalt - 1924-1928 Volksgemeinschaft (DNVP, Landbund, AHG, WP, DVP, Deutscher Bauernbund)
  • Baden - Wirtschafts- und Bauernpartei (WBP), 1921 Wirtschaftliche Vereinigung, 1925 Wirtschaftliche Vereinigung des badischen Mittelstandes
  • Braunschweig - 1930-1933 Bürgerliche Einheitsliste aus Zentrum, DVP, DNVP, HuG und Wirtschaftspartei
  • Bremen - Reichspartei des Deutschen Mittelstandes
  • Hamburg - 1919-1921 Hamburgische Wirtschaftliche Partei, hierbei auch die Abgeordneten der Wahlliste "Grundeigentümer", 1921-1924 innerhalb der Fraktion der DVP, 1928-1931 Mittelstandspartei, 1931-1932 mit Reichspartei des deutschen Mittelstandes
  • Lippe - Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei)
  • Mecklenburg-Schwerin - 1919-1920 Mittelstandspartei, 1920-1921 Wirtschaftsbund, 1924-1926 Wirtschaftsbund für Stadt und Land, 1926-1927 Wirtschaftspartei des Mecklenburger Mittelstandes (Landesverband der Reichspartei des deutschen Mittelstandes), 1929-1932 Wirtschaftspartei des Mecklenburger Mittelstandes/ ANM
  • Preußen - 1921-1928 Wirtschaftspartei des Deutschen Mittelstandes, 1928-1932 Reichspartei des Deutschen Mittelstandes
  • Sachsen - Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei)
  • Schaumburg-Lippe - Wirtschaftspartei des Deutschen Mittelstandes
  • Thüringen - Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei)

Literatur

  • Werner Fritsch: Reichspartei des deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei) [WP] 1920–1933, (1920–1925 Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes). In: Dieter Fricke u. a. (Hrsg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland 1789–1945. Band 3: Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften – Reichs- und freikonservative Partei. Bibliographisches Institut, Leipzig u. a. 1985, S. 722–738.
  • Martin Schumacher: Mittelstandsfront und Republik. Die Wirtschaftspartei – Reichspartei des deutschen Mittelstandes. 1919–1933. Droste, Düsseldorf 1972 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 44, ISSN 0522-6643).

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