Reichsparteischule (SPD)

Reichsparteischule (SPD)

Die Reichsparteischule der SPD wurde am 15. November 1906 in der Lindenstraße 3 in Berlin gegründet. Sie war die erste dauerhafte Einrichtung einer deutschen Partei, die gezielt Parteifunktionäre schulte. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde sie geschlossen.

Besuch des Parteivorstandes im Jahr 1907 bei der Reichsparteischule der SPD. Dozentin Rosa Luxemburg (stehend vierte von links). August Bebel (stehend fünfter von links), Friedrich Ebert (links in der 3. Bank der rechten Bankreihe

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Die Gründung der Reichsparteischule wurde vor allem von August Bebel vorangetrieben und stand im Zusammenhang mit den programmatischen Auseinandersetzungen innerhalb der SPD zu diesem Zeitpunkt. Bebel wollte mit der Schulung von führenden Genossen nicht nur deren Schlagkraft in der politischen Auseinandersetzung erhöhen, sondern auch reformistischen Strömungen entgegenwirken, die statt eines Klassenkampfs auf parlamentarische Arbeit und Reformen des bestehenden Gesellschaftssystems setzten. Allerdings wurde die von Bebel angestrebte Ausrichtung der Schule nie im vollen Umfang durchgesetzt, da bald auch reformorientierte Sozialdemokraten an ihr lehrten. Ein weiterer Beweggrund war, dass andere Parteien und Strömungen ihre Funktionäre ebenfalls zu schulen begannen, zum Teil mit ausdrücklicher Ausrichtung gegen die Sozialdemokratie. Diese Institutionen verfügten jedoch nicht über regelrechte Schulen, sondern boten ihren Mitgliedern und Unterstützern lediglich kürzere Lehrgänge an.

Unterricht

Der Unterricht fand jeweils im Winterhalbjahr statt. Jeder Kurs umfasste bis zu 30 SPD-Funktionäre, die von den Parteibezirken für den Lehrgang vorgeschlagen und von Parteivorstand, Bildungsausschuss und Lehrerkollegium ausgewählt wurden. Während der Kurse übernahm die Partei die Lebenshaltungskosten der Teilnehmer und auch ihrer Familien.

Lehrer

Das Gründungskollegium umfasste acht Dozenten: Rudolf Hilferding, Franz Mehring, Anton Pannekoek, Kurt Rosenfeld, Simon Katzenstein, Heinrich Schulz, Arthur Stadthagen und Hugo Heinemann. Die preußische Polizei überwachte die Einrichtung scharf und drohte 1907 Rudolf Hilferding und Anton Pannekoek mit Ausweisung, da sie keine deutschen Staatsbürger waren. Sie verließen das Kollegium, als Ersatz kamen Rosa Luxemburg, Emanuel Wurm und Heinrich Cunow als neue Dozenten.

Schüler

Während der acht Jahre des Bestehens der Reichsparteischule besuchten sie 203 Schüler, darunter 20 Frauen. Unter anderem wurden Wilhelm Kaisen, Wilhelm Pieck, Fritz Tarnow und Jacob Walcher an ihr ausgebildet.

Lehrplan

Der Lehrplan umfasste vor allem verschiedene juristische Themenfelder (Arbeitsrecht, Sozialrecht, Gesinderecht, Verfassungsrecht, Strafrecht und bürgerliches Recht). Hinzu kamen Volkswirtschaftslehre, Gewerkschafts- und Genossenschaftswesen, Kommunalpolitik, Marxismus, Rhetorik und die Geschichte der politischen Parteien.

Schulbücher

Einer Vorlesungs-Niederschrift fügte J.Walcher ein Verzeichnis über Bücher bei, die er 1910 in Berlin für das Parteischuljahr verwendet hatte: „Duden, Wörterbuch; Wustmann, Sprachdummheiten; Statistisches Jahrbuch; Mehring, Gustav Adolf; Karl Marx, Kapital I.Bd.; Plötz, Geschichte; Mehring, Jena - Tilsit; Engels, Bauernkrieg; Wolf, Gesammelte Schriften; Rousseau, Gesellschaftsvertrag; Campanella, Sonnenstaat; Wissen ist Macht; Kommunistisches Manifest; Kautsky, Vorläufer des Sozialismus, Bd. I u.II; Marx, Elend der Philosophie; Büchner, Hessischer Landbote; Morus, Utopia; Lasalles Werke; Arbeiterrecht; Tolstoi, Was ist Kunst?; Brasilien; Soziale Verfassung des Inkareiches; Pertes, Atlas; Finanzreform; Mehring, Schiller; Plechanow, Marxismus; Bebel, Frau und Sozialismus“

Literatur

  • Franz Osterroth / Dieter Schuster: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Bd.1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Bonn, Berlin, 1975. S.124
  • Jacob Walcher: Rosa Luxemburg als Lehrerin. (Jacob Walcher, Schüler der SPD-Reichsparteischule 1910), unveröffentl. Manuskript in: Nachlass Jacob Walcher SAPMO

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reichsparteischule — steht für: Reichsparteischule (SPD), die am 5. November 1906 gegründete Parteischule der SPD Reichsparteischule Rosa Luxemburg, die im April 1927 gegründete Parteischule der KPD Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unterscheidung …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte der SPD — Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie reicht bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. In dieser Zeit entstanden zunächst frühsozialistisch orientierte Exilorganisationen vor allem in Frankreich, England und der Schweiz; und im …   Deutsch Wikipedia

  • Luxemburgismus — Rosa Luxemburg Rosa Luxemburg (* 5. März 1871 als Rozalia Luksenburg in Zamość, Kongresspolen; † 15. Januar 1919 in Berlin) war eine bedeutende Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung und des proletarischen Internationalismus. Sie wirkte… …   Deutsch Wikipedia

  • Rosalia Luxemburg — Rosa Luxemburg Rosa Luxemburg (* 5. März 1871 als Rozalia Luksenburg in Zamość, Kongresspolen; † 15. Januar 1919 in Berlin) war eine bedeutende Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung und des proletarischen Internationalismus. Sie wirkte… …   Deutsch Wikipedia

  • Alfred Karl Fellisch — (* 1. Juni 1884 in Fraustadt; † 4. März 1973 in Radebeul) war ein sozialistischer Politiker. Er war in der Weimarer Republik Landesminister und kurze Zeit Ministerpräsident von Sachsen. Auch in der Nachkriegszeit war er sächsischer Landesminister …   Deutsch Wikipedia

  • Fellisch — Alfred Karl Fellisch (* 1. Juni 1884 in Fraustadt; † 4. März 1973 in Radebeul) war ein sozialistischer Politiker. Er war in der Weimarer Republik Landesminister und kurze Zeit Ministerpräsident von Sachsen. Auch in der Nachkriegszeit war er… …   Deutsch Wikipedia

  • Klupsch — Franz Klupsch (* 22. September 1874 in Deutsch Jeseritz; † 28. Dezember 1957 in Dortmund) war ein deutscher sozialdemokratischer Politiker. Er gilt als der Organisator der SPD im Bezirk Westliches Westfalen. Nach dem Zweiten Weltkrieg… …   Deutsch Wikipedia

  • Jakob Walcher — Jacob Walcher (* 7. Mai 1887 in Wain; † 27. März 1970 in Ost Berlin) war ein kommunistischer Politiker und Gewerkschafter. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 In der Arbeiterbewegung der Kaiserzeit 1.2 In KPD, KPD O und SAPD …   Deutsch Wikipedia

  • Lübbring — Josef Lübbring (* 26. Juli 1876 in Ahaus; † 9. November 1931 in Dortmund) war ein deutscher Handwerker (Maurer), Gewerkschaftsfunktionär, Staatsbeamter (Polizeipräsident) und Politiker (SPD). Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Schriften 3… …   Deutsch Wikipedia

  • Wendemuth — Karl Wendemuth (* 27. März 1885 in Erfurt; † 26. Februar 1964 in Ost Berlin) war ein deutscher Handwerker, Journalist und Politiker (SPD). Leben und Wirken In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen folgende wichtige Informationen …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”