Reigentanz

Reigentanz
Giulio Romano: Tanz Apollons mit den Musen, um 1540
Hans Thoma: Der Kinderreigen, 1884
Reigen im Schwarzwald (um 1915)

Der Reigen (auch Rei(h)en, von altfrz. raïe „Tanz“) oder Kreistanz ist eine der ältesten Tanzformen Europas. In den Dörfern Europas entstand der Reigen um 1100 n. Chr. als nicht-kultischer Tanz. Er wurde zum mittelalterlichen weltlichen Volkstanz und drang nach und nach auch in höfische Bereiche ein. In der Antike wurde er bereits in Griechenland - oft mit kultischem Hintergrund - getanzt.

Für uralt halten auch die Bretonen ihre Tänze, deren ursprüngliche alles Kreis- oder Reihentänze sind.

Ursprünglich ist der Reigen ein Tanzlied, das von den Tänzern selbst gesungen wird; es stellt den Ursprung einiger musikalischer Genres dar (Kanon, Rondeau, Ballade). Tanzschritte und dazugehörige Melodien wurden in der Frühzeit mündlich überliefert und erst spät niedergeschrieben.

Der Reigen wurde von vier oder mehr Tänzern meist in einem geschlossenen Kreis ausgeführt (Kreistanz), bei dem die Tänzer sich an den Händen fassten und je nach dem Tempo der Musik schritten oder sprangen. Er wurde üblicherweise von einem Vorsänger bzw. Vortänzer angeführt. Bei einer großen Anzahl von Reigentänzern bildeten diese einen Kreis um die Spielleute. Daneben gab es offene Reigen, bei denen die Tänzer als Kette den Tanzplatz durchmaßen. Die Tanzfiguren waren ursprünglich einfach. Man unterscheidet Schreittänze und Springtänze.

Diese alte Reigenform hat sich bis heute ausschließlich auf den Färöer-Inseln als Kettentanz zu Balladengesang erhalten.

Bekannte Reigenformen sind die getanzte Ballade in Skandinavien, Kolo und Hora in den Ländern des Balkan, Country Dance und Round in England, Circle Dance in den USA, die Ronde in Frankreich sowie die Sardana in Spanien.

Dem Anlass des Tanzes angepasst gab es reine Männertänze (etwa zur Kriegsvorbereitung) und reine Frauentänze (z. B. Fruchtbarkeitstänze). Männertänze waren und sind in der Regel schneller und komplizierter. Häufig kamen Utensilien hinzu wie Stangen, Schwerter, Bänder und Kränze. Als Volksbrauch aus Deutschland ist der Tanz um den Maibaum bekannt. Auch wurden im Mittelalter religiöse Prozessionen als offene Reigen getanzt. Die Echternacher Springprozession hält diese Tradition bis in die Gegenwart lebendig.

Mit der Entwicklung des Paartanzes, zuerst bei Hofe im 15. Jahrhundert, wurde der Reigen aufgegeben und nur noch in der Polonaise und im Kindertanz gepflegt. Im Norden und Westen Europas wurde der Reigen erst im 19. Jahrhundert durch den Paartanz (Schottisch, Polka, Walzer) verdrängt. In Südosteuropa hat der Kreistanz bis in die heutige Zeit überlebt. Hier werden traditionell noch der Horo (Bulgarien), der Kolo (Serbien, Kroatien, Bosnien) oder Hora und Sirba (Rumänien) getanzt.

Erst in den 80-er Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Volkstanz und speziell der Kreistanz bei uns eine Wiederbelebung erfahren. Getragen von einem Gefühl der Zusammengehörigkeit wurden und werden verstärkt Kreistänze, vor allem Tänze aus dem Balkan, Griechenland und der Türkei, außerhalb ihres Ursprungsgebietes getanzt.

Eine ganz andere Richtung hat sich seitdem parallel zu den Folkloretänzen entwickelt: der so genannte Sacred-Dance, der auch als sakraler oder meditativer Tanz bezeichnet wird. Als Grundlage dienen einfache Kreistänze. Im Gegensatz zu den tradierten Tänzen kommt es beim Sacred-Dance nur auf Besinnung und Meditation an. Der sakrale Tanz findet zunehmende Verbreitung in spirituellen und kirchlichen Gruppen und wird auch im pädagogischen und therapeutischen Bereich angewendet. Die Schöpfer dieser Kunsttänze greifen im Allgemeinen großzügig auf den Schatz der Volkstänze und der Volksmusik zu und verarbeiten deren Elemente zu eigenen Choreografien.

Von der Kunstmusik wurde der Reigen u. a. verwendet von

Literatur

Zum bretonischen Reigentanz:

  • Corina Oosterveen: 40 bretonische Tänze mit ihrem kulturellen Hintergrund, Verlag der Spielleute Hofmann & Co. KG 1995, ISBN 3-927240-32-X

Siehe auch

Weblinks


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