Reinke-Raum

Reinke-Raum
Stimmlippe beim Blick in den Kehlkopf
Blick auf den Kehlkopf. 1=Stimmlippe, 2=Taschenband, 3=Epiglottis, 4=Plica aryepiglottica, 5=Aryhöcker, 6=Sinus piriformis, 7=Zungengrund
Blick auf die Stimmlippen beim intubierten Patienten

Die Stimmlippen (auch: Stimmfalten) sind paarige schwingungsfähige Strukturen im Kehlkopf. Sie sind ein wesentlicher Teil des stimmbildenden Apparates (Glottis) des Kehlkopfes, bestehend aus der von Epithel überzogenen Stimmfalte, dem eigentlichen Stimmband (Ligamentum vocale), dem Musculus vocalis und den Aryknorpeln jeweils beider Seiten. Die Stimmlippen werden beidseits bei der Phonation (Stimmgebung) durch Anblasen aus dem Brustkorb in Schwingungen versetzt (Bernoulli-Effekt) und bilden so den Primärschall der Stimme.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Funktion

Der Spalt zwischen den Stimmlippen wird als „Stimmritze“ (Rima glottidis) bezeichnet. Die hinteren Enden der Stimmlippen sind mit den beiden Stellknorpeln (lat. Cartilago arytaenoidea, Mz. Cartilagines arytaenoideae) verbunden, welche die Stellung der Stimmlippen zueinander regulieren. Beim Atmen sind die Stimmlippen weit geöffnet, wodurch die Stimmritze eine charakteristische dreieckige Form erhält. Die Weite der Stimmritze bzw. der Grad ihrer Konstriktion sind für die Artikulation von Sprachlauten bedeutend. Durch den Musculus vocalis kann eine Änderung der Stimmlippenspannung und der Stimmlippendicke erreicht werden. In Verbindung mit dem Musculus cricothyreoideus, der ebenfalls die Spannung und Länge der Stimmlippen ändert, entsteht ein sensibler Regelkreis, mit dessen Hilfe die Lautstärke und Tonhöhe der menschlichen Stimme geregelt wird. An diesem Regelkreis ist noch eine Reihe weiterer Muskeln in unterschiedlicher Ausprägung beteiligt.

Über den Stimmlippen finden sich beidseits die Taschenfalten (Plicae vestibulares), die auch „falsche Stimmbänder“ genannt werden. Unter bestimmten krankhaften Bedingungen werden die Taschenfalten zur Stimmbildung verwendet, was eine rau und gepresst klingende Stimme zur Folge hat (Taschenfaltenstimme).

Wenn eine Opernsängerin einen besonders hohen Ton anstimmt, öffnen und schließen sich die Stimmlippen öfter als 1000 mal in der Sekunde. Wenn die Stimme durch einen Glottisverschluss (auch kurzfristiger Kehlkopfverschluss) unterbrochen wird, entsteht ein Knacklaut, so zum Beispiel vor "u" in "beurteilen" und vor allen Vokalen im Anlaut, wie in "aber".

Die Stimmbänder können mit einem Kehlkopfspiegel oder einem Laryngoskop untersucht werden. Bei der Kehlkopfspiegelung kann durch Verwendung eines Stroboskopes der Schwingungsablauf der Stimmbänder beurteilt werden. Zur funktionellen Untersuchung können mit einem Laryngographen die Stimmbandschwingungen aufgezeichnet werden.

Gewebeaufbau

Abb. 4: Schematische Darstellung einer Stimmlippe im Querschnitt
Abb. 5: Bewegung der Stimmlippen in der Modalfunktion

Die Stimmlippen haben einen schichtförmigen Aufbau. Die Basis bildet der Stimmmuskel (Musculus vocalis), darüber liegt die an elastischen Fasern reiche Lamina propria. Sie bildet vom Schildknorpel bis zum Aryknorpel eine bandartige, dem Musculus vocalis aufliegende Struktur, das Ligamentum vocale, das eigentliche „Stimmband“. Die Oberfläche der Stimmlippen und die Innenseite der Aryknorpel ist von einer Schleimhaut (Mucosa) mit einem geschichteten Plattenepithel bedeckt, im Gegensatz zum übrigen Kehlkopf, der von einem Flimmerepithel ausgekleidet ist. An der Stimmlippenoberfläche besteht zwischen Epithel und Bindegewebe ein schmaler Zwischenraum, Reinke-Raum genannt, der eine Verschiebung des Epithels gegenüber dem Bindegewebe ermöglicht (Randkantenverschiebung). Eine (krankhafte) Ansammlung von gallertiger Flüssigkeit im Reinke-Raum wird als Reinke-Ödem bezeichnet.

Hirano, 1981, gruppierte die Schichten der Stimmlippen und entwickelte so das Body-Cover-Modell (Tab. 1) mit den Funktionseinheiten Cover–Transition–Body. Dieses Drei- bzw. Fünfschichtenmodell und die den unterschiedlichen Schichten zuzuordnenden unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften (z. B. Dichte, Elastizität, Konsistenz) sind eine der Grundlagen für das Verständnis der Bewegungsabläufe innerhalb der Stimmlippen.

Tab. 1: Schichtenaufbau der Stimmlippen und funktionelle Einteilung nach dem Body-Cover-Modell :

Epithel Schleimhaut Cover
Lamina propria obere Schicht Schleimhaut Cover
mittlere Schicht Stimmband Transition
tiefe Schicht Stimmband Transition
Musculus vocalis Muskel Body

Besonderheiten in der Terminologie

Umgangssprachlich werden die Stimmlippen auch Stimmbänder genannt, obwohl das eigentliche Stimmband nur durch das Epithel und die oberen Faserschichten gebildet wird.

In manchen Disziplinen, wie z. B. der Phonetik, ist der Begriff Glottis mit „Stimmritze“ gleichbedeutend.

Siehe auch

Artikulation, Kehlkopfpfeifen, Stroboskopie, Myoelastisch-aerodynamischer Prozess

Literatur

  • Richard Luchsinger, Gottfried Eduard Arnold: Handbuch der Stimm- und Sprachheilkunde. Bd. 1: Die Stimme und ihre Störungen. 3. erw. Auflage, Springer, Wien 1970, ISBN 3-211-80983-X
  • Richard Luchsinger, Gottfried Eduard Arnold: Handbuch der Stimm- und Sprachheilkunde. Bd. 2: Die Sprache und ihre Störungen. 1. Auflage 1948, 2. Auflage 1959, 3. Auflage 1970, Zürich und Wien, ISBN 3-211-80984-8
  • Minoru Hirano: Clinical examination of voice. Springer, Wien/New York 1981, ISBN 3-211-81659-3

Weblinks


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