Repetundengerichtshof

Repetundengerichtshof

Der Repetundenprozess (actio de repetundis) war ein im antiken Rom zugunsten der Einwohner der römischen Provinzen um ca. 200 v. Chr. eingeführtes Gerichtsverfahren, in dem die Provinzialen gegen ausbeuterische Statthalter vorgehen und widerrechtliche Ausbeutungen zurückfordern konnten.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung zur Zeit der Republik

Die in den römischen Provinzen grundsätzlich für ein Jahr eingesetzten Statthalter beuteten diese zum eigenen Nutzen oft rücksichtslos aus. Dies trug entscheidend zum Verfall der politischen und geschäftlichen Moral in Rom bei. Seit dem frühen zweiten Jahrhundert v. Chr. wurde das Repetundenverfahren als Rückforderungsverfahren gegen ausbeuterische Magistrate zugelassen. Es ist zum ersten Mal für das Jahr 171 v. Chr. belegt, als spanische Bundesgenossen mit Genehmigung des Senats ehemalige Statthalter in einem Zivilprozess anklagten.[1]

Ein ständiger Gerichtshof für Erpressungssachen (quaestio de repetundis) wurde 149 v. Chr. durch eine lex Calpurnia eingerichtet und durch die lex Acilia repetundarum 123/122 v. Chr. weiter ausgestaltet.[2] Die durch die lex Acilia auf das Doppelte der erpressten Summe festgelegte Strafe wurde vermutlich unter Sulla weiter erhöht. Weitere Änderungen am Repetundenprozess nahm Gaius Iulius Caesar in seinem ersten Konsulat 59 v. Chr. vor.

Das Repetundenverfahren nahm allmählich den Charakter eines politischen Kriminalprozesses an, wie der Repetundenprozess gegen Gaius Verres, den Proprätor der Provinz Sizilien von 73 bis 71 v. Chr., zeigt. Dieser Prozess im Jahr 70 v. Chr. ist uns durch die beiden Anklagereden Marcus Tullius Ciceros bekannt. Verres hatte während seiner Amtszeit in Sizilien Statuen, Teppiche, Schmuck, Gemälde und viele andere Kostbarkeiten sowohl aus privaten, als auch aus öffentlichem Besitz geraubt.[3] Cicero stand als Prätor im Jahre 66 v. Chr. dem Gerichtshof für Repetundenverfahren vor.[4]

Die Repetundenverfahren vermochten der Plünderung der Provinzen nicht wirksam abzuhelfen. Sie wurden vielmehr als politisches Instrument missbraucht, nämlich bei den innerrömischen Machtkämpfen zwischen der Senats- und der Geldaristokratie und innerhalb des senatorischen Adels.

Kaiserzeit

Auch aus der Zeit der römischen Kaiser gibt es zahlreichen Berichte über Repetundenprozesse gegen bestechliche und erpresserische Statthalter. Diese Prozesse pflegten jetzt vor dem Senat oder – wenn es sich um kaiserliche Beamte handelte – vor dem Kaiser stattzufinden.

Verfahren

Da beim Repetundenprozess hochangesehen Persönlichkeiten um ihre Existenz kämpften und der Prozessstoff sehr umfangreich war, musste der gesamte Prozessstoff zweimal verhandelt werden. Der Repetundenprozess war das erste und lange Zeit einzige Verfahren, für das seit der lex Calpurnia (149 v. Chr.) Richterlisten eingeführt wurden. Die Richterliste wurde für ein Amtsjahr aufgestellt. Aus ihr wurden unter Mitwirkung des Klägers und des Beklagten das Gericht (consilium) gebildet. Den Vorsitz im Repetundenprozess führte der praetor peregrinus. Für alle anderen Gerichtsverfahren wurde in der republikanischen Zeit das Gericht von Fall zu Fall gebildet. Die Auswahl des Gerichts oblag dabei wohl entweder dem vorsitzenden Magistrat oder dem Senat.

Literatur

  • Jochen Bleicken: Lex publica: Gesetz und Recht in der römischen Republik. Berlin 1975. ISBN 3-11-004584-2
  • Walter Eder: Das vorsullanische Repetundenverfahren. München 1969.
  • Gerhard Krüger: Nachwort. In: M. Tullius Cicero: Reden gegen Verres II. Zweite Rede gegen C. Verres. Erstes Buch. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt und hrsg. von Gerhard Krüger. Stuttgart 1986 (RUB 4014), S. 163–168.
  • Wolfgang Kunkel, Martin Josef Schermaier: Römische Rechtsgeschichte. 14. Auflage. Böhlau, Köln 2005, ISBN 3-8252-2225-X.
  • Dietrich V. Simon: Repetundarum crimen. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 4, Stuttgart 1972, Sp. 1379–1380.

Anmerkungen

  1. Titus Livius 43, 2.
  2. Simon, Repetundarum crimen, Sp. 1379.
  3. G. Waurick: Kunstraub der Römer. Untersuchungen zu den Anfängen anhand der Inschriften. In: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 22 (1975), S. 1–46, hier S. 45.
  4. Zur Besetzung der Richterkollegien im alten Rom vgl. Jochen Bleicken 1975, S. 401-402, hier speziell Anm. 164.

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