Reporters sans frontières

Reporters sans frontières

Reporter ohne Grenzen (franz. Reporters sans frontières; Abkürzung: ROG bzw. RSF) ist eine international tätige Nichtregierungsorganisation, die über die Pressefreiheit auf der ganzen Welt informieren, gegen Zensur kämpfen und öffentlichen Druck für in Haft geratene Journalisten erzeugen will. Dabei beruft sie sich auf den Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Gegründet wurde die Organisation 1985 in Montpellier von Robert Ménard, der seitdem unangefochten Leiter der Organisation ist. Der Name wurde in Anlehnung an den Namen der Organisation Ärzte ohne Grenzen gewählt.

Inhaltsverzeichnis

Organisation und Finanzierung

ROG verfügt über ein internationales Sekretariat in Paris, neun europäische Ländersektionen und fünf Länderbüros in Nordamerika und Asien. Darüber hinaus arbeiten ROG mit 130 Korrespondenten auf allen Kontinenten sowie 14 regierungsunabhängigen Partnerorganisationen zusammen.

ROG verfügt über ein jährliches Budget von rund vier Millionen US-Dollar. Die Organisation gibt die Zusammensetzung ihrer Einkünfte im Jahre 2006 folgendermaßen an:

  • 57 Prozent kamen aus selbstgenerierten Quellen wie Auktionen, Kalenderverkäufen und den Erlösen dreier Bildbände.
  • 24 Prozent des Haushaltes stammten von Institutionen, Unternehmen, Stiftungen und Medien. Im einzelnen werden aufgeführt: sanofi-aventis, Benetton, CFAO, Zeta Group, Soros Fondation, Center for a Free Cuba, National Endowment for Democracy und die Fondation de France.
  • die öffentliche Förderung aus dem Büro des französischen Premierministers, des französischen Außenministeriums und durch die Internationale Organisation der Frankophonie machte neun Prozent aus.
  • aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden kamen neun Prozent.[1]

Nach Recherchen der WDR-Journalisten Elke Groß und Ekkehard Sieker wird ROG u.a. von dem US-Multimilliardär George Soros finanziert, der bereits die polnische Gewerkschaft Solidarność mit Millionen US-Dollar unterstützte, sowie von National Endowment for Democracy, die ihrerseits ihre Gelder zu über 90 Prozent aus dem US-Staatshaushalt bezieht[2] und dem US-Außenministerium untersteht.[3]

Zu den Finanziers von ROG zählen auch der Rüstungsindustrielle und Medienzar Frankreichs Serge Dassault, der Medienkonzern Vivendi und der Milliardär François Pinault.[4] Die professionelle Öffentlichkeitsarbeit, die ROG für ihre politischen Ziele betreibt, verdankt sie den unentgeltlichen Diensten der bekannten New Yorker Werbeagentur Saatchi & Saatchi, deren Team alle Kommunikationskampagnen der Reporter ohne Grenzen entwickelt und realisiert.[2]

Die deutsche Sektion arbeitet seit 1994 und finanziert sich nach eigenen Aussagen ausschließlich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und den Erlösen der jährlich publizierten Bildbände „Fotos für die Pressefreiheit“.

Am Tag der Menschenrechte zeichnet ROG seit 1992 kritische Reporter mit einem Menschenrechtspreis aus. 2002 ging er an Grigori Pasko, 2004 an den marokkanischen Karikaturisten und Journalisten Ali Lmrabet, an Michèle Montas aus Haiti und die afrikanische Tageszeitung Daily News. 2005 ging der Preis an Massoud Hamid aus Syrien, an Zhao Yan aus China, an Tolo TV, ein unabhängiger Fernsehsender in Afghanistan, und an die Nationale Union der somalischen Journalisten. Im Jahr 2006 wurden der Journalist Win Tin aus Myanmar, die russische Zeitung Nowaja Gaseta, die kongolesische Journalistenorganisation "Journaliste en danger" (JED) sowie der Cyberdissident Guillerm Farinas Hernández aus Kuba für ihren Einsatz für Meinungs- und Pressefreiheit ausgezeichnet. 2008 waren die Preisträger Ricardo Gonzáles Alfonso aus Kuba sowie die beiden Blogger Zarganar und Nay Phone Latt aus Myanmar. Seit einigen Jahren verleiht ROG auch einen eigenen Weblog-Award bei The BOBs.

ROG-Generalsekretär Ménard antwortete im Jahre 2001 auf die Frage, warum ROG mit keinem Wort die Pressekonzentration in Frankreich kritisiert: „Damit würden wir das Risiko eingehen, einige Journalisten zu verstimmen, uns die großen Pressebarone zum Feind machen und uns den Zorn der Wirtschaft zuziehen. Aber um in die Medien zu kommen, brauchen wir die Mithilfe der Journalisten, die Unterstützung der Pressebarone und das Geld der Wirtschaft“. Das Ergebnis dieser Denkweise ist offenbar eine Konzentration der Kritik auf Länder wie Kuba, Weißrussland, Russland, China usw., während die Selbstzensur vieler westlicher Journalisten nicht thematisiert wird. Im Dezember 2005 wurde ROG von dem Europäischen Parlament mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet; im Juli 1997 erhielt die Organisation den „Preis für Journalismus und Demokratie“ der OSZE.

2003 wurde Reporter ohne Grenzen für ein Jahr die Beraterfunktion der UN-Menschenrechtskommission entzogen. Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen schloss sich einer Initiative Kubas an, weil ROG die Übernahme der Präsidentschaft der UN-Menschenrechtskommission durch das totalitär regierte Libyen heftig kritisiert hatte. Mehrere westliche Länder distanzierten sich von dem heftig umstrittenen Votum.[5]

Auszeichnungen

Media Freedom Index

Rangliste zur Medienfreiheit (2008, Angaben von Reporter Ohne Grenzen)

Internationaler Tag der Pressefreiheit ROG gibt jährlich den Media Freedom Index, eine Rangliste zur Medienfreiheit auf der Welt, heraus. Er wurde erstmals 2002 veröffentlicht. Der Index wird auf der Grundlage eines Fragebogens erstellt, der von den ROG-Partnerorganisationen, ROG-Korrespondenten sowie Journalisten, Forschern, Juristen und Menschenrechtsaktivisten auf der ganzen Erde beantwortet wird.

ROG fragt nach gewalttätigen Übergriffen, Morden oder Verhaftungen, aber auch nach indirektem Druck gegen die Pressefreiheit in 167 Ländern der Erde. ROG weist darauf hin, dass der Index nur den Grad der Pressefreiheit, nicht aber die Qualität des Journalismus in den einzelnen Ländern misst. Der Index beurteilt auch den Druck von regierungsunabhängigen Organisationen wie der ETA in Spanien.

Der Media Freedom Index hat immer wieder festgestellt, dass Journalisten in den nordeuropäischen Ländern Norwegen, Finnland, Irland, Island, den Niederlanden und Tschechien die größten Freiheiten genießen. Nordkorea, Turkmenistan, Eritrea, Kuba, Myanmar, China, Iran, Saudi-Arabien und Äthiopien dagegen unterliegen am stärksten der Zensur und Lenkung.

Nach der am 23. Oktober 2006 veröffentlichten Studie zur weltweiten Situation der Pressefreiheit durch die Organisation ist Deutschland von Platz 18 unter 166 untersuchten Staaten auf Rang 23 abgefallen. Die Platzierung Deutschlands war vor allem das Ergebnis des Eingeständnisses des BND, Journalisten über Jahre hinweg illegal überwacht zu haben. Aber auch Redaktions- und Hausdurchsuchungen, das inzwischen eingestellte Verfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat gegen zwei Journalisten und Morddrohungen gegen einen Karikaturisten des Tagesspiegel, sowie der zum Teil immer noch erschwerte Zugang zu Daten haben dazu beigetragen. Die Schweiz fiel aufgrund der juristischen Verfolgung zweier Medien um sieben Plätze zurück. [7]

Die Schweiz lag 2007 auf dem 11. Platz, Österreich auf dem 16. Platz, Deutschland auf dem 20. Platz und die USA auf dem 48. Platz.

Journalisten als Opfer

Weltweit

Laut ROG wurden 2005 während und/oder wegen ihrer Arbeit 63 Journalisten sowie fünf Medienmitarbeiter ermordet. 807 Journalisten wurden in diesem Jahr inhaftiert und per 1. Januar 2006 saßen laut Angaben von ROG 126 Journalisten und 70 Internetdissidenten hinter Gittern. Registriert hat die Organisation zudem 1307 Attacken oder Bedrohungen gegen Journalisten und 1006 Fälle von Zensur. Der am längsten im Gefängnis sitzende Journalist ist laut ROG der Libyer Abdullah Ali al-Sanussi al-Darrat, welcher seit 1973 inhaftiert ist.

Nach einer am 31. Dezember 2006 herausgegebenen Bilanz der Hilfsorganisation Reporter ohne Grenzen war das Jahr 2006 insgesamt eines der gefährlichsten Jahre für Journalisten seit Beginn ihrer Erhebung: In 21 Ländern wurden 81 Medienvertreter in Ausübung ihres Berufes getötet. Außerdem wurden 56 Reporter Opfer von Entführungen, in erster Linie im Irak und im Gazastreifen. Darüber hinaus kamen 32 Mitarbeiter von Medienvertretern (Fahrer, Übersetzer und Techniker) bei ihrer unterstützenden Arbeit ums Leben. Dabei war der Irak erwartungsgemäß zum vierten Mal hintereinander das gefährlichste Land für Journalisten mit 64 Opfern, gefolgt von Mexiko mit neun und den Philippinen mit sechs Toten.[8]

In ihrem Jahresreport 2007 berichtet die Organisation, dass 2007 weltweit 86 Journalisten und Journalistinnen bei der Ausübung ihres Berufs getötet worden. Die meisten Medienverteter (47) ließen ihr Leben im Irak. Außerdem wurden nach Informationen der ROG 877 Journalisten verhaftet, mehr als 1500 wurden von Polizei und Sicherheitskräften angegriffen.[9]

Denkmal in Bayeux

2006 wurde am 7. Oktober, zusammen mit der Preisverleihung, das Journalists Memorial in Bayeux eingeweiht, das Samuel Craquelin, geb. 1962, Architekt und Landschaftsarchitekt aus Lillebonne (Seine Maritime), entworfen hat. Auf ihm erinnern 2000 Namen an seit 1944 getötete Journalisten.

Irak

Atwar Bahjat wurde während der Berichterstattung zum Anschlag auf die Goldene Moschee am 22. Februar 2006 in Samarra ermordet. Sie war Sunnitin und sie wollte sich in dem Konflikt nicht auf eine Seite schlagen. Zuletzt arbeitete sie für al-Arabija. Acht Mitarbeiter hat al-Arabija seit Beginn der US-geführten Invasion im Jahr 2003 im Irak verloren – getötet von amerikanischen Truppen oder Aufständischen. Über 120 tote Journalisten wurden seit Kriegsbeginn insgesamt im Irak gezählt (Stand: Mai 2007).

Libyen

Am 24. Juli 2003 wurde die Organisation für ein Jahr von der Teilnahme an Sitzungen der Vereinten Nationen ausgeschlossen, weil sie im März mit Flugblättern dagegen protestiert hatte, dass Libyen den Vorsitz in der UN-Menschenrechtskommission übernahm. 27 Länder stimmten dafür und 23 dagegen bei vier Enthaltungen.

China

Reporter ohne Grenzen kritisiert in einem Bericht die massiven Internet-Sperren und die selektive Zugänglichkeit von Information über das Internet in China. Betroffen seien insbesondere Informationsangebote der Firmen Yahoo, MSN, Ebay und Google, deren Management sich aus wirtschaftlichen Interessen der Regierungszensur anpasse; aber auch Personen wie Hu Jia, die sich für Informationsfreiheit im eigenen Land einsetzen.

Kritik

Kritiker werfen ROG eine selektive Berichterstattung der Diskriminierung von Journalisten vor. Die Auswahl der Länder würde sich an der Trefferliste des US-State Department orientieren (Iran, Syrien, Nordkorea), jedoch jegliche Berichterstattung bezüglich gegen Journalisten gerichtete Aktivitäten in mit den USA verbündeten Ländern (Philippinen, Saudi-Arabien) oder den USA selbst ausschließen.[10]

  • Ein von Reporter ohne Grenzen verfasster Bericht[11] zu der Nichtverlängerung der terrestrischen Sendelizenz des Privatsenders RCTV seitens der venezolanischen Telekommunikationsbehörde CONATEL stieß wegen seiner Polemik, Unfairness und Parteinahme für den Medienkonzern auf heftige Kritik. In einer Analyse des Berichts im Fernsehsender teleSUR unter dem Titel «La consolidación de una mentira mediática a través de 39 embustes» (deutsch: „Die Verankerung einer Medienlüge durch 39 Schwindeleien“) wurde dem Bericht in 39 Punkten unlautere Berichterstattung vorgeworfen.[12]
  • Auf heftige Kritik stieß auch, dass die Organisation den Fall des im Dezember 2001 auf einer Dienstreise nach Afghanistan in Pakistan entführten, schwer gefolterten und am 13. Juni 2002 nach Guantánamo verbrachten Kameramanns von Al Jazeera, Sami Al-Haj, jahrelang verschwieg.[13][14]
  • Die bei einem NATO-Luftangriff auf die jugoslawische Fernsehstation RTS getöteten 16 Journalisten wurden in keinem Jahresbericht der Organisation erwähnt.[4]

Literatur

  • ROG-Report. seit April 2002 (erscheint vierteljährlich; vormals 43 Ausgaben unter dem Namen Rundbrief von 1994 bis 2001)
  • Fotos für die Pressefreiheit. taz-Verlag, seit 2003 (erscheint jährlich; vormals unter dem Namen 100 Fotos für die Pressefreiheit von 1994-2002)

Weblinks

Quellen

  1. Reporters Without Borders: Income and expenditure 31. Dezember 2006
  2. a b Tageszeitung junge Welt: Mission Desinformation 1. August 2007
  3. Telepolis: Reporter ohne Grenzen im Dienste des US-Außenministeriums? 8. Mai 2005
  4. a b José Manzaneda: Reporteros sin fronteras... morales 10/02/06
  5. netzeitung.de: Uno schließt Reporter ohne Grenzen von Sitzungen aus, 24. Juli 2003
  6. sueddeutsche.de: Das Internet als Medium der Überwachung 26. März 2009
  7. reporter-ohne-grenzen.de: In Europäischer Union wachsen Unterschiede
  8. Die Zeit: Medien: Schwarzes Jahr für Journalisten, 31. Dezember 2006
  9. Basler Zeitung: Reporter ohne Grenzen: 86 Journalisten 2007 getötet, 2. Januar 2008
  10. Volker Bräutigam: Reporter ohne Scham-Grenzen, 4. Mai 2006
  11. Reporters Without Borders Venezuela: Closure of Radio Caracas Televisión paves way for media hegemony
  12. teleSUR: La consolidación de una mentira mediática a través de 39 embustes
  13. Voltairenet.org: Reporters without Borders remembers (lately) Sami Al Haj, 2. März 2006
  14. Salim Lamrani: Reporters without Borders Keeps silence about journalist tortured in Guantánamo, Voltairenet.org, 7. Februar 2006

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reporters sans frontières — Contexte général Champs d’action Liberté de la presse Zone d’influence Monde entier …   Wikipédia en Français

  • Reporters Sans Frontières — Logo de Reporters sans frontières Contexte général Champs d action Liberté de la presse Zone d influence …   Wikipédia en Français

  • Reporters sans Frontières — Logo de Reporters sans frontières Contexte général Champs d action Liberté de la presse Zone d influence …   Wikipédia en Français

  • Reporters sans frontieres — Reporters sans frontières Logo de Reporters sans frontières Contexte général Champs d action Liberté de la presse Zone d influence …   Wikipédia en Français

  • Rapports De Reporters Sans Frontières — Les rapports de Reporters sans frontières sont des comptes rendus de référence sur l état de la liberté de la presse et de la liberté d expression en générale. Sommaire 1 Internet 2 Liberté de la presse 2.1 Prédateurs de liberté …   Wikipédia en Français

  • Rapports de Reporters sans frontieres — Rapports de Reporters sans frontières Les rapports de Reporters sans frontières sont des comptes rendus de référence sur l état de la liberté de la presse et de la liberté d expression en générale. Sommaire 1 Internet 2 Liberté de la presse 2.1… …   Wikipédia en Français

  • Rapports de reporters sans frontières — Les rapports de Reporters sans frontières sont des comptes rendus de référence sur l état de la liberté de la presse et de la liberté d expression en générale. Sommaire 1 Internet 2 Liberté de la presse 2.1 Prédateurs de liberté …   Wikipédia en Français

  • Jean-Francois Julliard (Reporters sans frontieres) — Jean François Julliard (Reporters sans frontières) Pour les articles homonymes, voir Jean François Julliard …   Wikipédia en Français

  • Jean-françois julliard (reporters sans frontières) — Pour les articles homonymes, voir Jean François Julliard …   Wikipédia en Français

  • Jean-François Julliard (Reporters sans frontières) — Pour les articles homonymes, voir Jean François Julliard. Jean François Julliard (milieu) avec la médaille Charle …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”