Automobil-Verkehrs- und Übungs-Strasse

Automobil-Verkehrs- und Übungs-Strasse
Blick vom Funkturm auf die AVUS
Verlauf der Rennstrecke
1 – Südschleife
2 – Abfahrt zur Nordschleife
3 – Nordkurve
4 – Start- und Ziellinie

Die AVUS (Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße) ist die erste ausschließliche Autostraße Europas und wurde 1921 für den öffentlichen Verkehr freigegeben.

Die AVUS liegt im Südwesten Berlins und ist das nördliche Teilstück der Autobahn A 115. Sie führt vom Funkturm, an dem sie einen Anschluss zum Berliner Stadtring (A 100) hat, rund neun Kilometer geradeaus durch den Grunewald bis nach Nikolassee. Bis zum April 1998 wurde die AVUS zusätzlich an bestimmten Wochenenden auch als Rennstrecke genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Motiviert durch deutsche Misserfolge bei Automobil-Rennsportveranstaltungen wurde im Jahre 1909 die Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße GmbH gegründet, mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie zu fördern. Nach Umwandlung in eine Aktiengesellschaft begannen 1913 die Arbeiten für eine nur für Autos zugelassene Straße entlang der Wetzlarer Bahn von Charlottenburg nach Nikolassee.

Wegen des Ersten Weltkriegs wurden die Arbeiten 1914 kurz vor der Vollendung eingestellt. Erst im Jahre 1921 wurde die Rennstrecke durch private Investitionen von Hugo Stinnes vollendet und am 24. September 1921 eröffnet. Die geradlinige Rennstrecke verband die Nordkurve (Halensee, Charlottenburg) mit der bei Nikolassee gelegenen Südkurve zu einem ca. 19 km langen Rundkurs. Nach der Eröffnung wurde die Strecke für den privaten Verkehr freigegeben. Ein einmaliges Durchfahren kostete die damals stattliche Summe von zehn Mark, eine Vierteljahreskarte kostete 1000 Mark.

Bereits beim Eröffnungsrennen zeigten sich auf mangelnde Erfahrung im Fahrbahnaufbau zurückzuführende Defizite der Strecke. In den Folgejahren wurden wegen der mit der Inflation einhergehenden wirtschaftlichen Notlage Teile der AVUS von der Bevölkerung demontiert und verkauft oder verheizt.

1926 fand mit dem ersten Großen Preis von Deutschland wieder ein großes Autorennen statt, bei dem aufgrund widriger Witterungsbedingungen und des schlechten Streckenzustands vier Todesopfer zu beklagen waren. Neben mangelnder Griffigkeit des Belags hatte die Strecke aufgrund des traditionellen Fahrbahnaufbaus bei mangelnder Verdichtung des Untergrunds Bodenwellen mit bis zu 10 cm Höhe. In den folgenden Jahren wurde die AVUS nun auch Versuchsstrecke für Straßenbau, auf der viele Elemente des heutigen Straßenbaus erstmals getestet wurden.

Der Rennbetrieb kam infolge einer Absatzkrise der deutschen Automobilindustrie Mitte der 1920er-Jahre und der darauf folgenden Weltwirtschaftskrise weitgehend zum Erliegen. Er wurde erst Anfang der 1930er-Jahre wieder regelmäßig aufgenommen.

Motel AVUS

Um die Rundengeschwindigkeiten zu erhöhen und um Platz für die heutige Halenseestraße zu gewinnen, wurde die alte Nordkurve 1937, auf Initiative des Baurats Erich Krey, durch eine überhöhte, 43,6° steile und aus Backsteinen gemauerte Steilkurve mit einem wesentlich geringeren Radius ersetzt. Das nun jenseits der Halenseestraße gelegene Verwaltungsgebäude wurde durch ein neues Gebäude mit einem Zielrichterturm am Ausgang der Nordkurve ersetzt. Dieses dient heute als Motel. Gleichzeitig wurde eine neue Tribünenanlage errichtet.

Der Anschluss zum Berliner Ring wurde 1940 für den Verkehr freigegeben, wodurch die AVUS als Zubringer endgültig ihren Privatstraßencharakter verlor. Die auf dem Gelände der Tankstelle an der Ausfahrt Spanische Allee gelegene Südkurve wurde danach deswegen gesperrt. Eine projektierte überhöhte Südkehre wurde wegen des Zweiten Weltkriegs nicht vollendet, der bereits aufgeschüttete Wall wurde nach dem Krieg von der amerikanischen Besatzungsmacht als Schießplatz genutzt. Ersatzweise wurde nun die Motorradkurve am Hüttenweg zur Südkehre, wodurch sich die Rennstrecke auf eine Länge von 8,3 km verkürzte.

Vom Kriegsgeschehen im Zweiten Weltkrieg blieb die AVUS nicht ganz verschont. Das stark beschädigte Nordtor wurde bald nach dem Krieg abgerissen. Da die Benutzung nun kostenfrei war, hatte es ohnehin seine Funktion verloren. Nachdem in den ersten Nachkriegsjahren nicht an einen Rennbetrieb zu denken war, wurde nach Ausbesserung der gröbsten Schäden bereits 1951 das erste Rennen gestartet. Die überhöhte Nordkurve erwies sich jedoch weiterhin als beständige Gefahrenquelle mit spektakulären Unfällen, von denen einige tödlich endeten.

Da Steilkurven von der Motorsportbehörde der FIA generell als gefährlich und nicht mehr zeitgemäß eingestuft wurden, riss man die überhöhte Nordkurve 1967 ab, um sie erneut durch eine flache Nordkurve zu ersetzen, die mit dem Platzbedarf des neuen Autobahndreiecks am Funkturm verträglicher war.

Mit dem zunehmenden Individualverkehr wurden Sperrungen der AVUS für Rennsportveranstaltungen problematischer, da sie für den Trainingsbetrieb schon vor den Renntagen am Wochenende gesperrt werden musste. Der geradlinige Hochgeschwindigkeitskurs entsprach nicht mehr den Anforderungen des Rennsports und wurde mehrmals verkürzt.

Nach der Öffnung der Berliner Mauer 1989 und dem damit noch einmal ansteigenden Verkehr von der Innenstadt zum Berliner Ring nahte daher das endgültige Ende des Rennbetriebs auf der AVUS. Obwohl noch versucht wurde, die Strecke durch Verkürzung und Einrichtung von Schikanen zu entschärfen und für das Publikum interessanter zu gestalten, wurde der Rennbetrieb schließlich 1998 komplett eingestellt.

Nutzung

Rennsport auf der AVUS

Der Große Preis von Deutschland 1926
Das Raketenauto Rak VI, 1929
Autorennen, 1932
Motorradfahrer, 1933

Zur Eröffnung der AVUS wurden am Wochenende des 24. und 25. September 1921 bei großem Zuschauerinteresse in verschiedenen Klassen Autorennen ausgetragen. Das Hauptrennen gewann der Berliner Lokalmatador Christian Riecken in einem NAG. Die mit 128,8 km/h höchste Durchschnittsgeschwindigkeit erreichte jedoch Fritz von Opel am Vortag auf einer eine Runde kürzeren Strecke in einer niedrigeren Motorenklasse. Im Hauptrennen führte von Opel zur Halbzeit, wurde jedoch am Ende mit Zündproblemen Dritter.

Motorradfahrer-Denkmal (1939) von Max Esser an der ehemaligen Nordkurve. Links: Ewald Kluge auf DKW, rechts: Ernst Henne auf BMW

Während der folgenden Inflationszeit war der Motorsport kaum finanzierbar. Lediglich am 11. Juni 1922 fand auf der AVUS noch ein großes Autorennen statt, eingeleitet vom ersten Motorradrennen am 10. Juni auf der Strecke. Sieger des Autorennens wurde wieder Christian Riecken auf NAG. In den folgenden Jahren fanden so genannte Kleinwagenrennen statt, die zumindest von den Rundengeschwindigkeiten nicht mit den frühen Rennen vergleichbar waren.

Erst am 11. Juli 1926 wurde das nächste bedeutsame Autorennen gestartet, der erste Große Preis von Deutschland auf der AVUS. Widrige Witterungsbedingungen und der unzureichende Straßenbelag führten zu vielen Unfällen und Ausfällen. Schon im Training starb einer der damals noch vom Reglement geforderten Beifahrer bei einem Unfall in der Südkurve. Während des Rennens kam Adolf Rosenberger mit seinem Mercedes-Benz am Ausgang der Nordkurve von der Piste ab und schlug in die Rundenzähltafel und ein Zeitnehmerhäuschen ein. Während Rosenberger und sein Beifahrer den Unfall verletzt überlebten, starben zwei Studenten im Zeitnehmerhäuschen und der Schildermaler an der Rundentafel. Den Sieg im Regenrennen, das nur 17 von 46 gemeldeten Fahrern beendeten, errang der damals noch weitgehend unbekannte Mercedes-Verkäufer Rudolf Caracciola auf Mercedes-Benz.

Die großen Rennen der 1920er Jahre zogen bis zu 300.000 Zuschauer an die Rennstrecke. Bedeutende Rennen wurden auf der AVUS erst wieder Anfang der 1930er Jahre ausgetragen. Aufgrund der Streckencharakteristik bot sich die AVUS jedoch auch für Rekordversuche an. Der spektakulärste davon fand 1928 statt, als wiederum Fritz von Opel den raketengetriebenen Opel RAK 2 auf über 230 km/h beschleunigte. Zu diesem Fahrzeug wurde Opel durch den Raketenpionier Max Valier inspiriert.

Beim 1931 trotz Weltwirtschaftskrise überraschend wieder ausgetragenen Rennen gewann erneut Caracciola. Dritter wurde der aufstrebende Manfred von Brauchitsch (beide auf Mercedes-Benz). 1932 überholte von Brauchitsch mit seinem – in Privat-Initiative mit Stromlinien-Verkleidung versehenen – Mercedes SSKL den inzwischen zu Alfa Romeo gewechselten Caracciola noch kurz vor dem Ziel und siegte.

1933 und 1934 gewannen Achille Varzi (Bugatti) und Guy Moll (Alfa Romeo).

Ausländische Siege auf ausländischen Fabrikaten kamen den regierenden Nationalsozialisten sehr ungelegen, sodass dem Rennsport bald mehr finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Die Konsequenz war die Entwicklung der berühmten Silberpfeile von Mercedes-Benz und Auto Union. Beim Rennen 1935 fruchtete diese Entwicklung mit einem Sieg von Luigi Fagioli auf Mercedes-Benz. Die Durchschnittsgeschwindigkeit stieg von unter 210 km/h in den Jahren davor auf über 238 km/h.

Der Bau der überhöhten Nordkurve 1937 führte zur weiteren Erhöhung der Geschwindigkeiten. Ebenso wurde im Fahrzeugbau durch Stromlinienverkleidungen die Geschwindigkeit der Fahrzeuge erhöht. Das Rennen am 30. Mai 1937 dominierten die Silberpfeile. Der Sieger Hermann Lang auf Mercedes-Benz erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von knapp 400 km/h, Bernd Rosemeyer fuhr mit seinem Auto-Union-Rennwagen die schnellste Rennrunde mit einem Schnitt von 276,39 km/h; eine Durchschnittsgeschwindigkeit, die auf der AVUS durch die folgende Verkürzung der Strecke nie wieder erreicht und erst Jahrzehnte später beim Indianapolis 500 übertroffen wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die AVUS 1951 mit einem Rennen vor 350.000 Zuschauern wiedereröffnet. 1954 fand ein nicht zur Weltmeisterschaft zählendes Formel-1-Rennen mit den Mercedes-Benz W196-Werkswagen statt. Es gewann Karl Kling vor Juan Manuel Fangio und Hans Herrmann.

1959 fand der Große Preis von Deutschland, anstatt wie bisher am Nürburgring, auf der AVUS statt. Die Gründe waren politischer Natur: Man wollte in der geteilten, aber noch nicht von einer Mauer durchtrennten Stadt zur Zeit des Kalten Krieges ein Zeichen setzen. Besucher aus Ost-Berlin konnten ihre Eintrittskarte mit der quasi wertlosen Ostmark kaufen. Das F1-Rennen gewann Tony Brooks auf Ferrari. Hans Herrmann überschlug sich mit seinem BRM in der Südkurve, kam jedoch mit wenigen Blessuren davon. Im Sportwagenrennen, am Tag zuvor, starb jedoch der Vorjahressieger Jean Behra, als sein Porsche 718 im Regen über den äußeren Rand der Steilwandkurve schoss, mit dem Sockel einer ehemaligen Flakstellung kollidierte und gegen einen Fahnenmast geschleudert wurde. Einen ähnlich spektakulären Unfall hatte Richard von Frankenberg 1956 unverletzt überstanden, der aus seinem Porsche 645 Spyder geschleudert wurde, bevor dieser auf einem Parkplatz hinter der Nordkurve aufschlug und dann in Flammen aufging.

Damit war die große Zeit der Grand-Prix-Rennen auf der AVUS vorbei. Der Schock saß so tief, dass drei Jahre lang überhaupt keine Autorennen auf der AVUS ausgetragen wurden. Danach fanden nur noch Rennen mit weniger stark motorisierten Fahrzeugen statt. Die überhöhte Nordkurve wurde 1967 abgetragen.

Bis Ende der 1990er-Jahre fanden Rennen mit Tourenwagen und Nachwuchs-Formelwagen statt, wobei die Strecke auf 4,8 und 2,6 km verkürzt wurde. Zudem wurden Schikanen eingebaut. Es kam trotzdem zu kuriosen Zwischenfällen und leider auch schweren Unfällen. So überquerte in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft der BMW M3 von Dieter Quester einmal funkensprühend die Ziellinie auf dem Dach, was noch für den dritten Platz reichte. Der Opel von Louis Krages (alias „John Winter“) fing in der Nordkurve nach einem Unfall Feuer.

Für die DTM war die Strecke kein Thema mehr, nachdem 1995 bei einer Startkollision das halbe Starterfeld außer Gefecht gesetzt wurde. Auch die STW verabschiedete sich 1995 von der Strecke, nachdem der Brite Kieth O’dor im selben Jahr in einem STW-Rennen starb. Das erste der beiden Rennen an diesem Tag hatte O’dor noch gewonnen. Einige andere Rennserien fuhren jedoch weiterhin auf der AVUS, so blieben auch weitere Unfälle nicht aus. Der spätere Formel-1-Pilot Alexander Wurz, damals in einem Formel-3-Wagen, stieß mit einem DMSB-Streckensicherungsfahrzeug zusammen.

1998 fanden die letzten Rennen statt, 1999 gab es eine Abschiedsfeier. Im Jahr 2000 wurde der EuroSpeedway Lausitz eingeweiht, der als Ersatz für die AVUS dienen soll und von Berliner Banken finanziert wurde.

Fahrradsternfahrt auf der AVUS im Jahr 2007

Nicht-motorisierte Nutzung

Obwohl die AVUS seit ihrer Eröffnung nur für motorisierten Verkehr zugelassen war, fanden und finden gelegentlich auch nichtmotorisierte Veranstaltungen auf der AVUS statt. Anlässlich der Olympischen Spiele 1936 verliefen sowohl der Marathonkurs als auch der Kurs des Straßenradrennens über die AVUS.

In den Wirren der Nachkriegsjahre wurde die kaum befahrene Strecke zeitweise sogar für Pferdefuhrwerke freigegeben, was allerdings bald wieder zurückgenommen wurde.

An den vier autofreien Sonntagen während der Ölkrise im Jahr 1973 wurde die AVUS (unerlaubt) von begeisterten Bürgern mit allen möglichen nicht motorisierten Vehikeln genutzt. In den 1990er-Jahren begann die Tradition der Fahrradsternfahrten des ADFC, die jedes Mal Tausende von Radfahrern an einem Sonntag im Juni auf die AVUS bringt.

Sonstiges

Die augenscheinlich schnurgerade Strecke der AVUS weist (von Süden kommend) eine sehr leichte Linkskurve direkt nach der Brücke über den Hüttenweg und einen guten Kilometer weiter die entsprechende, allerdings noch weniger wahrnehmbare Gegenkurve auf. Auf vielen Stadtplänen ist die AVUS durchgehend gerade gezeichnet; auch auf Satellitenfotos sind die – beispielsweise vom Funkturm aus zu erkennenden – Kurven nur schwer wahrnehmbar.[1] In dem durch die Kurven gebildeten leichten Bogen liegt das Betriebswerk der S-Bahn.

An der Anschlussstelle Hüttenweg wurden Anfang der 1980er-Jahre Szenen einer Verfolgungsjagd für den James-Bond-Film Octopussy gedreht. Außerdem wurden hier 1984 einige Szenen für den Film Richy Guitar aufgenommen.

Die Avus südlich von Berlin wurde durch die Rennen auf der Bernauer Schleife am damaligen nördlichen Ende des Autobahnrings um Berlin ergänzt.

Literatur

  • Ulrich Kubisch, Gert Rietner: Die Avus im Rückspiegel. Rennen, Rekorde, Rückstaus. Elefanten Press, Berlin 1987, ISBN 3-88520-2328
  • S. S. Collins (Text), Gavin D. Ireland (Fotos): Vergessene Rennstrecken – Traditionskurse in Europa, Heel-Verlag, Königswinter 2006, ISBN 3-89880-644-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 52° 28′ 44″ N, 13° 14′ 55″ O52.47883413.2485257AVUS im Bereich Hüttenweg

52.48055555555613.2513888888897Koordinaten: 52° 28′ 50″ N, 13° 15′ 5″ O


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