Richard Willstätter

Richard Willstätter
Richard Willstätter

Richard Martin Willstätter (* 13. August 1872 in Karlsruhe; † 3. August 1942 in Muralto) war ein deutscher Chemiker und erhielt 1915 den Nobelpreis für Chemie.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Richard Willstätter wuchs in Nürnberg in einer wohlhabenden Großkaufmannsfamilie auf. Er war Mittelschüler und als Jugendlicher wohl sehr unordentlich, was seine Mutter zur Bemerkung „Richard, aus dir wird nix“ verleitet haben soll. Er war Mitglied in der Schülerverbindung Rot-Weiss-Rote Absolvia Nürnberg, welche 1867 am königlichen Realgymnasium gegründet wurde. Heute trägt das Gymnasium den Namen „Willstätter-Gymnasium-Nürnberg“. Sein Verhalten änderte sich aber bald – wahrscheinlich hätte er sonst sein großes Arbeitspensum gar nicht bewältigen können. Nach dem Abitur studierte er Chemie in München bei Baeyer und promovierte bei Alfred Einhorn über die Struktur des Cocains. 1902 wurde er zum außerordentlichen Professor für Chemie ernannt. Bereits 1905 folgte er dem Ruf an die ETH in Zürich, wo er bis 1912 den Lehrstuhl für allgemeine Chemie innehatte. 1912 wechselte er als Direktor an das neu gegründete Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie nach Berlin-Dahlem und übernahm 1915 an der Universität München den Lehrstuhl von Adolf von Baeyer. Zugleich wurde er Direktor des "Chemischen Laboratoriums des Staates". 1914 wurde er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1916 ihr ordentliches Mitglied.

Willstätters Interesse galt schon früh den Problemen allgemein naturwissenschaftlicher Bedeutung, das heißt der Lebensvorgänge oder Biochemie – ein bis zum heutigen Tag aktuelles Thema. Seine Forschungsschwerpunkte lagen im Bereich der Farbstoffchemie (Chlorophyll, Hämoglobin, Anthocyane) und den Anfängen der Biochemie. Mit heute einfach anmutenden Mitteln hat er Probleme aufgegriffen, die damals Neuland erschlossen. Seine Forschungen waren erfolgreich, weil er die Versuche klar plante und die Auffassung vertrat, man müsse die Natur mit schonenden, naturnahen Methoden erforschen. Wesentlich für die Beurteilung von Willstätters wissenschaftlicher Leistung ist, dass er sowohl epochale Entdeckungen in der klassischen organischen Chemie gemacht, als auch komplizierte neuartige Fragestellungen – wie die Studien über das Chlorophyll, die Photosynthese und die Enzyme – bearbeitet hat.

Für seine Untersuchungen der Farbstoffe im Pflanzenreich, vor allem des Chlorophylls, wurde ihm 1915 der Nobelpreis für Chemie verliehen.

Seit 1923, zur Zeit des Hitler-Putsches, gab es an der Ludwig-Maximilians-Universität, an der "Zweiten philosophischen Fakultät"[1], Chemisches Institut[2], antisemitische Aktionen gegen Willstätter, der jüdischer Herkunft war. Dazu gehörte der Skandal um die Nachfolge von Paul Heinrich von Groth durch Victor Moritz Goldschmidt aus Oslo. Hierbei verteidigten Willstätters Freund, der Chirurg Ferdinand Sauerbruch, sowie F. v. Müller ihn nach Kräften; Sauerbruchs akademischer Schüler Rudolf Nissen hat ein Solidaritätstreffen von Willstätters Schülern miterlebt, eine Erklärung dazu war von 337 Studierenden unterzeichnet.[3] Die Erfahrung, wie virulent der akademische Antisemitismus war, lehrte Nissen, nach der Machtübergabe an die Nazis und dem „Judenboykott“ vom April 1933 zügig Deutschland zu verlassen, weil er dessen todbringende Potenz erkannt hatte.

Willstätter gab seine Professur 1924 auf und begründete seinen Schritt mit der opportunistischen Haltung einiger Professoren, die in Berufungsverfahren antisemitischen Erwägungen höheres Gewicht einräumten als wissenschaftlichen Leistungen.[4] Er forschte weiter an der Universität München, ohne über eine Professur zu verfügen. Dabei arbeitete er mit dem Privatdozenten Heinrich Kraut und mit Karl Lobinger zusammen.[5] Ab 1928 hielt ihm Margarete Rohdewald, eine frühere Doktorandin von Richard Kuhn als Privatassistentin – trotz ungünstigster Randbedingungen – zehn Jahre lang die Treue; Laborarbeitsplätze stellte Heinrich Wieland zur Verfügung.[6] Vor der weiteren rassistischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten emigrierte er am 4.März 1939 [7] , nach Verlust fast seines gesamten Besitzes in die Schweiz und wurde Mitarbeiter in der chemischen Industrie, bei Sandoz in Basel. In Locarno verbrachte er die letzten drei Jahre seines Lebens.

Ehrungen

1915 wurde ihm der Nobelpreis für Chemie für seine „Untersuchungen der Farbstoffe im Pflanzenreich, vor allem des Chlorophylls“ verliehen, außerdem erhielt er die Adolf-von-Baeyer-Denkmünze.

1922 wurde er auswärtiges Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei in Rom.

Im Jahre 1924 wurde er in den Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste aufgenommen.

Das Willstätter-Gymnasium in Nürnberg ist nach ihm benannt.

Einzelnachweise

  1. Chemie und Pharmazie wechselten 1892 von der Medizinischen zur Philosophischen Fakultät.
  2. Bezeichnung Nissens, S. 102; offiziell "Chemisches Laboratorium des Staates".
  3. Richard Willstätter: Aus meinem Leben, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstrasse, 2. Nachdruck der 2. Auflage, 1973, S. 344−345, ISBN 3-527-25322-X.
  4. Richard Willstätter: Aus meinem Leben, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstrasse, 2. Nachdruck der 2. Auflage, 1973, S. 343−344, ISBN 3-527-25322-X.
  5. Richard Willstätter: Aus meinem Leben, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstrasse, 2. Nachdruck der 2. Auflage, 1973, S. 356, ISBN 3-527-25322-X.
  6. Richard Willstätter: Aus meinem Leben, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstrasse, 2. Nachdruck der 2. Auflage, 1973, S. 355, ISBN 3-527-25322-X.
  7. Richard Willstätter: Aus meinem Leben, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstrasse, 1. Auflage, 1949, S. 413.

Literatur

  • Richard Willstätter: Aus meinem Leben, Verlag Chemie, Weinheim, 2. Nachdruck der 2. Auflage 1973, ISBN 3-527-25322-X.
  • Rudolf Nissen: Helle Blätter, dunkle Blätter. Autobiografie. DVA Stuttgart 1969 u. ö. (auch in and. Verlagen), Willstätter: S. 102 - 104

Weblinks

 Commons: Richard Willstätter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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