Rodolphe d’Erlanger

Rodolphe d’Erlanger

Rodolphe d’Erlanger (* 7. Juni 1872 in Boulogne-Billancourt, Frankreich; † 29. Oktober 1932 in Tunis, Tunesien), ursprünglich Rudolf Franz Freiherr von Erlanger, war ein in Frankreich geborener, später in England lebender anglo-französischer Maler, Musikwissenschaftler und großer Orientalist mit 1894 angenommener britischer Staatsangehörigkeit deutsch-amerikanischer Abstammung.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Sein Großvater Rafael Freiherr von Erlanger gründete in der freien Stadt Frankfurt am Main 1848 das schnell erfolgreiche Bankhaus Erlanger & Söhne, später unter der Mitarbeiter seiner vier Söhne.

Sein Vater Frédéric Emile Baron von Erlanger (1832–1911) baute die Pariser Filiale so erfolgreich aus, dass sie eine selbstständige Bank von Weltformat wurde. Er wurde unter anderem zu einem bedeutenden Finanzier des Eisenbahnbaus. Er heiratete die Amerikanerin Marguerite Mathide Slidell (1842–1927).

Rodolphe d’Erlanger hatte drei Brüder. Der älteste war der Naturwissenschaftler Professor Dr.phil. Raphael Baron Slidell von Erlanger (* 23. Juli 1865 Paris; † 29. November 1897 Heidelberg).

Der zweitälteste Bruder Emile Beaumont Baron d’Erlanger (1866–1939) war der eigentliche Bankier, Musiker, Musikliebhaber und Förderer der Künste. Von seinem Vater wurde er mit dem Vorsitz der Eisenbahngesellschaften des Nordens betraut. Auch finanzierte er den Entwurf Chanel Tunnel Company (der Vorgänger von Eurotunnel) und mietete unter anderem bereits um 1890 einige Hallen für erste Bauuntersuchungen an. Er verlegte den Schwerpunkt des Pariser Bankhauses Erlanger & Söhne nach London, wo er 1891 die britische Staatsbürgerschaft erwarb und sich zudem seinen Titel Baron (Freiherr) bestätigen ließ. Seine Ehefrau Rose Marie Antoinette d’Erlanger genannt Kate war eine geborene Catherine de Robert d’Aqueria de Rochegude (* 30. August 1874; † 1959). Sie wohnten unter anderem in Falconwood, in der Nähe von Shooters Hill, im Südosten von Gross-London, meist aber im ehemaligen Haus von Lord Byron in Rutland Gate, eiiner Straße in der Gegend von London Kensington, direkt an Knightsbridge. Noch auf ihrem Wohnsitz in Beverly Hills sah sie sich als Patronin des Ballet Russe de Monte Carlo unter Diagilov.

Sein drittältester Bruder Frédéric A. Baron d’Erlanger (* 29. Mai 1868 in Paris; † 23. April 1943 in London) begann bereits in seiner Jugend in seiner französischen Geburtsstadt mit seinen musikalischen Studien und wurde ein anerkannter Komponist. Daneben arbeitete er auch als Bankier in Paris, später in London.

Ausbildung

Rodolphe d’Erlanger musste als jüngster Sohn nicht wie seine Brüder eine Ausbildung als Bankier absolvieren, sondern entwickelte schon früh ausgeprägte Neigungen zur Malerei. So studierte er in seiner Jugend an der Akademie Julian in Paris unter der Leitung von Jules-Joseph Lefebvre und Tony Robert-Fleury und begann eine Karriere als Maler zwischen den Themen Orientalistik und Landschaft.

Familie und Karriere

Am 19. Juni 1897 heiratete er in London, wie seine beiden ältesten Brüder, in europäischen Hochadel ein. Seine Ehefrau Maria Elisabetta Cleofee Scolastica Contessa Barbiellini-Amidei (* 14. Oktober 1875 Rom) stammte aus zwei alten italienischen einflussreichen Adelsgeschlechtern ab. Sie war die Tochter des Grafen Francesco Barbiellini Amidei der Elmi aus Perugia und der Amerikanerin Harriet Lewis, geboren in New London, Connecticut. Das junge Paar pendelte zwischen ihrem Wohnsitz in Middlesex, England und dem prunkvollem Wohnhaus der Familie in Paris.

Am 2. Juli 1898 wird in London der älteste Sohn Leo Frédéric Alfred Baron d’Erlanger geboren. Da sein Großvater Graf Barbiellini Amidei der Elmi Kammerherr von Papst Leo XIII. (* 2. März 1810 / Papst seit 28. Februar 1878; † 20. Juli 1903) gewesen war, wurde der Papst Leo XIII. Namensgeber und sogar Pate dieses Kindes. Rodolphe d’Erlanger malte Landschaften, Porträts, Szenen und Straße von Paris und Deauville, Italien, England, Ägypten und vor allem in Tunesien, seit 1882/83 französisches Protektorat, dass er für sich entdeckte.

Das Bankhaus Erlanger & Söhne war in den Wirtschaftsskandal in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts involviert, als zwischen 1860 und 1866 die damals in Tunesien herrschenden Husainiden mit ihren Beys von Tunis und den korrupten Ministerpräsidenten Mustapha Khaznadar von europäischen Banken, unter anderem auch vom Bankhaus Erlanger & Söhne zwei Darlehen in Gesamthöhe von 24 Millionen Franken. Diese Darlehen steigern sich durch Hebelwirkungen, wie Provisionen und Zins- und Schadenersatzansprüche etc., innerhalb von nur vier Jahren auf 125 Millionen Franken. Da der tunesische Staat den Staatsbankrott erklärte und sich unter internationaler Finanzaufsicht begeben musste, beschloss Frankreich zur Sicherung auch seiner algerischen Interessen die militärische Besetzung und die Errichtung einer Protektorates, das bis lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs fortbestand. Aus dieser Zeit ist der Liegenschaftserwerb seines Vaters Frédéric Emile Baron d’Erlanger (1832–1911) zu sehen. Er „kaufte“ dem Beys von Tunis den kompletten Besitz seiner Ländereien ab und sandte seinen Sohn Rodolphe vor Ort, um den Ankauf genauer zu inspizieren.

Da er nicht an Bankgeschäften interessiert war und ihm Landschaft und Kultur, auch wegen seiner angegriffenen Gesundheit, besonders seiner Bronchien und seiner Lungenkrankheit, gefielen und ihm sein Vater die Immobilien schenkte, beschloss er dort zu bleiben.

Sidi Bou Saïd, ein Dorf etwa 20 km nordöstlich von Tunis im Norden von Tunesien am Felsen von Karthago am Golf von Tunis hatte ihn besonders verzückt. Das Dorf war früher der Religion geweiht. Hier lebten sog. Marabuts, religiöse Einsiedler. Auch stammt der Name des Dorfes von einem Heiligen, der den Sufismus entwickelte und nach seinem Tod heilig gesprochen wurde. Fortan wurde der Ort als heiliger Ort verehrt. Im 16. Jahrhundert ließen sich hier wie im ganzen Norden Tunesiens Mauren nieder, deren „andalusisch“ wirkende Architektur das Dorf bis heute prägt. Er ließ sich in dem damaligen Fischerdorf nieder und dort von 1912–1922 einen inzwischen weltberühmten Palast, den „der Star der Venus“, erbauen. Er erwirkte, das das Dorf unter Denkmalschutz gestellt wurde. Alle Neubauten müssen fortan im gleichen andalusischen Stil der weißen, kubischen Häuser mit blauen Holzveranden, Fenstergittern und Nageltüren gebaut werden. Heute eine Touristenattraktion. Als Musikliebhaber öffnete er seine Türen für Künstler, indem er Zusammenkünfte und Abende organisierte, wo Kunst, Musik und Literatur sich mischten. Zu den Künstlern gehörten auch die deutschen Maler August Macke und Paul Klee. Nach seinem Tod im Jahre 1932 vererbte von Erlanger dem Land Tunesien sein Kulturgut. Er macht den Palast Ennejma Ezzahra zum Zentrum der arabischen und Mittelmeermusik.

Rodolphe musikwissenschaftliche Leistung ist das von ihm begründeten Projekt der Erfassung und schriftliche Fixierung der Geschichte und des Repertoires der arabischen Musik, sowie der Übersetzung ins Französische. Dank seiner Partner, vor allem seiner Sekretärin Manoubi Snoussi, des Musikwissenschaftler Henri Georg Farmer, Baron Carra de Vaux, des Syrier Ali Darwish und des Tunesiers Ahmed El-Wafi entstand so ein noch heute richtungsweisende sechsbändiges Werk der klassischen arabischen Musik. Nur bei der Fertigstellung des ersten Bandes 1930 war Rodolphe d’Erlanger noch am Leben. Der anderen Bände erschienen nach seinem Tode, der abschließende sechste Band 1959. Das Werk gilt heute noch als eine wertvolle Informationsquelle für Musiker und Wissenschaftler.

König Farouk beauftragte ihn mit der Organisation eines ersten Symposiums für arabische Musik vom 28. März bis 3. April 1932 zudem auch westliche Musiker wie Béla Bartók und Paul Hindemith eingeladen wurde. Er selbst konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Symposium teilnehmen und verstarb am 29. Oktober des gleichen Jahres.

Literatur

Weblinks


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