Rudolf Petershagen

Rudolf Petershagen

Rudolf Petershagen, (* 4. Juni 1901 in Hamburg; † 13. April 1969 in Greifswald) war im Zweiten Weltkrieg als Offizier der deutschen Wehrmacht Kommandant der Universitätsstadt Greifswald, die er durch kampflose Übergabe vor der Zerstörung durch sowjetische Truppen bewahrte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rudolf Petershagen entstammte einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Bereits als Abiturient war er Soldat im Freikorps „Sturmbataillon Schmidt“, das später in die Reichswehr übernommen wurde. Nachdem er 1921 das Abitur abgelegt hatte, nahm er ein Studium an der Kriegsschule München auf. 1924 wurde er zum Leutnant, 1934 zum Oberleutnant ernannt.

Im Frühjahr 1935 heirateten Rudolf Petershagen und die aus adligen Kreisen stammende Angelika von Lindequist (1909–1995) in Potsdam, kirchliche Trauung war in der Garnisonskirche. 1937 wurde er zugleich mit der Beförderung zum Hauptmann als Kompaniechef in das Infanterieregiment 92 nach Greifswald versetzt. Dort bezog das Paar ein Offiziershaus. Sie gestalteten den Garten und pflanzten Bäume. Es war seine Idee, in Greifswald Wurzeln zu schlagen. [1]

Als Kompaniechef war Petershagen 1938 an der Besetzung der Tschechoslowakei beteiligt. Im Sommer 1939 wurde er außerplanmmäßig zum Major befördert, ein Hinweis auf den sich abzeichnenden Krieg. In der ersten Zeit nach Beginn des 2. Weltkriegs gehörte Petershagen zum Stab der Ersatzdivision in Stettin. Dann wurde er nach Frankreich versetzt und kämpfte auf dem Balkan. Während des Russlandfeldzuges wurde er mit seinem Bataillon bei der ersten Schlacht um Charkow eingeschlossen. Er ließ sich mit seinem Bataillon nicht befehlsgemäß überrollen, sondern wagte erfolgreich den Ausbruch. Dafür erhielt er das Ritterkreuz und wurde Oberst und Kommandeur des Greifswalder Regiments. In der Schlacht von Stalingrad führte er das 92. Panzergrenadierregiment aus Greifswald. Er wurde schwer verwundet und kam in ein Lazarett nach Greifswald. Nach langwieriger Genesung war er nicht mehr frontdiensttauglich. Am 1. Januar 1945 wurde er zum Stadtkommandanten von Greifswald ernannt. [2] Zu dieser Zeit hatte sich um den Rektor der Universität Greifswald ein Kreis gebildet, der Pläne für die kampflose Übergabe der Stadt an die Rote Armee schmiedete. Es gelang der Gruppe, Petershagen für ihr Vorhaben zu gewinnen. Als die sowjetischen Truppen kurz vor Greifswald standen, leitete Petershagen die erforderlichen militärischen Schritte für die Kapitulation ein. In der Nacht vom 29. zum 30. April 1945 fuhr eine Parlamentärdelegation den feindlichen Linien entgegen. Die Gruppe bestand unter anderem aus dem Rektor der Universität Prof. Dr. Carl Engel, dem Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Prof. Dr. Gerhardt Katsch und dem stellvertretenden Stadtkommandanten Oberst Dr. Max Otto Wurmbach. Während der nächtlichen Verhandlungen im brennenden Anklam gelang den Parlamentären, den sowjetischen General davon zu überzeugen, dass sich Greifswald kampflos ergeben werde. Im Gegensatz zur Nachbarstadt Anklam wurde Greifswald so vor der Zerstörung gerettet.

Als Offizier der deutschen Wehrmacht blieb Petershagen die sowjetische Kriegsgefangenschaft nicht erspart. Als er 1948 entlassen wurde, kehrte er nach Greifswald zurück und beteiligte sich aktiv am Aufbau der kurz darauf gegründeten Deutschen Demokratischen Republik.

Zunächst wirkte er in Greifswald beim Aufbau der Nationaldemokratischen Partei (NDPD) mit. Sie war eine Partei des demokratischen Mittelstandes, die auch als politische Heimat ehemaliger Wehrmachtsoffiziere und bekehrter Mitläufer der Nazis galt. Später wurde er Kreisvorsitzender der Partei. 1950 wurde Petershagen Greifswalder Stadtrat und kurz darauf zum Kreisrat auf der Ostseeinsel Usedom berufen.

Ein Jahr später wurde er Opfer des Kalten Krieges. Anlässlich einer Reise nach München wurde er vom amerikanischen Geheimdienst wegen Beihilfe zur Spionage verhaftet. Ihm wurden während der Verhöre die Zähne ausgeschlagen. In den Kellern des amerikanischen Geheimdienstes wurde er schwer Lungen- und Herzkrank. Seine Frau wurde vom Amerikanischen Geheimdienst terrorisiert und nach Westberlin gelockt, von wo aus es ihr gelang, in die DDR zurück zu fliehen.

Petershagen wurde später von einem amerikanischen Militärgericht, das keinen Beweis seiner Schuld vorlegen konnte, zu zweimal sechs Jahren Zuchthaus verurteilt, von denen er vier Jahre in München, Landsberg und Straubing absitzen musste. Während der schweren Haft wurde Petershagen von Vertretern des amerikanischen Geheimdienstes dazu gedrängt, der DDR den Rücken zu kehren. Dafür winkte man ihm mit der Freiheit und einer hohen Pension. Petershagen sah jedoch in der BRD dieselben Kräfte erstarken, die auch Hitler an die Macht und den Zweiten Weltkrieg verschuldet hatten. Daher lehnte er ab und ertrug die schweren Lasten der Haft.

Nach seiner Rückkehr 1955 ernannte ihn die Stadt Greifswald zum Ehrenbürger. Danach bekleidete er weniger bedeutende politische Ehrenämter und verfasste seine Autobiografie „Gewissen in Aufruhr“, in der er sich voll und ganz zur DDR bekannte. Petershagen galt in der DDR als Demokrat und wurde als Friedenskämpfer verehrt.

Nach Rudolf Petershagen ist eine Straße in Greifswald, die Rudolf-Petershagen-Allee benannt. Sein 1957 erschienener autobiographischen Bericht Gewissen in Aufruhr wurde als 5-teilige Miniserie der DEFA für das Fernsehens der DDR von 1961 mit Erwin Geschonneck in der Hauptrolle verfilmt.

(Siehe auch: Josef Ritter von Gadolla, Dietrich von Choltitz)

Anmerkungen / Einzelnachweise

  1. Vgl. Hans-Otto Lecht: Angelika Petershagen Frau eines Greifswalder Stadtkommandant, Weblink a. a. O.
  2. Vgl. Hans-Otto Lecht: Rudolf Petershagen und Greifswald, Weblink a. a. O.

Werke

  • Gewissen in Aufruhr. Verlag der Nation, Berlin 1957
  • Das Leben ist kein Würfelspiel. Verlag der Nation, Berlin 1961

Weblinks


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